Auf der anderen Seite gibt es aber auch zahlreiche Spieler, denen es große Freude bereitet sich in Regelschwergewichte einzufuchsen und die Feinheiten zu verstehen. Ihnen kann es scheinbar gar nicht realistisch genug sein.
Dass man sich mit einem System befassen
will, an dem man Spaß hat, ist erst mal nachvollziehbar.
Aber das über immer neues "Futter" für das Streben nach System Mastery bedienen zu wollen, ist mMn kein guter Weg. Mittel- und langfristig führt das zu einem aufgeblähten System, bei dem keiner mehr richtig durchblickt und bei dem man in der Spielpraxis große Teile weglassen
muss, um überhaupt sinnvoll zum Spielen zu kommen (als Paradebeispiele: SR3, D&D 3.5, DSA4/4.1).
Realismus/Simulationismus sind davon erst mal nicht berührt - viel Material zum Wühlen kann es auch völlig unabhängig davon geben. Aber wo das Zielsetzung ist, unterliegen Autoren und Spieler regelmäßig dem Fehleindruck, dass mehr Details und mehr Spielmechanik automatisch zu irgendwie "besseren" Ergebnissen führt, was erfahrungsgemäß sehr selten wirklich der Fall ist.
Deswegen meine Frage: Funktioniert das Konzept optionale Vertiefungsregeln für euch? Pickt ihr euch raus, was ihr braucht, macht ihr einen Bogen drum, intergriert ihr alles, ohne es weiter zu hinterfragen?
Ich würde gern verstehen, ob die Grundidee, die hinter optionalen Zusatzregeln liegt, funktioniert, oder das Konzept als ganzes eigentlich nichts taugt...
Optionale Vertiefungsregeln haben das Riesenproblem, dass das Spiel hinterher immer noch rund laufen muss. Wenn man sogar etwas anstrebt wie DSA5, dass einzelne Spieler Vertiefungsregeln nutzen und andere Spieler in der selben Runde sie weglassen können, tritt genau das ein, was man bei DSA5 beobachten kann: Gefühlt unendlich viel Text für den kleinstmöglichen spielmechanischen Effekt (sonst würde ja das Spiel für jene verzerrt, die das Zeug nicht nutzen).
Meiner Erfahrung nach funktioniert das nur andersrum. Zuerst muss das System komplett mit allen Details stehen und dann kann ich mir überlegen, was ich
weglasse. GURPS4 macht das z.B. so und es funktioniert mit einer Einschränkung wunderbar: Der SL hat keinen leichten Einstieg - der muss das System erst komplett erfasst haben und entscheiden, was wie genutzt wird und was nicht.
Interessant wird es dann bei den (zahllosen) Erweiterungen. Die bieten nämlich zum Einen Informationen abseits der Spielmechanik und zum Anderen neue Perspektiven auf die
bestehende Spielmechanik. Da wird also erklärt, wie man mit dem, was man schon kennt, das jeweilige Thema zielführend beackern könnte.
Komplett neue Regeln gibt es da nur sehr selten und die Erweiterungen verkaufen sich "trotzdem", obwohl neue Regeln in anderen Systemen quasi der einzige Grund sind, sich Erweiterungen zuzulegen
Entweder mache ich ein Regelschwergewicht oder nicht - das sollte ich aber vorher wissen
Und wenn man an meinem Schwergewicht regelmäßig 90% weglassen muss, damit es läuft (das dann aber wirklich hervorragend funktioniert), dann sollte mir auch klar sein, wie meine nächste Edition wohl besser aussehen würde.
Beides bekommt man nicht auf Dauer sinnvoll unter einen Hut*. Und ganz gekniffen ist man als DSA oder SR, wo es zahlreiche Fans gibt, die felsenfest davon überzeugt sind, dass sie den ganzen überflüssigen Krempel brauchen und wollen, obwohl sie dann doch wieder das Meiste davon gar nicht nutzen.
*Wenn überhaupt, geht das mit einer halbwegs vollständigen Einsteigerversion (also
kein Schnellstarter) und einer "Vollversion".
Wobei man sich da auch mal überlegen könnte, ob man mit dem diesbezüglich üblichen Sprachgebrauch nicht schon Fehleindrücke schafft. "Expertenregeln" klingt eben deutlich besser als "noch mehr überflüssiger Krempel zum reinen Selbstzweck"