Ich habe das Buch jetzt kürzlich komplett gelesen (und dabei die ganzen Regeleinzelheiten von Klassen und Gegnern nicht wirklich detailliert durchgearbeitet). War für mich auch das erste Mal, dass ich mich ernsthaft mit Glorantha beschäftigt habe.
Generell muss ich sagen, dass ich nicht weiß, ob mir die Kombination aus D&D-Superheldentum und bronzezeitlicher Mythenwelt so zusagt. Im Glorantha-Setting gibt es zwar absolut Platz für legendäre, übermenschliche Helden, die Dämonen erschlagen, mit Göttern ringen und die Geschicke der Welt kräftig umrühren. Aber das ist halt eine ganz beschränkte Nische des gesamten Settings, wo dann vieles von den ausgearbeiteten Kulturen und Alltagsdingen der Hintergrundwelt keine Rolle mehr spielt. 13G hat da für mich extrem den Anschein, dass es zwei Arten von Leuten bedient: Einerseits die, die Glorantha in- und auswendig kennen, das (verglichen mit D&D) eher niedrige Powerniveau absolut totgespielt haben und jetzt mal mit Einstiegscharakteren herumtoben wollen, die man sich normalerweise erst mühsam erspielen müsste. Und andererseits die, die sich mit einem mehr oder weniger bekannten System einmal Glorantha ansehen wollen, ohne allzutief in das umfangreiche Hintergrundmaterial einzusteigen, praktisch Glorantha als D&D-Kampagnenwelt. Diese beschränkte Mission ist aber immer noch sehr viel, um zwischen zwei Buchdeckel zu klemmen und man merkt an allen Ecken und Enden, dass da eine spielbare Auswahl von Dingen und Themen getroffen wurde, von denen es noch mehr, viel mehr und immer noch mehr gegeben hätte.
Das Spiel findet in einer Epoche von Glorantha statt, wo die Welt vor dem Abgrund steht und apokalyptische Ereignisse die bestehenden Regeln und Weltbilder aufmischen. Das ist natürlich ein schöner Kniff, um einerseits etabliertes Material in den Hintergrund zu drängen ("Seit 1000 Jahren haben die Leute in diesem Tal auf diese Weise gelebt, aber heute ist der Tag, wo alles anders wird!") und eine Bühne für übermenschliche Heldenfiguren zu bieten, die keiner Tradition unterworfen sind und deren Taten die Zukunft der Welt bestimmen werden. Passt auf jeden Fall und erlaubt es, nach 13th-Age-Art viel anzupassen, hinzuzufügen und alles in die Tonne zu kloppen, was nicht gebraucht wird.
Was mich bisher von Glorantha ferngehalten hat, sind einerseits die (für mich) viel zu vertrackten Regelsysteme und andererseits das verstreute und esoterische Setting-Material. Und da leistet 13G was ich will: Ein bekanntes Regelwerk mit übersichtlichen Anpassungen für Besonderheiten der Spielwelt. Und kurze, no-nonsense Erklärungen zum Hintergrund, die auch regelmäßig sagen: "Seltsam? Is in Glorantha halt so!" oder: "Wer Glorantha kennt, wird jetzt sagen, dass das alles viel komplizierter ist, aber für unsere Zwecke reicht das hier absolut." oder: "In Glorantha weiß das keiner und darum erscheint das alles ganz mystisch und rätselhaft, aber im Grunde ist es so-und-so." Solche Meta-Angaben helfen mir, die Materialfülle zu verstehen und richtig einzuordnen, anstatt mich an Dingen aufzuhängen, die nie weiter ausgearbeitet wurden oder Sachen zu übersehen, die im Hintergrund ein großes Ding sind. Ich habe einfach nicht mehr die Zeit, Hintergrundwelten langsam und ungespoilert Buch für Buch selbst zu entdecken. Wenn ich da einsteigen können soll, muss jemand Tacheles reden.
Vom System her wird der komplette Icon-Kram durch Runen ersetzt. Runen sind elementare Bausteine der Realität (Dinge wie "Luft", "Licht", "Erde", "Dunkelheit", "Chaos" etc.). Statt Icon-Beziehungen gibt es Charakter-Runen, die zur Klasse und zum Konzept passen. Regelmäßig werden Runen ausgewürfelt, mit denen ein Spieler dann einen kleinen Story-Aspekt für seinen Charakter einsetzen kann (ähnlich wie Icon-Würfe, aber mehr unter Spieler-Kontrolle). Außerdem gibt es noch Sonderregeln für Heroquests (Wobei die Gruppe sich rituell in eine andere Realitätsebene begibt und eine Legende nacherlebt, egal, ob es sich um eine lokale Sage oder um eine weltbekannte Geschichte handelt. Ein Charakter übernimmt die Hauptrolle in der Geschichte und kann sie entweder nachspielen, um Belohnungen oder Wissen zu erhalten, ändern, um die tatsächliche Legende zu retconnen oder "reparieren", nachdem jemand anderes sie bereits geändert hat) und in Glorantha eher untypische Artefakte werden durch Segnungen ersetzt (die können als Gegenstand repräsentiert sein, sind es meistens aber nicht und werden außerdem über einen längeren Zeitraum hinweg "freigeschaltet" oder aufgemonstert).
Das sind alles Dinge, die thematisch sehr nach Glorantha passen, aber mechanische auch einfach ins normale 13A übernommen werden können, wenn man Verwendung dafür hat.
Und dann sind da noch die Klassen und die Gegner. Das sind natürlich alles Sachen aus dem Glorantha-Hintergrund, die man umsetzen musste. Und darum ist auch echt abgefahrener Kram dabei. Aber davon abgesehen kann man damit auch einfach sein 13A-Spiel erweitern: Skorpionmenschen und mutierte Werkühe kann ich mir auch im Dragon Empire vorstellen. Einige Klassen sind einfach nur Mods für bekannte Klassen, wodurch man z.B. verschiedene Versionen für einen etwas komplexeren und interessanteren Barbaren bekommt oder einen weniger urbanen/kriminellen Rogue oder eine Captain-America-Variante des Mönchs mit Wurfschild. Ansonsten gibt es vor allem mystische Kämpfertypen und zwei Arten abgedrehter Beschwörer, die beide mechanisch sehr interessant funktionieren, aber auch ziemlich komplex sind.
Was ich aber am faszinierenden finde (und wofür allein sich für mich das Buch schon gelohnt hat) ist die Trickster-Klasse. Die ist superspeziell, weil sie es erlaubt, einen Vollidioten zu spielen, ein Gruppenmaskottchen, einen Taschenlampenfallenlasser, einen Clown. Was ich daran so toll finde ist, dass da regelmechanisch umgesetzt wird, dass ein Charakter wirklich gar nichts kann, aber das, ohne die Gruppe herunterzuziehen. Das Grundthema ist nämlich, dass durch die Kaspereien des Gruppentrottels andere Charaktere Vorteile kriegen. Beispiel: Wenn der Trickster einen Skillwurf als erster versucht, würfelt er mit D&D5-Nachteil (wirft zwei W20, nimmt den schlechteren). Dafür kriegt der nächste Charakter für denselben Wurf einen Vorteil (nimmt das bessere Ergebnis von zwei W20). Das heißt, es besteht ein regelmechanischer Anreiz dazu, schwierige Aufgaben erstmal immer von der Volleule probieren zu lassen (was dann alle Jubeljahre mal klappt, aber meistens in Peinlichkeit, Feuer und Schmerzen endet), damit danach der Gruppenspezialist umso mehr glänzen kann. Auch im Kampf ist es fast unmöglich, mit dem Trickster Schaden zu machen, dafür kann er ganz toll Gegner ablenken und Zusatzaktionen an seine Verbündeten verteilen. Ach so, und ein Trickster hat keinerlei Kontrolle über seine Talente, die werden regelmäßig zufällig ausgewürfelt, taktisch spielen ist also nicht wirklich drin. Wie gesagt, das ist nichts, was die meisten überhaupt spielen wollten. Aber ich habe es regelmäßig erlebt, dass jemand unbedingt den Schelm, den nervigen Windling, den nutzlosen Kender, den Clown, den Tollpatsch oder Gulf, den merkbefreiten Bauern mit Huhn spielen wollte. Und ich finde es cool, dass sich jemand die Mühe gemacht hat, eine Klasse zu bauen, wo solche Spieler sich nach Herzenslust aufs Maul legen können, ohne dabei die Gruppe (regelmechanisch) herunterzuziehen oder ihre Mitspieler schlimm zu nerven.
Der Schnellkurs in Glorantha war auf jeden Fall ein Gewinn, die Welt interessiert mich noch immer. Aber für die nächste Zeit wird 13G für mich vor allem eine ähnliche Stellung wie 13TW einnehmen: Mehr Klassenoptionen und Viecher fürs reguläre Spiel, den Hintergrundkram werde ich vielleicht mal irgendwann verbauen, wenn es passt. Und ähnlich wie bei 13TW rechtfertigt das vielleicht 1/3 des Buches, was ich tatsächlich benutze, in vollem Umfang die Anschaffung.