Vor diesem Hintergrund habe ich mich z.B. über „Gefechtswissen“ und „Gottesdienst“ nicht sehr gefreut, weil sie mir eben nicht sehr archaisch anmuten. Besser hätte ich z.B. „Schlacht“ und „Anbetung“ gefunden.
Na, ich nehme mir mal eine Pause vom Grundregelwerk und erzähle was zu den beiden Begriffen, weil es nämlich für beide unterschiedliche, aber recht interessante Gründe dafür gibt und sie ein ziemlich gutes Beispiel für Probleme und Problemlösungen beim Übersetzen von Rollenspielen abgeben (wenn man sich für sowas interessiert – ansonsten ist der folgende Abriss echt öde!).
Die Fertigkeit Gottesdienst (Englisch: Worship) hieß schon in der deutschen Übersetzung von RuneQuest 3 so (aus Kompatibilitäts- und Gewöhnungsgründen sind wir generell bei den alten Begriffen geblieben, außer wenn es gute Gründe gab, dies nicht zu tun). Wenn wir einen besseren Begriff dafür gefunden hätten, hatten wir durchaus in Erwägung gezogen, die Fertigkeit umzubenennen. Es gab aber mit allen alternativen Bezeichnungen irgendwelche Probleme.
Die wörtlichen Übersetzungen von Worship, wie „Anbetung“ oder „Verehrung“ sind zwar sehr nah am Original, aber geben eher schlecht wieder, wozu man die Fertigkeit einsetzen kann. Worship dient nämlich zur Teilnahme an offiziellen religiösen Ritualen und nicht, um unterwegs mal die eigene Gottheit um Hilfe anzuhauen (also im Sinne von „beten“), und besonders, wenn man mit neuen Spielern spielt, tritt dann ja schnell das Problem auf, dass der Spieler aus dem Namen der Fertigkeit die Einsatzmöglichkeiten herausinterpretiert, die sich dann aber nicht unbedingt mit dem decken, was in der Fertigkeitsbeschreibung des Regelbuches angeführt wird (und was damit regeltechnisch „legal“ ist).
„Zeremonielle Verehrung“ trifft es da schon eher, aber das ist dann irgendwie doch deutlich zu lang für einen Regelbegriff. Gottesdienst klingt auf den ersten Blick schon sehr modern, aber das liegt auch daran, dass der Begriff in unserem allgemeinen Wortschatz verankert ist und wir hier im deutschen Raum vielleicht als erste Assoziation „Sonntags morgens Kirche“ haben. Aber eigentlich benutzen wir Gottesdienst auch als Oberbegriff, um alle möglichen Arten von Zusammenkünften von Gläubigen einer Religion, um ihre Gottheit/en zu verehren, zu bezeichnen, ganz unabhängig davon, um welche Religion es sich handelt.
Klingt also vielleicht nicht so klassisch wie man gerne hätte, aber das ist meiner Meinung nach hauptsächlich eine Sache der Assoziation und das gibt sich ziemlich schnell, wenn man das Spiel erstmal spielt.
Die Sache mit dem Gefechtswissen ist noch eine Nummer komplizierter, ob man es glaubt oder nicht!
Zunächst einmal: als RuneQuest 3 damals herausgebracht wurde, gab es die Fertigkeit Battle noch nicht. Die Fertigkeit wurde erst später (im Magazin Different Worlds, soweit ich weiß) abgedruckt. Somit gab es keine bereits existente deutsche Bezeichnung für die Fertigkeit Battle.
Wie übersetzt man das also?
Die Fertigkeit Battle deckt laut ihrer Beschreibung im Grundregelwerk zwei Bereiche ab. Zum einen ist es die Fähigkeit, eine Gruppe von Kriegern in eine kämpferische Auseinandersetzung zu führen und, gegebenenfalls, diese im Voraus so gut es geht durchzuplanen. Des Weiteren beschreibt sie aber auch die Fähigkeit, sich selbst in einer Kampfsituation mit mehreren Beteiligen so zu verhalten, das man selbst nicht sofort darin umkommt (also „wissen wo man besser nicht stehen sollte“ und „wie man günstige Gelegenheiten abpasst“ usw.). Es ist außerdem eine Wissensfertigkeit, und man würfelt auf Battle, um festzustellen, wie gut man sich in einer Kampfsituation, die man nicht lange ausspielen will, geschlagen hat.
„Schlacht“ ist zwar sehr nahe an der Bedeutung des Wortes Battle dran, geht aber schon allein deswegen nicht, weil es da nämlich auch noch die Wissensfertigkeit „Schlachten“ gibt (in Englisch Peaceful Cut – warum die Fertigkeit so heißt wie sie heißt, ist ein Thema für eine andere Gutenachtgeschichte!). Die Fertigkeiten würden auf dem Charakterbogen nämlich genau nebeneinanderstehen und das würde garantiert zur Verwirrung führen. „Schlacht-„ mit einem zweiten Wort zu kombinieren ist da ähnlich problematisch, da Schlachtwissen immer noch klingt, als ob es sich dabei um die Theorie des Schlachtens von Tieren handelt.
Gefecht ist begriffsmäßig das nächste Synonym, und im Gegensatz zu allgemeineren Begriffen wie zum Beispiel „Kampf“ wird dadurch impliziert, dass es sich nicht nur um eine Angelegenheit zwischen zwei Beteiligten handelt.
„Gefecht“ alleine reicht aber als Fertigkeitsbezeichnung nicht aus, da es sich ja nicht um eine Kampffertigkeit handelt (die unter Manipulationsfertigkeiten eingeordnet sind), sondern um eine Wissensfertigkeit.
„Gefechtskunde“, was noch etwas poetischer klingt, fiel leider aus, da „Kunde“ bereits als Übersetzung von Lore benutzt wird, und Lore-Fertigkeiten zwar Wissensfertigkeiten sind, aber darunter eine eigene Art von Fertigkeitskategorie darstellen, zu denen Battle ausdrücklich nicht zählt.
„Gefechtsstrategie“ war auch eine Option, fiel aber durch, weil es den praktischen Teil des Überlebens in der Schlacht nicht so richtig wiederspiegelt und dazu die Fähigkeit, Leute gut anzuführen halt nicht allein eine Sache der Strategie ist.
So ist es also zu Gefechtswissen gekommen – Gefecht, weil es eine nicht so leicht zu verwechselnde Alternative zu „Schlacht“ ist, und Wissen, weil es sich hierbei um eine Wissensfertigkeit handelt. Ein erfundenes Wort für eine abstrakte Fertigkeit, die einen intellektuellen Aspekt darstellt, der den Umgang mit einer größeren kämpferischen Auseinandersetzung, wiedergibt.
Wie auch bei Gottesdienst scheint der Begriff vielleicht beim ersten Lesen ungewohnt, aber das gibt sich sehr schnell, wenn man das Spiel erstmal spielt. Und die Charaktere werden natürlich im Dialog nicht die Bezeichnungen ihrer Fertigkeiten benutzen, sondern eher sagen „Ich werde mich auf die Rituale am heiligen Feiertag meines Gottes, Orlanth/Humakt/Lhankor Mhy, vorbereiten“, da die Fertigkeitsnamen in dem Sinne nicht in Glorantha existieren, sondern Teil der Regeln sind, was auch einen potenziellen terminologischen Anachronismus während des Spiels abschwächen sollte.
Das ist jedenfalls die Geschichte von der Entstehung dieser beiden Regelbegriffe. Ich könnte sowas in der Art für jeden einzelnen Regelbegriff, jeden Namen, jede Bezeichnung und so ziemlich jeden Aspekt der deutschen Übersetzung niederschreiben. Dann käme ich aber vor lauter Schreiben nicht mehr zum Arbeiten, und das wäre dann auch wieder blöd, also belasse ich es mal bei diesem doch nicht-ganz-so-kurzen Einblick.
Weitere Erklärungen kann man, wenn sich die Gelegenheit ergibt, bei mir persönlich erfragen, aber dafür schuldet ihr mir wenigstens eine Limo!