Hier mal ein kleiner Würdigungs-Thread:
Ich habe mich ja schon an anderer Stelle darüber ausgelassen, wie positiv überrascht ich von "Ultima Ratio - Im Schatten von Mutter" bin. Das Grundregelwerk holpert zwar ziemlich daher (was teilweise anscheinend auch daran liegt, dass für die zweite Auflage Texte aus anderen Supplements aufgenommen, aber gekürzt wurden), aber schon das "Erweiterungsbuch Protagonisten" liest sich flüssig und glänzt mit tollen Ideen, die für meine Bedürfnisse in genau dem richtigen Maße ausgearbeitet sind.
Das betrifft insbesondere die spielbaren Spezies, und bei denen hat es mir der Umgang mit dem Thema Geschlecht besonders angetan. Da gibt es alles von egalitär über verschiedene Patriarchats- und Matriarchatsmodelle bis zu Wechsel der Individuen zwischen drei Geschlechtern; und bei JEDER Spezies wird mindestens kurz auf die Geschlechterverhältnisse eingegangen. Mal sind die jeweiligen Rollenverteilungen an die Biologie der Spezies zurückgebunden, mal auch nicht, und gerade in den ersteren Fällen gibt es auch mal Überraschungen (die echsenartigen Lainaeren leben in einem Matriarchat, obwohl die Männchen größer, stärker und flugfähig sind). Oder einfach coole, aus der irdischen Biologie inspirierte Arrangements: Die "Beuteltier"-Raloosa, bei denen die Männer die meiste Zeit über die Jungen in ihrem Beutel austragen - erinnert mich ein bisschen an Emus, bei denen Männchen für Nestbau und Brutpflege zuständig sind. Und dann die Yrla, die vielleicht von LeGuins "Linker Hand der Dunkelheit" inspiriert sind und zwischen drei Geschlechtern wechseln, wobei im dritten Geschlecht nur ausgetragen wird.
Schön auch, dass die erst mal ätherisch anmutenden, zweigeschlechtlich geborenen Alrhoone so gar keine idealisierten androgyn-egalitären Elfenwesen sind; stattdessen müssen sie sich in der Pubertät für ein Geschlecht entscheiden und sich dann in ein ziemlich patriarchales System einordnen. Und haben nebenbei auch noch eine Gesellschaft auf dreckigstem Industrialisierungs-Niveau mit üblem Klassengefälle ...
Und wer ist in Sachen Geschlecht und Sexualität im liberalsten? Die ultrakapitalistische repressive Überwachungsgesellschaft der Lukeaner.
Kurz: Ich sehe da nicht eine idealisierte Spezies, bei denen alle Freiheiten miteinander Hand in Hand gehen und nicht eine, bei der alles in jeder Beziehung übel unterdrückerisch zugeht. Alle vielschichtig und interessant. Dadurch wird es auch glaubwürdig, dass es für Angehörige aller Völker gute Gründe gibt, ihr Glück in der Fremde zu suchen, weil sie bei sich Zuhause zu den Gearschten gehören ...
Genau so was wünsche ich mir als "Gender Trouble" im Rollenspiel: Nicht krampfhaft sozialkonstruktivistisch, aber auch nicht platt biologistisch, verspielt, mit Spaß an skurrilen Einfällen und dem Mut, auch Sachen anzubieten, bei denen manche vielleicht verständnislos den Kopf schütteln.
Ich bin langsam ernsthaft gespannt auf den Fantasy-Spin-Off Mythaloria, der ja die gleichen Spezies verwenden soll ...