Letzten Samstag habe ich meine erste Runde Dungeon World geleitet. Leider bin ich am Samstagabend völlig erschöpft und ein wenig enttäuscht auf mein heimischen Sofa gesunken. In den letzten Tagen habe ich viel darüber nachgedacht, was falsch gelaufen ist. Zeit für eine kritische Analyse meiner SL-Leistungen:
Dungeon World hat mich sofort begeistert, als ich vor ein paar Wochen das erste Mal von diesem Regelwerk erfahren habe. Dann habe ich mir noch ein paar Videos von Adam Knoebels Spielesitzungen angeschaut und war Feuer und Flamme. DW verspricht sehr viel Freiheiten und Fantasie bei nur wenig Vorbereitung. Der geringe Aufwand bei der Vorbereitung klang vielversprechend, da man ja als Angestellter und Familienpapa nicht wirklich viel Freizeit hat.
1. Problem: Ich habe viel zu viel vorbereitet.
Ich habe nicht nur das Grundregelwerk gelesen, sondern auch gleich nebenbei das Internet nach weiterem Material durchforstet. Schnell waren „The Perilouse Wilds“, „Freebooters on the Frontier“, “Grim World” … und und und gefunden. Hinzu kam noch einige neue Klassenbücher. Es gibt wirklich ein Haufen Zeug für DW und ich saß plötzlich oben drauf und fing an mich durchzugraben. Plötzlich hatte ich ganz viele Ideen im Kopf, was man vorbereiten könnte, damit die erste Runde ein voller Erfolg wird. Man muss dazu wissen, dass meine Mitspieler und ich noch in einer Findungsphase sind. Wir wollen Rollenspiel spielen, wissen aber noch nicht so recht, welches Genre und welches System. DW ist ganz klar mein Favorit und ich wollte daher das alle meine Begeisterung teilen und super viel Spaß haben. Ein Spieler wollte gerne einen Magier spielen. Da mir allerdings die Mechanismen des Magiers aus dem Grundregelwerk zu rigide erschienen, hab ich kurzerhand das alternative Magier-Klassenbuch aus dem Englischen übersetzt und natürlich auch entsprechend der anderen Büchern gestaltet. Dann fing ich an „The Perilouse Wilds“ zu lesen und wollte unbedingt die Mechanismen für das Entwerfen der Spielewelt in meine Runde einbauen. Natürlich wollte ich auch eine Karte. Also Stifte raus und eine blanko Halbinsel entworfen, die meine Helden erkunden können. Auch die Regel für die Generierung der Dungeons gefiel mir sehr, also habe ich ein paar Notizen dazu gemacht und alles noch mit dem Schloss Todt aus den Dungeon Startern gemixt. Dann las ich das Kapitel über magische Gegenstände und fing sofort an eigene Gegenstände zu entwerfen, die ich auch noch in meine Runde einbauen wollte. Und weil ich ja noch nicht genug vorbereitet hatte, fing ich auch noch an Namenslisten zu erstellen, da meine NPCs ja auch tolle Namen haben sollten.
Als Resultat war die erste Runde völlig überfrachtet. Nicht nur für mich, weil ich ja den Überblick über so viele Zusätze behalten musste, sondern auch für die Spieler. Ich hatte bis zum Schluss der Runde den Eindruck, dass wir die Grundmechanismen noch nicht wirklich verstanden hatten. Als Spielleiter habe ich während der Runde nicht einmal einen Blick auf meine Agendas und Prinzipien geworfen.
Was hätte ich besser machen können?
Ich hätte mich ganz klar auf das Grundregelwerk und einen Einsteigerdungeon beschränken sollen. In der ersten Runde sollte es erst mal darum gehen die Helden ein wenig auszugestalten und die grundsätzlichen Spielmechanismen von DW zu lernen - nicht nur die Spieler, sondern auch der SL. Anstatt mich mit dem gesammelten Zusatzmaterial zu beschäftigen, hätte ich lieber meinen kreativen Muskel trainieren sollen, aber dazu weiter unten mehr, wenn es um die Kämpfe geht.
2. Problem: Ich habe zu offene Fragen gestellt
Wir gerieten einige Male ins Stocken, da ich sehr offene Fragen gestellt habe. Die Spielerin der Waldläuferin war etwas überfordert mit den offenen Fragen, die ich ihr zu den Elfen und ihrem Tierbegleiter stellte. Ich merkte sehr schnell, dass ihr die Freiheit und spontane Improvisation nicht wirklich lagen und sie oft Angst hatte etwas „Falsches“ zu sagen. Auch hatte ich das Gefühl, dass die Spieler Aussagen vermieden haben, welche später zu Schwierigkeiten für ihren Helden führen könnten. Der Dieb stand z.B. im Auftrag der Magiergilde, für die er magische Artefakte auf seinen Diebszügen besorgte. Ich hab ihn dann gefragt, wie die Magier damit umgehen würden, wenn ein Auftrag mal nicht ganz rund laufen würde. Der Spieler antwortete einfach: „Ach, die sind da ganz entspannt. Hauptsache sie bekommen ab und an einen magischen Gegenstand von mir.“
Was hätte ich besser machen können?
Ich habe mir im Nachhinein noch einmal den DW Guide durchgelesen und da wird der Tipp gegeben gerichtete Fragen zu stellen. Einschränkende Fragen oder Fragen mit ein paar Auswahlmöglichkeiten haben den Vorteil, dass ich als SL schon ein Grundgerüst vorgeben kann, was einerseits die Spieler leitet und andererseits weniger kreativen oder extrovertierten Spielern Halt gibt. Ich hab mich schon mit der Spielerin der Waldläufering darauf geeinigt, dass ich ihr zukünftig immer Antwortmöglichkeiten vorgebe und sie war von der Idee begeistert. Ein anderer Punkt ist, dass man als SL die Aufgabe hat das Leben der Helden zu einem Abenteuer zu machen. Das bedeutet, dass es einfach Spannungen und Herausforderungen braucht und eine gute Möglichkeit ist es hier Suggestivfragen zu verwenden. Eigentlich wird das in den diversen Anleitungen zu DW genannt und man sieht es in vielen Videos von Spielrunden. Ich habs nur einfach vergessen und nicht genügend beachtet. "Was ist bei deinem letzten Auftrag schiefgelaufen, dass ein Magier der Gilde nun sehr verärgert ist?"
3. Problem: Die Kämpfe waren zu einfach und mit wenig Spannung
Es hat mich echt frustriert, dass die Helden die Horde Goblins innerhalb kürzester Zeit und ohne viel eigenen Schaden zu bekommen niedergemacht haben. Ein Bild, was sich durch alle Kämpfe zog. Zusätzlich war wenig "Aktion" und Abwechslung in den Kämpfen. 3TP-Goblins halten einfach nicht viel aus. Das hätte mir eigentlich vorher klar sein sollen. Und wenn man dann die Horde einfach frontal gegen die Heldengruppe schickt, dann machen ein Barbar, ein Dieb und eine Waldläuferin + Puma einfach kurzen Prozess. Ein paar Mal auf Hauen&Stechen und Salven abgeben gewürfelt und schon ist der große, herausfordernde Kampf, den ich mir gewünscht hätte, in ein paar Minuten Echtzeit vorbei. Ich hatte zwar noch im Hinterkopf, dass man nicht nur einfach würfeln und Schaden austeilen soll, aber irgendwie fehlte es mir zum Ende der Spielrunde hin einfach an Inspiration - sicherlich auch, weil ich zu diesem Zeitpunkt schon gefrustet und erschöpft war.
Was hätte ich besser machen können?
Ich hätte mich besser auf die Kämpfe vorbereiten sollen. Ich hab einfach die falschen Sachen vorbereitet (siehe Problem 1). Ich hätte mich mehr mit den Spielzügen und ihrer fantasievollen Umsetzung beschäftigen sollen. Eigentlich steht das alles im Grundregelwerk, dem DW Guide und diversen Anleitungen im Internet. Ich habe mich so verhalten, wie es in anderen Rollenspielen im Kampf üblich ist. Man schaut wer trifft und teilt dann Schaden aus. Dabei bietet DW so viel mehr Möglichkeiten neben dem Schaden. Dazu gehört es aber, dass man den Gegner (sowie allen NPCs) viel mehr Leben einhaucht. Ich hätte mir in der Vorbereitung und auch während des Spiels ein paar Fragen stellen sollen: Wie kämpft eigentlich ein Goblin? Was macht ein schwächlicher Gegner, wenn er einem überlegenen Gegner gegenübersteht? Was für negative Konsequenzen gibt es noch neben dem eigentlichen Schaden? Sehr wichtig! Wie gestaltet man Kämpfe einer gegen viele? Hier werde ich in Vorbereitung auf meine nächste Runde viel Kopfkino spielen und einfach meinen kreativen Muskel trainieren. Ich denke, wenn man bestimmte Situation schon einmal im Kopf durchgespielt hat, kann man auf eine Auswahl an Varianten zurückgreifen, um die Szenen einfach interessanter zu gestalten.
Die Goblins werden sich in der nächsten Runde auf jeden Fall nicht einfach dem Hauen&Stechen der Helden stellen.
Abschließend muss ich sagen, dass mich zwar das fantastische Potenzial von DW von Anfang an begeister hat, ich aber nicht erkannt habe, welche Anstrengungen und Herausforderungen dieses für den Spielleiter bedeutet. Es bedarf schon viel kreativer Energie und einem gewissen Mindset, damit DW funktioniert.
In drei Wochen steht die nächste Runde an, wobei daran andere Spieler teilnehmen, welche z.T. noch gar keine Erfahrungen mit Rollenspiel haben. Vielleicht kommt noch ein Spieler aus der ersten Runde hinzu. Ich bin sehr gespannt, wie die nächste Runde laufen wird. Nachdem ich schon ein wenig den Mut verloren hatte, bin ich jetzt aber zuversichtlich, dass ich die oben genannten Probleme zum Großteil vermeiden kann.
Schreibt gerne von euren Erfahrungen als SL mit Dungeon World und ob ihr mit ähnlichen Probleme zu Kämpfen hattet. Gibt es vielleicht noch Tips, die ihr mir für die nächste Runde mit auf den Weg geben könnt?