Da empfinde ich folgenden Handlungablauf störender:
Jemand wird aus einem Hinterhalt im Nahkampf attackiert. SR modelliert nicht einzelne Schläge (gottseidank) sondern Schlagserien. Es macht Sinn, dass der erste Schlag ohne Verteidigung erfolgen kann, aber bei allen weiteren sollten doch Reflexe greifen (zumindest schützende, nicht attackierende).
Ja, aber
Schutzreflexe & Co. gehören zur Konstitutionsprobe und spätestens mit Kampfpool-Einsatz kommt der Übergang zur koordinierten Abwehr - das ist mir aber noch keine Handlung wert bzw. dafür will ich noch keine Handlung einfordern.
Dass es keinen Kampfpool mehr gibt, war wohl einer der Gründe, dass man ab SR4 so starke automatische Verteidigungswürfe speziell gegen Nahkampfangriffe hat.
Auf der Gegenseite, bei einem Fernangriff habe ich folgendes Bild vor Augen:
Ich werde in einem Hinterhalt beschossen, doch die Tierinstinkte und -reflexe laufen erstmal ins Leere.
...
Für mich erstmal eine komplett andere Situation, von daher würde ich da nicht zwanghaft versuchen, eine regelseitige Kohärenz zwischen Fern- und Nahkampfangriff herzustellen.
Wieder ja, aber:
Typische Schutzreflexe helfen gegen technisch gute Nahkampfangriffe auch nicht sonderlich viel. Und umgekehrt kann man zielführende Reaktionen auf Beschuss einüben und automatisieren - zumal der Standardfall bei SR eher in Richtung "Duell" oder Häuserkampf geht, wo man relativ oft weiß oder unmittelbar erkennt, wer von wo schießt.
Da haben wir wohl wirklich unterschiedliche Perspektiven - ich sehe zwischen den beiden Bereichen grundsätzlich eher mehr Überschneidungen als Unterschiede und das darf sich dann auch ein Stück weit in den Regeln niederschlagen.
Dazu ne kleine Frage: Wie kann man bei dir Edge regenerieren?
Standardmäßig wird Edge zu jeder Sitzung aufgefüllt.
Bei großen Pausen, Brüchen, Übergängen etc. kann man auch innerhalb der Sitzung auffüllen - ganz banal z.B. dann, wenn man den ganzen Tag spielt, einen alten Run zu Ende führt und einen neuen anfängt.
Warum magst du überhaupt die Möglichkeit drin haben, bei der Verteidigung Schaden zu verursachen?
Was würde man verlieren wenn es nicht mehr drin ist?
Billige Antwort: Weil es in der Vorlage so ist
In SR1 ist es mir mit der Poolaufteilung aber zu schwach, in SR3 dagegen viel zu stark.
Da ist mein Zwischending, das dafür eine Handlung kostet, mMn eine ganz gute Variante.
Ansonsten sind wir da schon wieder bei der Gegenüberstellung von Fern- und Nahkampf und der Frage, ob und wie man sie regeltechnisch gleichstellt und wo man Unterschiede belässt.
Im Fernkampf ist der Standard: Einer ist dran, schießt auf den anderen und wenn der nicht mausetot umfällt, schießt er in seiner Handlung zurück. Beim Thema Abwarten/Unterbrechen wird das in eine Handlung und einen "vergleichenden" Wurf komprimiert - dann trifft der mit mehr Erfolgen zuerst und ggf. unmittelbar danach der andere. Vergleichend deswegen in Anführungszeichen, weil das in dem Moment ein Wettrennen ist und keine Interaktion, bei der man unmittelbar Einfluss auf die Aktionen des anderen nehmen kann (außer, indem man ihn rechtzeitig umbringt).
Das könnte man grundsätzlich im Nahkampf genau so machen, aber da ist es dann deutlich kontraintuitiv, dass jemand, der nicht abgelenkt ist und eine einsatzbereite Nahkampfwaffe hat, den Angriff hinnehmen muss und erst in seiner Handlung angreifen kann. Es macht im Vergleich den Nahkampf aus, dass er "interaktiver" ist. Und nach meinem Ansatz ist der nicht abgelenkte Kämpfer, der trotzdem nicht direkt selbst angreift, fast das selbe wie jemand, der mit einer Schusswaffe abwartet, bis sich ein Ziel bietet.
Nur ist es hier kein reines Wettrennen, wer wen zuerst umbringt, sondern ein Schlagabtausch, bei dem man die Angriffe des anderen zunichte machen kann.
Sobald ich postuliere, dass ein Nahkampfwurf kein einzelner Schlag ist, sondern eine Reihe von Schlägen und sonstigen zugehörigen Aktionen, stellt sich mir zwingend die Frage, warum dann nur der Angreifer treffen "dürfen" soll.
Wenn wie weiter oben angeklungen der Verteidiger
nicht bereit ist, weil er seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes richtet, ist das was anderes - aber das ist dann ziemlich genau das Gegenstück zum "normalen" Fernkampf.
Ein kleiner Sonderfall ist ein abwartender Grappler, der einen anrückenden Langwaffenschützen angeht: Da muss der Schütze im Vorfeld entscheiden, ob er im Zweifelsfall schießen oder nahkämpfen will (er rückt also abwartend bzw. mit einem bedingten/verzögerten Angriff vor).
Will er schießen, gibt es einen vergleichenden Wurf (bei dem der Schütze mit der richtigen Waffe und Smartgun spürbar im Vorteil ist), wer zuerst sein Ding machen darf. Hat der Grappler mehr Erfolge,
entfällt der Langwaffenangriff, weil der Schütze diese dann sofort nicht mehr einsetzen kann - und der Grappler wählt ggf. ein anderes Ergebnis als Entwaffnen, weil er das erst mal gar nicht muss.
Ist der Schütze schneller und der Grappler danach trotzdem nicht tot, wird der Schütze trotzdem gepackt und hat für sein akutes Problem nur insofern etwas erreicht, dass der Grappler ggf. Wundabzüge hat.
Bei einer Kurzwaffe wird der erfolgreiche (d.h. schnellere) Grappler gegen einen Fernkampfangriff ziemlich sicher Entwaffnen wählen, weil er sonst direkt im Anschluss beschossen wird, sofern der Gegner nicht anderweitig ausgeschaltet wird.
Aber mit der Kurzwaffe kann ein sehr starker Grapplingkundiger im Häuserkampf einfach immer Nahkampf ansagen, bei einem Nahkampfangriff im Erfolgsfall sogar wirksamer schießen als regulär und wenn er nicht angegriffen wird, wird er wohl trotzdem irgendein Ziel erreichen, selbst grappeln und zu Klump schießen können.
Wenn der Cyberork mit der Predator rumgeht, will man lieber nicht im selben Haus sein
Ich hoffe es ist ok, wenn ich deine Arbeit immer wieder kritisch herausfordere - ich versuche dabei immer konstruktiv zu bleiben und möchte dir versichern, dass ich es super finde was du da aufziehst
Alles gut - mir ist durch die ganze Schreiberei z.B. erst jetzt aufgefallen, dass ich die gerade genannte Konstellation abgewartetes Grappling vs. Schusswaffe ausformulieren muss, weil das nicht jedem zwingend so einleuchten wird, wie ich mir das denke. Allein dafür lohnt sich das hier schon. Und auch bei Vorschlägen, die ich rundheraus ablehne, muss ich zumindest immer wieder schauen, ob meine Lösung wirklich ins Gesamtbild passt. Am Gerüst rütteln ist also bestimmt nicht verkehrt
Spontane Idee, warum nicht alles Erlauben?
- MW-Erhöhung bei Nahkampfwaffen = Reichweitenbonus
- MW-Erhöhung bei Fernkampfwaffen abhängig vom Waffenschadenscode: L => +1; M => +2; S => +3; T => +4 (Ausnahmen meinetwegen Holdouts)
Bei den Nahkampfwaffen sind jene mit Reichweitenbonus allesamt Waffen, mit denen man auf so kurze Distanz die nötige Körpermechanik für den Einsatz nicht mehr zustande bringt. Da müsste man also zur MW-Erhöhung noch an den Schadenscodes drehen und in dem Moment ist es so uninteressant, dass ich die Spieler auch zu ihrem Glück zwingen und sagen kann: Mach was Anderes.
Ähnlich bei den Fernkampfwaffen: Abgesehen davon, dass sie in der Größe an vielen Stellen nicht sauber mit dem Schadensniveau skalieren, sind Langwaffen im Grappling einfach nicht sinnvoll einzusetzen. Wenn ich da einen Mindestwurfmodifikator von +4 aufwärts dranklebe, kann ich das auch gleich ausschließen.
Wohlgemerkt gibt es im "normalen" Nahkampf keine Abzüge für situativ möglicherweise zu lange Nahkampfwaffen und auch nicht für Langwaffen (!) - da gehe ich davon aus, dass man sich eine Möglichkeit zum Einsatz auf die Schnelle erarbeiten kann*.
Es gibt wie gesagt weder Gelegenheitsangriffe noch "klebt" der normale Nahkampf irgendwie, d.h. es gibt gar keinen regeltechnischen Zustand "im Nahkampf".
Das ist ja einer der Gründe, warum ich Grappling gesondert regeln "muss": Weil Systeme, die gar keine Grappling-Regeln haben, Umstände und Bedingungen an den Nahkampf hängen, die dort so verallgemeinert nichts zu suchen haben.
*Einer meiner Prüfsteine für Kampfregeln ist in der Hinsicht der sog. Bajonett-Test. Wenn ein System den Einsatz einer Langwaffe im Nahkampf nicht erlaubt, aber den Einsatz eines auf dieser Waffe aufgepflanzten Bajonetts, hängt konzeptionell gewaltig was schief.
Eine schöne Idee. Wäre noch zu klären wer als erster wählen darf / muss.
Denke wenn man rein von den Grappling-Effekten wählt, gibt es eh nicht so viele die sich neutralisieren (Waffe zurückholen z.B. gibt es da gar nicht oder?)
Fänds auch gar nicht so schlimm wenn sie sich neutralisieren. Muss ja nicht immer passieren, wenn aber Effekte zum Tragen kommen: Sehr cool.
Ich will jedenfalls keine Konstruktion der Art "Der mit der höheren Fertigkeit. Wenn die gleich sind, der mit der höheren Schnelligkeit. Wenn die gleich sind, der mit der höheren Stärke...der Spieler, der eine schwarze Katze besitzt. Haben beide eine schwarze Katze, der mit der fetteren Katze..."
Und weil das sowieso abstrahiert und zeitlich nicht sortierbar ist, sage ich jetzt einfach willkürlich: Der Angreifer
Waffe zurückholen ergäbe sich ja automatisch: A wählt zuerst und entwaffnet B. B entwaffnet A - das kann eine andere Waffe sein oder die gerade entwendete. Daher habe ich das nicht extra ausformuliert.
Mir geht es mit dem Neutralisationsausschluss (
) aber um Folgendes:
Wenn man sich schon den zusätzlichen Aufwand dieser Regel macht, dann will ich da keine Nullrunden - zumal solche Nullrunden oft genug die naheliegendste Entscheidung wären. Nein, wenn schon, dann will ich da auch eine unangenehme Entscheidung und es soll vorwärts gehen
Das entspricht auch eher meiner Erfahrung, was tatsächlich passiert, wenn beide Gas geben und beide halbwegs was können.
Hört sich sehr rund an (und ziemlich nach dem, was ich nach dem "Grappling"-Thread erwartet hatte)
Wäre ja auch seltsam, wenn da jetzt große Abweichungen auftreten würden
Ich würde mir hier überlegen, auch Kampfstile/Waffen anzubieten die auf Schnelligkeit basieren. Bei Stechklingen, Hold-Outs u.ä. kommt es eher darauf, schnell Lücken zu erkennen und auszunutzen sowie durch gute Hand/Augen-Koordination Schwachpunkte zu treffen, als auf schwellende Kunstmuskeln.
Überlegt habe ich das (natürlich), aber auch ganz schnell wieder verworfen.
Rein spielmechanisch ist Stärke sowieso
der Dump Stat-Kandidat. Da soll wenigstens ein Bereich von diesem Attribut rundum geprägt sein. In Sachen Powerniveau habe ich Stärke bei den Nahkampfwaffen übrigens deutlich entschärft, weil das ja sonst einfach weiter nach oben geht und dann ein leicht vercyberter Ork oder ein Troll mit einem Knüppel mehr Dampf entwickeln als eine Maschinenkanone...muss auch wieder nicht sein.
Wer nicht auf Stärke gehen kann oder will, dem bleiben letztlich nur Lösungen wie Taser oder Monofilamentpeitsche - oder er muss sich auf Schusswaffe und Freunde mit Schusswaffen verlassen, was i.d.R. kein Beinbruch ist.
Ansonsten zum Thema Plausibilität:
Als "aufgeklärter" Kampfregelbastler weiß man freilich, dass Stärke nicht alles ist.
Aber im nächsten Schritt ist eine scharfe Trennung von Stärke und Schnelligkeit ohnehin schon wacklig und obendrauf ist auch Schnelligkeit nicht Trumpf, sondern primär die technische Kompetenz, sprich der Fertigkeitswert.
Und der ist hier in beiderlei Hinsicht unabhängig vom Attribut: Weder fließt das Attribut direkt in den Pool mit ein noch nimmt es Einfluss auf die Steigerungskosten. Die Attributszuordnung der Fertigkeiten ist i.d.R. nur fürs Ausweichen relevant.
Grundsätzlich geht es dabei auch nicht um das Zerrbild des superstarken Nichtskönners, sondern um Leute, die zumindest solide technische Grundlagen haben. Und da ist Stärke bzw. funktionale Masse doch schnell wieder wichtig - verkürzt gesagt hat es ja gute Gründe, warum es Gewichtsklassen gibt und keine Geschwindigkeitsklassen. Und das gilt auch beim Kampf mit Waffen.
Der Powerniveau-Bonus für Kurzwaffen fängt übrigens genau da an, wo das menschliche Leistungsspektrum aufhört (!). Da geht es längst nicht mehr um klischeemäßig stark, dumm und langsam vs. schnell und clever, sondern um derart krasse, ggf. kybernetisch oder magisch bedingte Missverhältnisse in der körperlichen Leistungsfähigkeit, dass z.B. auch eine technisch saubere Schutzposition einfach eingedrückt wird, weil selbst mit beiläufigen Angriffen (oder sonstigen Bewegungen, die nicht mal unbedingt als Angriff gedacht sind) schon Sehnen reißen, Gelenke nachgeben oder Knochen brechen.
Aus dieser Perspektive ist das Ganze fast schon zu gnädig gegenüber dem Normalo.