Auch im klassischen Rollenspiel muss ich doch erst einmal die Situation etablieren und klar machen, worum es bei dem Wurf überhaupt geht
Was habe ich denn etabliert, wenn sich meine Beschreibung in den Worten "der Ork greift Dich an", Erschöpft? In dramaturgischer Hinsicht gar nichts, da wir uns rein auf der Metaebene bewegen. Die Regeln besagen, wir würfeln jetzt und wer am Ende besser Würfelt, hat gewonnen. Dann kann ich auch Kniffel spielen und habe den selben Tiefgang.
[Universaldisclaimer]Es gibt unendlich viele Möglichkeiten Kniffel, Yatzee, Mäxchen oder andere Würfelspiele zu spielen und alle sind gleich gut und schön![/Universaldisclaimer].
Natürlich sind Rollenspiele weder Filme noch Romane. Aber auch unter Einbindung eines Zufallselementes ist es möglich lebendige Geschichte zu erzählen, ohne langweilig auf Zahlen herumzukauen.
- das geht in vielen Situationen relativ schnell, weil so vieles schon derart oft vorgekommen ist, dass man nicht viele Worte darum machen muss.
Dann ist es aber banal und ich kann den ganzen Quatsch auch gleich lassen und zu Kniffel zurückkehren.
Dann wird es zwar nicht noch mal alles "öffentlich" durchgekaut, aber sowohl die Situation vor dem Wurf als auch dessen Bedeutung (und damit Folgen) sind gerade durch die Spielmechanik sozusagen mit einer impliziten Mindestbeschreibung versehen. Deswegen ist es da relativ egal, ob ich zusätzlich eine weitergehende Beschreibung folgen lasse, während ich ohne diese Spielmechanik die entstehende Lücke natürlich mit einer Beschreibung füllen muss - sonst bleibt ja nichts.
Eine Regelmechanik als Minus zur Narrative oder als dramaturgisches Substrat dieser zu begreifen halte ich für fragwürdig.
Spiele ich "Mensch ärgere Dich nicht", versuche ich zugegebenermaßen auch nicht, meinen Würfelwurf und meinen daraus resultierenden Zug mit einer Beschreibung zu unterfüttern. Auch bei Talisman oder ähnlichem würde ich das nicht ansinnen. Bei vorgenannten Spielen habe ich aber einen vorher festgesteckten Rahmen, der vom Gruppenkonsens getragen wird und nicht durchbrochen werden kann. Überraschungen bleiben dann relativ selten, so lange sich alle innerhalb dieses Rahmens bewegen. Bricht jemand aus diesem Rahmen aus, nennen wir das "Schummeln" und verurteilen dies, meist mit der unmißverständlichen Aufforderung an den regelbrechenden Spieler, in den konsensual gebildeten Rahmen zurückzukehren.
Soweit wir Rollenspiel als Erzählspiel begreifen, bietet sich die Möglichkeit, den Rahmen immer wieder spontan neu zu setzen und auszuloten. Aus meiner Sicht ist es dies, was Rollenspiel so spannend macht. Ich bin eben nicht festgelegt darauf, meinen Spielzug in "ich attackiere den Ork" zu erschöpfen, wie ich das bei Heroquest wohl tun würde. Das was von Dir, YY, als Sicherheit gedeutet wird, ist am Ende aus meiner Sicht dramaturgischer Stillstand, auch wenn der sich über mehrere Abende ziehen kann. Ich halte es für falsch anzunehmen, eine Zahl sorge hier für mehr Klarheit. Ich bleibe damit auf der Metaebene gefangen und das ganze wird weniger lebendig.
Ich kann meine Spielfigur unter Vermeidung von threatareas um eine andere Figur geschickt herumbewegen und dann sagen: "ich mache eine sneakattack" und dann einfach würfeln. Oder ich kann mir überlegen, wie ich innerhalb der Narrative plausibel darstellen kann, die Verteidigung meines Gegners zu unterlaufen, um ihm in den Rücken zu fallen. Beides kann interessant sein. Lebendiger ist die zweite Variante.
Was genau zwingt mich, erfinderisch zu werden, wenn nicht die Postulation eines dringenden Problems? Und ist es dabei nicht besser, wenn dieses Problem (ob jetzt mit oder ohne zugehöriger Zahl) klar(er) definiert ist?
Oder bezieht sich der Zwang zum Erfinden nur auf die zugehörigen Beschreibungen? Wie kommt da überhaupt ein Zwang zustande? Und wie viele Iterationen gibt es da bei Licht betrachtet wirklich?
Da ist der Reiz für mich gerade nicht die ständige Suche nach neuen Beschreibungen, Formulierungen oder - einen Schritt zurück - immer leicht anders gearteten Situationen, sondern tatsächlich nur das Kopfkino. Wenn ich daran keinen Spaß (mehr) habe, ist die ganze Methode verbrannt.
Wie weit ein Problem definiert ist, hängt doch nur von der SL ab? An welcher Stelle fehlt Klarheit, wenn ich beschreibe: Dir steckt jetzt ein Pfeil im Bein? Auch hier könnte ich behaupten, es gäbe jetzt eine implizierte Mindestbeschreibung. Du hast (wahrscheinlich) Schmerzen, wirst wohl humpeln und vielleicht auch bluten. Und gerne lege ich mich als SL in der konkreten Situation auch konkret fest.
Wenn Du aber an der ganzen Methode ohnehin keinen Spaß hast, solltest Du etwas anderes spielen und das finde ich völlig in Ordnung #Universaldisclaimer
Es geht doch gar nicht darum, ständig neue Dinge erfinden zu
müssen, sondern erfinden zu
können. Natürlich ist Rollenspiel weder ein Film (vom Kopfkino mal abgesehen) noch ein Roman. Aber persönlich frage mich immer: was bleibt am Ende in der Erinnerung hängen? Ich erinnere mich praktisch gar nicht daran, was ich wann wie gewürfelt habe oder wie meine LP rauf oder runter gegangen sind. Auch erinnere ich mich nicht mehr daran, wie viele Monster ich in den vergangenen 30 Jahren gekillt habe oder wie oft meine Charaktere selbst zu Boden gegangen sind. Aber ich erinnere mich gut an hunderte schöne Szenen und coole Geschichten und dreiste Aktionen, die meinen Mitspielern oder mir eingefallen sind und wie wir gelacht haben. Das ist der Witz. Das ist der Spaß, warum ich Rollenspiele spiele. #AlleRollenspieleSindGut #EsGibtMindestens6oder7ArtenRollenspielezuspielen
Ja, da muss man aus der Not eine Tugend machen. Wenn das klappt, ist alles in Ordnung.
Wo siehst Du hier die Not? Regeln brauche ich doch nur dann, wenn die Narrative ins Stocken gerät. Das war hier offensichtlich nicht der Fall.