INKONSTANZ IN KONSTANZ
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Dies ist der Versuch die Ideen zusammen zu fügen und
alles mit meinen Vorstellungen in Einklang zu bringen.
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Das 'Szenario' weist zahlreiche Anspielungen auf und
ist mit einen Augenzwinkern geschrieben worden.
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Ein bislang völlig unbekannter Verwandter eines der Chars schreibt diesem einen Brief und bittet ihn darin um Hilfe. Er bleibt sehr vage, scheint aber überaus beunruhigt zu sein. Er sei auf dem Weg in die Schweiz gewesen, nach Chur, zur Kur oder etwas in der Art. Vor Konstanz sei sein Wagen unerklärlicherweise von der Strasse abgekommen und im Graben gelandet. Er habe daraufhin in einem entsetzlich überfüllten Haus inmitten der Stadt übernachten müssen.
Zwei Tage später trifft ein weiterer Brief ein, der völlig blutverschmiert ist, in welchem der Verwandte seinen Irrtum einräumt und bekräftigt, dass alles gut sei. Im Brief schreibt er von seiner erwachten Leidenschaft zur Fasnet und lädt den Char ins schöne Konstanz ein.
Beunruhigenderweise stammt der Verwandte aus Hannover und konnte derartigen Spektakeln nie etwas abgewinnen. Er hat eine ausgeprägte Furcht vor, und neigt zur Vermeidung von, Menschenmassen - Agoraphobie. Eine spontane Heilung erscheint indes unglaubwürdig zu sein. Etwas scheint faul im Staate Dänemark (Konstanz) zu sein.
Einige Konstanzer Narren sind vom Veitstanz (Tanzwut) befallen. Wenn die Guuggemusig (Blasmusik) leise dröhnt, dann erwachen gewisse Läuse im Häs (Verkleidung) - es ist die Gattung der Rotnasen-Filzlaus -, die sich in den schwarz-weissen, bunt geschmückten Kostümen eingenistet haben. Hexen, Moorschrate, Perchten, Schneeschreck, Seegeister, Seehasen, Seelenfänger, Seewölfe, Seezottel, Trolle, Unholde, Waldfratzen, Waldgeister, Waldwichtel, Werwölfe u.v.a.m. sind von dem Parasiten befallen. Sie verbergen sich das ganze Jahr über und werden erst zur Fasnet aktiv. Ihr Gesang - das Filzlaus Lied - ist von eingehend süsslich betörender Dissonanz, so dass die Befallenen vor verzücktem Widerwillen einfach zucken und tanzen müssen.
Als die Chars in Konstanz eintreffen, ist der Verwandte verschwunden. Kaum jemand weiss von ihm, noch weniger haben etwas zu erzählen und das bisschen ist dann nichts wert. Eine unheimliche Verschwörung ist hier im Gange, so viel ist klar.
- - - Die Reparatur seines Wagens dauerte nicht lange und so fuhr der Verwandte schlicht weiter zur Kur nach Chur. - - -
Konstanz quillt über von Menschen. Fanfarenzüge, Zünfte und Vereine ziehen schluchzend lachend durch die Gassen, gesäumt von Schaulustigen neben und in den Häusern. In den Fenstern der Häuser stehen Männer, Frauen und Kinder. Alte wie junge und selbst die Kleinsten werden von ihren Müttern aus den Fenstern gehalten oder sitzen, mit baumelnden Beinen, auf den Fensterbänken. Es scheint fast so, als sollten sie durch einen Sturz einer dunklen Gottheit dargebracht werden. Alle sind sie wild geschmückt, verkleidet, maskiert und bemalt. Und jeder Fremde in gewöhnlicher Strassen Kleidung wird von hundert Augen argwöhnisch beäugt. Ein Fremder. Ein Aussenstehender. Ein Nicht-Eingeweihter.
Die Betroffenen des Veitstanz sind grob-motorisch, neigen zu Halluzinationen, haben Erinnerungslücken und ihre Reaktionen auf vermeintliche Provokationen sind übersteigert. Betroffene weibl. Geschlechts werden rattig; Betroffene männl. Geschlechts halten sich für eine Mischung aus Herkules und Einstein, sind aber doch nur Münchhausen. Jede Frau und jedes Tier ist wunderschön und betörend. Aufgrund des intensiven, ausschweifenden Treibens in der Stadt kommt es zu Sodom und Gomorrha. Und bei gewissen Aktivitäten kommt es mitunter auch schon mal zu Schwerverletzten.
- - - Es ist einfacher den übermässigem Alkoholgenuss dem Werk der Rotnasen-Filzlaus in die Schuhe zu schieben. - - -
Auch fangen Betroffene beiderlei Geschlechts zu lallen an und wiederholen ständig etwas, das sich wie 'Nieder lag de Schneck' anhört, was eine gewisse äussere Gottheit wohlwollend missversteht und sich beschworen fühlt. Ein Avatar wird entsandt, kann jedoch, über einen ausgedehnten, kurzen Zeitabschnitt hinweg, schnell mit Ratschen, Schellen (Glocken), Karbatschen (Peitschen) und Saubladern (Schweisblasen) wieder ausgetrieben werden.
Schlussendlich wabert Nebel vom See her in die Stadt. Die Menschen werden immer ekstatischer. Sie bewegen sich wie eingefroren, zappelnd und springend, in fiebriger Erwartung. Hell erleuchtet bricht die Nacht herein und der Neumond erstrahlt am Himmel. Alles ist düster und farbenfroh, fremdartig vertraut. Alles befindet sich im Fluss, in ständigem Wandel, der Erstarrung. Die Stadt verzaubert die Chars mit Abscheu. Normale Menschen werden vom Wahnsinn ergriffen, Wahnsinnige fangen an in hysterisches Schweigen zu verfallen.
Alles in der Stadt ist in der Veränderung erstarrt. Nichts ist verlässlich. Ein ständiger Kreislauf sich wiederholenden Verfalls und der sofortigen Neuentstehung. Die Dinge wechseln von Zeit zu Zeit ihre Farbe, ihre Form und mitunter auch ihre Funktion - jedoch nur in unbeobachteten Momenten.
Die Chars können der konstanten Inkonstanz in Konstanz nicht entkommen; egal wohin sie sich wenden, sie werden konstant immer wieder auf den Umzug treffen, der sich wie ein Aal durch die Strassen und Gassen der Stadt windet; sie werden von ihm angesaugt, verschluckt und wieder ausgespien, nur um wieder und wieder den Kreislauf zu durchlaufen.
Schliesslich führt der Umzug die Chars zum Wasser des bodenlosen Bodensees am Grunde eines Meeres aus trockenem Wasser auf dem Mond. Die Chars stehen auf grossen, sechseckigen Steinen mit acht Kanten, die fugenlos ohne Zwischenräume aneinander gereiht zu ihren Füssen liegen. Ein groß gewachsener Mann, der rudernd sein Fischerboot über den See trägt, ist in ein rot leuchtendes, prächtiges Gewand aus gelben Lumpen gehüllt. Er harpuniert einen kleinen Goldfisch und grüsst die Chars, die inmitten der Menschenmasse einsam und allein am Ufer stehen, mit einem "Hali! Hali! Hali! Hallo!"