Aus gegebenem Anlass frage ich mich: Germanischer Krieger wirft Wurfspeer aus kurzer Distanz und trifft Brustpanzer von römischem Legionär. Was passiert? Hält der Panzer das aus oder nicht? Kennt sich da jemand aus? Bitte nur fundierte Antworten, keine Vermutungen. Danke schon mal im Voraus.
Für diese spezielle Situation lassen sich durchaus Aussagen treffen, sofern man einen "typischen" (also noch nicht romanisierten) Barbaren und den Legionär auf dem Höhepunkt des Römischen Kaiserreiches annimmt.
Die Wurfspeere der germanischen (ich bleibe mal bei diesem Ausdruck, obwohl er streng genommen inkorrekt ist) Stämme bestanden für gewöhnlich aus relativ leichtem Eschenholz und hatte eine Spitze aus gehärteter Bronze. Eisen war zwar bekannt, war aber für unsere Altvorderen schwer zu beschaffen und sehr aufwendig zu bearbeiten; es blieb daher Waffen vorbehalten, die nur mit Tod oder Gefangenschaft des Kämpfers verlorengingen. So ein Wurfspeer geht auch schon mal anderweitig flöten.
Um diese Zeit ist der römische Brustpanzer eine kompakte Platte aus Bronze. Der Speer kann sie auch bei einem sehr flachwinkligen oder sogar rechtwinkligen Treffer ritzen und einbeulen, sie aber keineswegs durchschlagen. Der Panzer hält es also definitiv aus.
Ob der Legionär es aushält, ist eine andere Frage. Die Wucht ist u.U. beträchlich, die Panzerplatte nicht allzu groß und auch nicht darauf ausgelegt, die Kraft effizient zu verteilen; eine spezielle Posterung gibt es nicht. Man kann annehmen, daß der Legionär zumindest für einen Moment benommen ist und um Atem ringt. Die mögliche Prellung betrifft die Brustmuskulatur und schränkt die Kampffähigkeit auch längerfristig ein.
Weitere Folgewirkungen entstehen durch den Speerschaft. Dieser hebelt, sofern der Aufprall in nicht allzu flachem Winkel erfolgt, zu irgend einer Seite weg. Dies kann zu einem sekundären Treffer an den Ober- und Unterarmen, an den Beinen oder am Kopf führen. Mit ein wenig Glück/Pech trifft der Schaft die Weichteile oder das Gesicht. Eventuell können Splitter der Bronzespitze oder die des Speerschaftes weitere Schäden anrichten, die dann aber eher unangehm als gefährlich sind, wenn's nicht gerade ins Auge geht.
Möglich für diese Zeit ist der erste Ring- oder auch Lamellenpanzer. Hier sind die Folgen in etwa gleich, allerdings ist die Wuchtverteilung besser, d.h. Prellungen werden unwahrscheinlicher. Dafür gibt es nun die Möglichkeit, daß sich die Speerspitze zwischen die Ringe schiebt, was zwar einen sehr flachen Aufprallwinkel erfordert, aber sicher nicht unmöglich ist. Hier wäre dann mit einer üblen Schnitt- oder Rißwunde zu rechnen, die allerdings kaum sofort tödlich sein dürfte - dafür hat der Speer in diesem Winkel nicht (mehr) genug Wucht.
Der Grund, warum unsere Altvorderen zumindest im Guerillakampf recht effizient gegen die Römer waren, liegt sicherlich auch darin, daß sie bestimmt nicht auf den Brustpanzer gezielt haben. Das römische Rüstzeug ließ genug wirksame Lücken, die eigentliche Defensivstärke lag im großen Schild und in der Phalanx.