Andrew Montgomerys Blog
Exploring the Otherworlds of Fiction, Magic, and Gaming ist derzeit mein wichtigster Anlaufpunkt. Der Mann ist studierter Anthropologe und weiß worüber er spricht. Er spielt schon seit 30 Jahren auf Glorantha und ist trotz Veteranenstatus wunderbar offen gegenüber Alternativregelwerken. HeroQuest und 13th Age gegenüber hat er jedenfalls überhaupt keine Berührungsängste. Stattdessen freut er sich über neue Ideen und erklärt sachlich und neutral, was zu beachten ist, wenn man Glorantha mit diesem, jenem oder einem dritten Spielsystem bespielt. Neben einigen Rezensionen gibt es bei ihm ein paar Artikel, die es mir besonders angetan haben:
In seinem Aufsatz über die irdischen Einflüsse Gloranthas verortet Montgomery den Drachenpass nicht nur, aber schwerpunktmäßig im Kaukasus, das Lunare Imperium vergleicht er mit den Persern, die die Region eine Weile besetzt, dann aber vernachlässigt haben und allmählich wieder zurückgedrängt wurden. Sehr lesenswert!
Mit dem Clan des schwarzen Hirschen legt Montgomery einen eigenen ausgearbeiteten Clan für Glorantha vor.
Noch nicht abgeschlossen ist seine Minikampagne „Six seasons in Sartar“. Bisher sind vier Teile erschienen (der letzte ist erst ein paar Tage alt). Der erste Teil ist eine leicht variierende Ausarbeitung des Clans des schwarzen Hirschen. Sie weicht in einigen Punkten ein wenig von der seperaten Darstellung des Clans ab. Während die seperate Darstellung des Clans regeltechnisch zwischen HeroQuest und Runequest schwankt, ist die Kampagne grundsätzlich erstmal für HeroQuest geschrieben und enthält jeweils am Ende der einzelnen Teile Hinweise zur Konvertierung für RuneQuest und 13th Age (inklusive einiger statblocks) und einen Spielbericht, in dem Montgomery schildert, wie das, was er da entworfen hat, am Spieltisch wirklich funktioniert hat.
Ich habe aus Montgomerys Ausarbeitungen des Clans des schwarzen Hirschen eine Übersetzung angefertigt, für die ich die Informationen beider Aufsätze zusammengeschrieben habe. Verzichtet habe ich allerdings auf Informationen zu RuneQuest und 13th Age, die ich sowieso nicht brauchen werde. Das Ergebnis beträgt gute 30 Seiten. Die Arbeit hat mir buchstäblich die Augen geöffnet und gezeigt, wie ein Clan aussehen kann, mit dem ein erfolgreiches HeroQuest Spiel beginnt. Montgomery weiß einfach, worauf es ankommt. Insbesondere im Bereich der Fertigkeiten ist die Ausarbeitung Gold wert. Was kann ich mit einer ganz allgemeinen community Fertigkeit wie „Clan des schwarzen Hirschen“ eigentlich anfangen? Für was für magische Effekte brauche ich eigentlich einen eigenen Zauberspruch? Wie können magische Sonderfertigkeiten von Priestern und Schamanen eines Kultes aussehen? Wie lassen sich bei neu startenden Spielerfiguren Elemente der Charaktererschaffung ins Spiel auslagern? Montgomery liefert Beispiele und Antworten auf Fragen, die das Regelwerk noch nicht einmal zu stellen wagt (...die beim Leser aber trotzdem aufkommen!).
Im Bereich der Magie blicke ich noch nicht ganz durch, diese Passagen des Regelwerkes muss ich nochmal lesen, damit ich die von Montgomery genannten Möglichkeiten von schamanistischem Zauber und Runenmagie regeltechnisch besser einordnen kann. Trotzdem bin ich bei meiner Sicht auf das offene HeroQuest Regelwerk allein durch meine Beschäftigung mit Montgomerys Blog schon viel souveräner geworden.
Der zweite, dritte und vierte Eintrag zur Kampagne „Six Seasons in Sartar“ sind Abenteuerentwürfe die ich gerade sichte. Bisher sind drei ordentlich ausgearbeitete Einzelabenteuer erschienen. Die Kampagne verfolgt ein ganz interessantes Konzept: Sie wird mit jugendlichen Spielerfiguren gespielt, die noch nicht komplett erschaffen wurden und daher in ihren Möglichkeiten eingeschränkt sind. Das macht den Abenteuerverlauf für Neueinsteiger besonders attraktiv. Im Verlauf der Kampagne geschieht dann zweierlei: Zunächst einmal werden die Spielerfiguren natürlich älter und erleben schließlich eine Initiation, mit der sie vollwertige Erwachsene des Clans werden (womit sie dann auch als Spielerfiguren die Möglichkeiten bekommen, die das System Startfiguren bietet). Parallel dazu wird ihr Clan allerdings von Feinden besiegt und seine Mitglieder versklavt. „Six seasons in Sartar“ ist also so eine Art Prequel-Minikampagne, die den Spielerfiguren einen gemeinsamen und tiefgründigen Hintergrund verleihen soll. Die eigentliche Kampagne beginnt erst danach. Die Spielerfiguren beginnen sie als verschleppte Sklaven in feindseliger Umgebung.
Das eine Ziel von „Six seasons in Sartar“ ist also die Initiation der Spielerfiguren. Dieser Prozess liegt – wie in einem früheren Beitrag bereits erwähnt – schon als Abenteuer ausgearbeitet an anderer Stelle in Montgomerys Blog vor ("Rites of Passage"). Der Initiationsvorgang verläuft ziemlich linear und der Einfluss der Spieler auf die Spielhandlung ist begrenzt. Die Beschreibung des Geschehens ist allerdings erstklassig und absolut fesselnd. Wenn ich mir vorstelle, dass dieses Initiationsabenteuer im Prinzip einen Teil der Figurenerschaffung ersetzt, dann bin ich umso mehr fasziniert. Ich zumindest habe etwas Vergleichbares von dieser Qualität noch nicht gesehen. Bei der Initiationszeremonie handelt es sich nebenbei gesagt natürlich um eine Heldenqueste. Die Spielerfiguren reisen in andere Ebenen, begegnen einigen Göttern, bekommen die für ihre Charakterbildung wichtigen persönlichen Runen zugewiesen... und vielleicht auch noch mehr. Auch dieses Abenteuer habe ich schon übersetzt. Ob ich es jemals genauso spielen werde, weiß ich nicht. Es ist aber eine mindestens so großartige Inspirationsquelle wie Montgomerys Clanausarbeitung.
Ich bin sehr froh über den Blog, der mich mit HeroQuest einige entscheidende Schritte weiter gebracht hat.