Interessante Zielsetzung, wobei Punkt 1 mMn schwerer spieltauglich umzusetzen ist als 2.
Kommen wir vielleicht noch zu
Frage an die Experten: Stunden?
Joah.
Die Unterscheidung, ob es nun recht unmittelbar am Blutverlust liegt oder "nur" an anderen Problemen, die im Zusammenhang damit mittelfristig auftreten, lohnt sich fürs Rollenspiel eher nicht.
Von daher kann man das leicht verkürzt schon so sagen, solange die zugehörige Behandlung dann auch abstrakt genug bleibt.
Welche guten Regeln kennt ihr dazu, welche Spiele machen das besonders elegant?
Millennium's End macht in der Hinsicht für mich vieles richtig.
Leider arbeitet es mit einer ziemlich ausgefeilten Trauma-Tabelle, die zwar super funktioniert, sich aber schlecht in andere Systeme transplantieren lässt.
Trotzdem finde ich daran das eine oder andere erwähnenswert und als Denkanstoß hilfreich:
Es gibt keine "Blutpunkte" oder ähnliche Hilfskonstruktionen, sondern einfach je nach Verletzung(sgrad) eine Zeitangabe, wie lange es dauert, bis eine Einheit Blut verloren ist. Diese abstrakte Einheit ist ganz stumpf als die individuelle kreislaufkritische Menge definiert.
Solange diese erste Einheit noch da ist, ist alles halbwegs in Ordnung. Wenn sie weg ist, geht der Verletzte erstmal automatisch in Schock und wenn vier Einheiten fehlen, ist zwingend Exitus angesagt.
Sowohl der Blutverlust als auch der Schock können und müssen einzeln behandelt werden. Eine Konstitutionsprobe o.Ä. gibt es zwar dagegen, ob man von der Verletzung kurzzeitig handlungsunfähig wird, aber
nicht gegen den Blutverlust. Hier haben robuste und gesunde Charaktere nur den Vorteil, dass für sie die Tabelle sowieso mit kleinen Verschiebungen ausgewertet wird - das macht meistens nicht sehr viel aus, kann aber durchaus mal relevant sein, wenn es um Transportzeiten usw. geht.
In der Spielpraxis führt das dazu, dass kleinere und mittlere Verletzungen insofern harmlos sind, als dass man gefühlt ewig Zeit hat, um sie notfallmedizinisch zu versorgen.
Andersrum gibt es Verletzungen, die so stark bluten, dass die reine Ausführungszeit der Stoppversuche relevant wird und es bei Mehrfachverletzungen durchaus sein kann, dass man den Patienten schon rein rechnerisch gar nicht mehr retten kann, selbst wenn man alles richtig macht.
Bei den schwereren Verletzungen gibt es dann noch einige an Stellen, die man nur mit operativen Mitteln behandeln kann - da steht man also mit normaler Erste Hilfe hilflos daneben und auch der Fachmann will das nach Möglichkeit nicht "feldmäßig" außerhalb des OP machen (müssen).
Twilight 2013 macht es einfacher und subsumiert Blutverlust unter "Instabilität".
Jeder von vier Wundstufen ist dabei eine Konstitutionsprobe mit steigender Schwierigkeit zugeordnet, deren Erfolgsgrad bestimmt, ob der Verletzte in Schock fällt und ggf. zusätzlich instabil wird.
Alle Wunden bzw. alle verletzten Lokationen eines instabilen Patienten werden kampfphasen- oder abseits von Kampfsituationen minutenweise eine Stufe schlechter, bis erstmals eine kritische Wunde schlimmer wird - dann ist der Patient tot.
Im blödesten Fall* wird also jemand kritisch verletzt, fällt (in dem Fall automatisch) in Schock, wird zugleich instabil und ist eine Minute bzw. eine Kampfphase später tot. Da muss also unmittelbar jemand helfen.
Anders als bei Millennium's End werden Erste Hilfe-Würfe u.Ä. durch die Wundstufen in der Schwierigkeit modifiziert.
*Sofort tödliche Treffer gibt es als Optionalregel, die werden aber einfach als fünfte Wundstufe modelliert, was im Sinne meiner Eingangsbemerkung nicht wirklich zielführend ist.
Welche guten Regeln habt ihr euch dazu ausgedacht?
Oder welche fallen euch gerade ein?
Gute Regeln ausgedacht habe ich mir mangels Bedarf noch nicht.
Ich nutze die Millennium's End-Regeln mit kleinen Modifikationen an der Trauma-Tabelle sehr gern und finde die gut gelungen.
Twilight 2013 kommt da deutlich auf dem zweiten Platz, auch wenn meine kleinen Probleme damit eher im mittelbaren Umfeld sind (nämlich, wie Wunden bzw. Schaden überhaupt zustande kommt und wie die Gummipunkte damit interagieren).
GURPS hat genau wie Deadlands Regeln für Blutverlust, die aber beide recht buchhalterisch ausfallen und ganz gut das Kernproblem mit solchen Konstruktionen veranschaulichen.
Man kann das ganze Thema nämlich in vier Kategorien auftrennen:
- keine relevante Blutung (hört von alleine auf)
- mittelfristig behandlungsbedürftig (sprich: irgendwann nach dem Kampf müsste da mal jemand gucken)
- sofort behandlungsbedürftig (es muss noch im Kampf
jetzt jemand gucken)
- sowieso nicht mehr zu retten (hört von alleine auf
)
Die erste Kategorie kann sowieso rausfallen.
Die zweite ist spielerisch eher selten interessant - das ändert sich im Grunde nur, wenn man dafür nicht unmittelbar verfügbare Mittel braucht, aber das ist i.d.R. aus der Situation ersichtlich und muss daher nicht unbedingt extra verregelt werden. Es sei denn, man will die besondere Behandlungsschwierigkeit einiger Verletzungen unbedingt spielmechanisch verwurstet haben.
Die dritte gibt noch am Ehesten was her, weil sie massive taktische und strategische Auswirkungen hat.
Und die vierte ist höchstens da interessant, wo sie zunächst von der dritten abgegrenzt werden muss.
Unterm Strich kann man die zwei mittleren Kategorien dann meist besser über Zustände u.Ä. abbilden, als sie eher umständlich aus mehr oder weniger buchhalterischen Blutverlustregeln "natürlich" entstehen zu lassen (und die Zuteilung in Kategorie 2 oder 3 (oder ggf. 4) ist auch das allererste, was man beim Blick in die Trauma-Tabelle von Millennium's End im Kopf hat und was dann am Ende an spielrelevanter Information übrig bleibt).
In den meisten Spielkonstellationen reicht es völlig, wenn man als default davon ausgeht, dass mittelprächtige Verletzungen sowieso angemessen versorgt werden - wenn hier noch fantastische oder futuristische Möglichkeiten hinzu kommen, wird das ohnehin noch mal ein Stück weniger problematisch.
Damit bleiben dann nur noch die Fälle übrig, bei denen diese Versorgung in irgendeiner Form nicht verfügbar ist und jene, wo die Verletzungen wirklich kritisch sind und die man dann noch mal auf "kriegen wir selbst hin" und "wir brauchen auf jeden Fall fremde Hilfe" runterbrechen kann.
Sich dafür ausufernde Blutungsregeln anzutun, ist mMn selten wirklich zielführend.
Welche Dinge sollten Blutverlustregeln noch abdecken? (z.B. Unterscheidung zwischen Kreislaufkollaps und Tod?)
Die meisten Systeme haben ja halbwegs brauchbare Regeln für die Momente, wo Charaktere auf der Kippe stehen. Da kann man Blutverlust ohne Weiteres mit einsortieren.
Wo es eher hapert, ist bei der sauberen Trennung von Handlungs(un)fähigkeit und irgendwann tödlicher Verletzung. Das können nämlich durchaus mal zwei ziemlich verschiedene Paar Schuhe sein und dementsprechend braucht man dafür auch zwei getrennte "Ticker" und kann das nicht alles stumpf und ohne ergänzende Regeln über HP laufen lassen.
Wenn man sich in der Hinsicht aber unbedingt verausgaben will, fände ich es jedenfalls ganz nett, wenn die Behandlungsschwierigkeit nicht primär an der Schwere der Verletzung, sondern an der Lokation festgemacht wird - die bestimmt nämlich, was man da überhaupt mit welchen Mitteln machen kann und erst im zweiten Schritt ergibt sich über die Schwere der Verletzung die Dringlichkeit, mit der man das Ganze betreiben muss.
Ganz grundsätzlich stößt man mit dem Thema Blutverlust oder allgemein Verwundung aber bei halbwegs realistischer Umsetzung schnell an die Grenzen des präklinisch Machbaren.
Will heißen: Entweder hat die Gruppe selbst recht umfassende notfallmedizinische und chirurgische Möglichkeiten und die Spieler wollen sich damit auch tatsächlich spielmechanisch weitergehend auseinandersetzen, oder die Gruppe hat diese Möglichkeiten nicht (oder die Spieler haben keinen Bock auf zugehörige Spielmechanik) und das Ganze reduziert sich damit i.d.R. auf einen eher abstrakten Operations-/Überlebenswurf, wenn man den Verletzten bei Dritten, sprich NSCs, zur weiteren Versorgung abgegeben hat.
Da ist die Frage interessant und relevant, wo man den Übergang zu den meist mehr als kulanten Regeln zur mittelfristigen Heilung und Genesung setzt. Solange in diesem Kontext nämlich weiter Ponyhof angesagt ist (was ja für Spielzwecke meist auch sehr sinnvoll ist), muss man sich auch nicht übermäßig viel Arbeit mit enorm ausufernden Blutungsregeln machen.
Und wenn man das umgekehrt deutlich fieser/realistischer macht, kann man das Thema Blutverlust auch gleich wieder ganz grob mit reinwerfen und muss es nicht gesondert behandeln.
Dann gibt es "draußen" nur die Frage nach der sofortigen Behandlungsbedürftigkeit und wenn das erfolgreich passiert ist oder nicht nötig war, kommt der nachgeordnete Wurf, ob der Verletzte im OP bzw. allgemein im Verlauf der weiteren Behandlung hops geht. Da kann man sich zwar mit vielen tollen Modifikatoren und Tabellen austoben, aber an eigentlichem Spielprozess kommt dabei nicht viel rum.
Man kann das Thema eben sehr gut auf die relevanten Funktionsebenen runterbrechen und damit verbieten sich mMn allzu kleinteilige Betrachtungen mehr oder weniger von selbst.