Ich verstehe immer noch nicht vollständig wie und wodurch welche Moves getriggert werden. Die Aufforderungen, das aus dem Handlungsverlauf und der Beschreibung der Spieler herauszulesen, helfen mir dabei irgendwie überhaupt nicht. Das liegt auch daran, dass es oft wie ich im Spiel bemerkt habe, einfach eine Frage der Interpretation ist und eigentlich fast immer mehrere Moves angebracht wären. Um dann zu entscheiden, welcher Move denn bitte gewürfelt werden soll, fehlt mir einfach der Überblick über das dramaturgische Meta-Konzept
Und das ist das eigentliche Hauptproblem. Diese Spiele verregeln irgendwie den Teil, der bei uns immer einfach durch Improvisation mitgetragen wurde. Ich kanns nicht richtig beschreiben, aber ich hab gemerkt, dass ich als Spielleiter einfach überfordert bin.
Welcher Spielzug (Move) soll es sein? Allgemein kann ich nur sagen: Schau auf die Motivation hinter der Handlung. Ansonsten sind viele Spiele da eigentlich sehr eindeutig. "Wenn du jemanden dazu überreden willst, zu tun, was du willst,
und dazu Versprechungen machst, lügst oder laut rumtönst, würfele Stil."
Ein paar Grundgedanken zu PbtADie Würfel und meine GeschichteDas Verhältnis zwischen Erzählung und Wurf / Probe ist in PbtA Games ein anderes. Die Erzählung hat viel mehr Gewicht. Sowohl vor dem Wurf, als auch danach. Die Frage ist: Was soll die Probe überhaupt beantworten?
Rollenspiele mit Zufallsmechaniken sind im Allgemeinen so aufgebaut, dass sie eine Form von freiem Spiel vorsehen, die die Spieler zu einem Punkt der Unsicherheit führt, den die Regeln dann mit Würfeln auflösen lassen. Diese Herangehensweise hat seine Wurzeln natürlich in der Vergangenheit von RPGs, im Wargaming. Meine Armee will auf deine Armee schießen, also konsultieren wir die Regeln, berücksichtigen die notwendigen Faktoren, kommen zu einer angemessenen Erfolgswahrscheinlichkeit und würfeln, um zu sehen, ob meine Soldaten einen guten Tag haben. Bei D&D (etc.) wird die gleichen Fragen auf die gleiche Art und Weise gelöst. Treffe ich? Kann ich die geheime Tür finden? Kann ich die Falle erkennen? Die Falle sicher entschärfen? Erkennen Sie das sich nähernde wandernde Monster? Den Sprung machen?
In diesen Spielen geht es um Erfolg oder Misserfolg als wichtigste dramatische Fragen. Alles, was für das Spiel und die Erfahrung, die wir machen, wichtig ist, hängt von der Frage ab, ob ich erfolgreich bin oder nicht.
(Frei übersetzt aus einem Blogbeitrag von Jason D'Angelo)
Bei PbtA Gamers hat ein Wurf eine komplett andere Bedeutung. Das muss man verstehen. In den allermeisten Fällen ist die Frage „Bin ich erfolgreich?“ eigentlich uninteressant für die Geschichte!
Es geht um den Preis, nicht den Erfolg. Wie geht es nach der Handlung weiter? Nicht, wie die Handlung selbst ausgeht.
Normalerweise haben Würfe bei PbtA-Games folgende Struktur:
10+ Du bist einfach eine geile Sau! Wie Du das wieder hinbekommen hast.
7-9 Läuft, aber für einen Preis. Der MC schiebt ein kleines Extra ein, einen Sidequest vielleicht?
6- Muahahaha! Jetzt bin ich dran!
Die Aktion kann dennoch gelingen! Das ist wichtig! Aber die Geschichte bekommt einen Twist, eine böse Wendung.
Die Grundregel bei PbtA lautet: Beschreibst Du es, dann machst du es auch. Der Wurf entscheidet nur darüber, wie es danach weitergeht, nicht ob die Aktion gelingt.
Spielzüge sind narrative Wendepunkte, jene Momente dramatischer Handlungen, die dazu führen können, dass sich die Erzählung in eine Reihe von strukturierten Richtungen ausbreitet. Die Designer der Spielzüge (in der Regel der Autor des Spiels) entscheiden, was diese entscheidenden Momente sind, wenn sie die Auslöser für die Spielzüge schaffen. Sie entscheiden, in welche Richtung die Erzählung gehen kann, wenn sie die Ergebnisse der Spielzüge darstellen. Es ist dann der MC, der diese allgemeine Richtung einschlägt und sie in eine spezifische Fiktion verwandelt, die die Geschichte weiterführt.
Bei PbtA geht es darum, die Geschichte voranzutreiben. Es geht nicht um Erfolg oder Misserfolg. Das ist ein wichtiger Unterschied.
Was folgt daraus?Hier möchte ich mal ein Zitat von Lord Verminaard einschieben:
Vincents (Vincent Baker, Autor von Apocalypse World Anm.d.Verf.) Ansatz war, Regeln zu entwerfen, die bei jeder Regelanwendung den SIS (Bild von den Ereignissen und Situationen, Shared Imagined Space Anm. d. Verf.) ein kleines bisschen ausbauen oder transformieren. Dazu gibt das System dir immer einen kleinen Stubs, meistens ein paar Varianten zur Auswahl, die du dann auch noch ein bisschen “anreichern” musst. Und daran hangelst du dich dann lang, es ist also immer eine Wechselwirkung aus dem, was das System vorgibt, und dem, was du draus machst. Es ist immer ein Anteil Improvisation und ein Anteil Versatzstück dabei.
Im Gegensatz zu klassischen Spielen, wo der SL die Geschichte bestimmt, oder zu FATE, wo die Erzählrechte teilweise über FATE-Punkte verteilt werden, so übernimmt diese Rolle bei PbtA der Wurf. Damit werde auch ich als Spielleiter von den Regeln inspiriert (andere sagen: gegängelt). Ich bekomme also durch die Anwendung der Regeln einen Schub in Richtung "Wird eher schlimmer für die Charaktere!" oder "Alles ist gut!"
Das ist es, was die meisten PbtA-Spiele meinen, wenn sie sagen: Play to find out!Dazu gehört als Spielleiter eine große Offenheit, was den Verlauf der eigenen Geschichte betrifft. Hier haben viele Spielleiter die Schwierigkeit beim Umstieg.
Meine Meinung dazu:
Aus Sicht der SpielerPbtA wirkt auf das Spielgeschehen durch die Auswahl der Spielzüge ein. Es soll ganz klar eine Stimmung, eine bestimmt Art von Geschichte gefördert werden. Eine Art kreative Förderung durch die Regeln. Das unterscheidet sich natürlich erheblich von klassischen Rollenspielen. Bei diesen wird eine Welt beschrieben, die Charaktere werden vom Spielleiter in die Welt versetzt und legen los. Was sie erleben und wie sie diese Welt erleben, liegt sehr stark in der Hand des Spielleiters. Ich meine den Plot und das, was oft als "Tone" bezeichnet wird. Ich würde jetzt mal frei "Färbung" dazu sagen (ich bin kein klassischer Theoretiker, seht es mir nach). Ähnelt die Vorstellungswelt des Spielleiters sehr den Erwartungen der Spieler, wird die Runde als angenehm empfunden. Ist sie überraschend anders, liegt es vielleicht an der Aufgeschlossenheit der Spieler. Der Spielleiter setzt die Akzente. Das System wirkt hier vielleicht durch Flufftexte im Regelbuch ein oder durch Beispiele im Regeltext. Die Regeln selbst haben darauf aber keinen Einfluss.
Hier wirkt PbtA deutlich stärker auf das Spiel ein. Monsterhearts oder MASKS ist für eine bestimmte Art von Geschichte geschrieben. Das persönliche Drama der Charaktere, oder ihre Sexualität, oder das eigene Heranwachsen und ein dunkles Geheimnis stehen im Vordergrund. Auf diese dramatischen Inhalte sind die Regeln ausgerichtet. Du kannst als Spieler gar nicht anders, als die Geschichte in diese Richtung zu Treiben. Tatsächlich sind PbtA Spiele sehr viel "spezialisierter". Mir fällt gerade kein anderes Wort ein. Natürlich gibt es auch PbtA Games, bei denen die Spielzüge schlicht schwach formuliert sind, besonders die Charakter-Spielzüge. So kann es gut vorkommen, dass einige Charakterbücher nicht zu mir als Spieler passen, wahrscheinlich, weil ich mir etwas anderes darunter vorgestellt habe als der Autor. Da entwickelt man wahrscheinlich schnell seine Vorlieben oder passt die Spielzüge entsprechend an. Das sind - wenn man so will - die Hausregeln in PbtA.
Den Verlust der Freiheitsgrade an dieser Stelle erkauft sich PbtA aber mit einer enormen Freiheit bei der Frage: Wie geht diese Geschichte aus? Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen: Wie entwickelt sich diese Geschichte überhaupt?
Das bringt mich auf die andere Seite der Medaille:
Aus Sicht des MCWie bereits bei der Würfelmechanik angesprochen, glaube ich nicht, dass bei PbtA ein Wurf stören kann. Der MC selbst spielt um herauszufinden was passiert. Die Spieler gehen eben nicht - wie es so schön heißt - in der Geschichte des Spielleiters spazieren. Ich als MC muss mehr loslassen und improvisieren, was mir persönlich aber enormen Spaß macht.
Natürlich bereite ich mich auch bei Monsterhearts oder Monster of the Week auf eine Runde vor. Ich überlege mir Schauplätze, Gegner, deren Motivationen. Das ist vergleichbar mit Fronten in FATE, wer damit besser vertraut ist. Auch einige Ideen aus der OSR-Bewegung erkenne ich da durchaus wieder. Ich lasse bewusst offen wann bzw. ob die Spieler auf "meine Ideen" stoßen. Wenn überhaupt, beeinflusse ich das mit Fragen, wie sie vielleicht von Dread bekannt sind: Warum drängst du deinen Onkel dazu, eine Willenserklärung gegen Wiederbelebung zu unterschreiben? Damit führe ich einen NSC und einen Konflikt ein, überlasse dem Spieler allerdings die Ausgestaltung.
Was erreiche ich damit? Ich lege viel mehr Verantwortung für den Verlauf der Geschichte in die Hand der Spieler. Bei 10+ lasse ich sie die Geschichte erzählen. Bei 7-9 auch, werfe ihnen nur ein paar Anregungen und zusätzliche Konflikte rein. Ich persönlich habe das als unheimlich befreiend empfunden, besonders, weil es mir unheimlich schwer fällt, Plots und Konflikte bereits im Vorfeld gut zu planen. Bei 6- bin ich dann gefordert. Da kann ich meine Gegner einbringen, kann Konflikte eskalieren etc. Oder ich lasse es einfach und mache einen MC-Spielzug in eine ganz andere Richtung. Was oft als "Fail Forward" bezeichnet wird.
Für One-Shots, das Spiel auf Cons oder online finde ich diese Herangehensweise perfekt. Ich habe in wenigen Minuten Charaktere erstellt, weil die Spielbücher fast alles mitbringen. Ich habe eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine stimmige Geschichte, weil die Regeln und die Spieler mit daran arbeiten. Ich kann mich leicht von meinen Spielern inspirieren lassen.