Allerdings sei auch bemerkt, dass jene, die monieren, dass Charakter in alten deutschen Wörterbüchern nicht mit Charakter beschrieben ist (quasi als Selbstdefinition, was nicht vorkommen wird.
), möge bitte auch prüfen, ob die zeitgleiche Bedeutung des Wortes Figur mit seiner Variante der Figur zusammenpasst.
Hier spielt die sprachliche Entwicklung (sowohl aus forschungsbasierender Sicht, aus Sprachgewohnheitssicht, als auch aus dem Versuch, Sprache zu ordnen und zu kodifizieren (Duden ist hier schließlich ein Unternehmen von vielen) eine ausnahmslos große Rolle. Und der Versuch, alleine über eine rückwärtsgewandte Betrachtung des Wortes die Bedeutung des Wortes in der Gegenwart feststellen zu wollen, ist zum Scheitern verurteilt. Obwohl es ein notwendiger Schritt ist, aber nur einer von vielen.
Insofern ist es ja so, dass wir durch unser wachsendes Jargonwissen, die Worte mit neuer, anderer oder variierender Bedeutung versehen, aufstocken oder Teile davon wieder wegstreichen; und dann gemeinsam um eine neue Definition ringen. Für diesen Anstoß ist Chiarina zu danken.
Jetzt in den großen, deutschen Duden des letzten oder vorletzten Jahrhunderts zu schauen, wird unser Problem kaum lösen; es kann maximal die Sicht dafür schärfen, von wo wir kommen.
Ich nehme als Beispiel den ältesten Duden, der in meinem Wörterbuchregal steht. Es ist der große, deutsche Duden des Jahres 1930:
Charakter (Plural: -s, -ere): Gepräge; Sinnesart; Würde u. Titel
Figur (Plural: -en): Gestalt; Zeichnung
Dann dagegen den Duden aus dem Jahr 1956:
Charakter (Plural: -s, -ere): Kennzeichen; Gepräge; Sinnes-, Wesenart; Würde und Titel)
Figur (Plural: -en): Gestalt; Bild; Zeichnung; Tanz; Eislauf: Bewegungsablauf; Musik: Gruppe zusammenhängener Töne
Und zum Abschluss nehme ich Knaur - Das deutsche Wörterbuch aus dem Jahre 1985:
Charakter (Plural: -s, -ere): Gesamtheit der geistigen und seelischen Eigenschaften (eines Menschen); Gepräge; Eigenart; (nur Sg.) feste, standhafte Haltung
Figur (Plural: -en): Gesamtform des menschlichen Körpers, Wuchs; (abwertend) Mensch, Person; künstlerische Nachbildung eines menschlichen und tierischen Körpers; Person in einem literarischen Werk; aus Holz o.ä. geformter Gegenstand; aus Holz (o. Elfenbein o.ä.) geformter Gegenstand bei Brettspielen; (Abk.: Fig.) gezeichnete erläuternde Abbildung; (Geom.) in einer Ebene liegendes Gebilde aus Linien und Flächen (bspw. Dreieck, Viereck); (Tanz, Eiskunstlauf u. ä.) in sich geschlossener Ablauf von Bewegungen; melodisch oder rhythmisch zusammengehörende Gruppe von Tönen; gut geformter sprachlicher Ausdruck (bspw. Metapher)
Was bedeutet das jetzt? Zuerst einmal, dass große Wörterbücher eine Tendenz dazu haben, komplexer zu werden in der Darstellung, was damit zu tun hat, dass die Begriffe in mehr Zusammenhängen gedeutet und aufbewahrt werden. Das bedeutet nicht, dass Sprache früher weniger ambivalent war, sondern erst einmal, dass frühe Werke, die vollständige, orthografische Gesamtwerke sein wollten, den kleinsten, gemeinsamen Nenner darzustellen suchten, während heute auch Sonderbedeutungen Platz finden. (Gilt nicht für alle Werke, aber als Tendenz)
Dann bedeutet es weiterhin, dass nicht nur neue Bedeutungen ihren Weg in neuere Werke finden, sondern auch ältere. Das hat damit zu tun, dass die sprachlichen Wissenschaften sich ausgeweitet haben, aber auch manches, altes Wort wieder an Bedeutung gewinnt (bspw. die sprachliche Figur in jedem Rhetorikwerk für Manager; entlehnt den antiken Originalen), während andere natürlich in Vergessenheit geraten. Die neueren Bedeutungen werden auch aufgenommen.
Ferner bedeutet es aber, dass es ein Abdruck des dafür zuständigen Kommitees und ihrer sprachlichen Grundsätze ist + Zeitgeist. In den von mir dargestellten Werken, ist weder die Figur, noch die Rolle (die ich der vollständigkeit halber hätte auch nehmen können, aber dazu war ich zu faul), noch der Charakter mit der jetzigen Jargonbedeutung für uns als Rollenspieler betrachtet worden.
Mit diesem Hintergrund könnte mit Fug und Recht bei allen drei Wörtern etwas geschrieben werden.
Was schließen wir (oder zumindest ich) daraus?
Nun, es geht ja nicht nur um die althergebrachten Bedeutungen (obwohl die nicht vergessen werden sollten), sondern auch darum, dass sich Sprache nicht nur alleine durch Gebrauch entwickelt, sondern auch durch bewusste Zuschreibungen. Und unsere Diskussionen bringen genau solche Zuschreibungen hervor. Ein Teil davon mag unbewusst im Laufe der Zeit geschehen sein, ehe wir sie ins Bewusstsein unserer genutzten Sprache umsetzten, sei es nun durch unterschiedliche Neigungen, Spiele und/oder Einflüsse beeinflusst. Aber es ist definitiv nicht dadurch entstanden, dass wir zu dumm waren, dass englische Charakter richtig zu nutzen.
Dieses Argument würde im Übrigen auch bedingen, dass Sprache vor allem eine Folge von falscher Übertragung und Fehlnutzen sei, schließlich hat das englische character, in unserem besprochenen Sinne, nur noch wenig mit dem altgriechischen
χαρακτήρ zu tun. Es gibt diese Bedeutung dort durchaus noch, das Wort lässt im Englischen inzwischen aber sogar das Aussehen zu, aber ist unsere Nutzung des Charakters für character ja durchaus auch erst im englischen selbst entstanden. Warum darf es dann nicht auch im Deutschen entstehen?
Nehmen wir dafür also beispielsweise eine durchschnittliche Herleitung des Wortes aus einem englischen Thesaurus:
mid-14c., carecter, "symbol marked or branded on the body;" mid-15c., "symbol or drawing used in sorcery," from Old French caratere "feature, character" (13c., Modern French caractère), from Latin character, from Greek kharakter "engraved mark," also "symbol or imprint on the soul," also "instrument for marking," from kharassein "to engrave," from kharax "pointed stake," from PIE root *gher- "to scrape, scratch." Meaning extended in ancient times by metaphor to "a defining quality."
Meaning "sum of qualities that define a person" is from 1640s. Sense of "person in a play or novel" is first attested 1660s, in reference to the "defining qualities" he or she is given by the author. Meaning "a person" in the abstract is from 1749; especially "eccentric person" (1773). Colloquial sense of "chap, fellow" is from 1931. The Latin ch- spelling was restored from 1500s. Character actor attested from 1861; character assassination from 1888; character-building (n.) from 1886.
I rest my case.
P.S.: Ich bin beim Aufschlagen des Dudens von 1930 auf das Wort
buhurdieren gestoßen (Schar gegen Schar reiten). Alleine dafür hat sich dieser Beitrag gelohnt.
(was im Übrigen in der beschriebenen Bedeutung (Schar gegen Schar reiten) nach diesem Duden was ganz anderes bedeutet, als wir heute unter einem
Buhurt verstehen.