VorgeschichteIn
jenem Thread von vor einem Monat habe ich diverse Gedanken entwickelt, wie ich ein Rollenspielsystem haben wollen würde. Da es aber völlig utopisch ist, im Alleingang ein komplettes System aus dem Boden zu stampfen, will ich lieber kleine Brötchen backen und ein bereits real existierendes System an meine Bedürfnisse anpassen.
Im Zuge dieser Überlegungen habe ich mich an
Legend von einer Hobbyklitsche namens Rule of Cool erinnert (keine Systemverwandschaft zu Mongoose Legend), welches ich vor etwa 4 Jahren mal ausprobiert hatte, im folgenden Legend D20 genannt. Dieses basiert auf dem D20 OGL-Regelkern, und basiert wie D&D 3E auf 20 Stufen, ikonischen Klassen, und verwendet die daraus bekannten Bezeichnungen wie BAB, AC, Fort, Ref, Will und so weiter. Allerdings unterscheidet es sich in der Praxis doch sehr stark von 3E - deutlich stärker als etwa PF.
Kostenlos runterzuladen ist Legend D20 hier:
http://www.ruleofcool.comMeine Erfahrungen mit dem System belaufen sich auf insgesamt 9 Stufen, zusammengespielt in insgesamt 3 Runden. 2 mit meiner damalischen Tischrunde, 1 auf dem
Treffen. In der Heimatgruppe waren wir nach diesen Probeläufen mit dem System nicht zufrieden und brachen den Stab darüber. Die
-Runde lief da tatsächlich besser, jdf in meiner Erinnerung. Den Hauptunterschied würde ich darin festmachen, dass ich zur Treffenrunde eine komplette Party aufeinander abgestimmter Charaktere mitgebracht habe, während wir in den Heimrunden jeder irgendwie so vor uns selber hinwurschtelten. Kurz und gut würde ich jetzt im Nachhinein nicht das System, sondern unsere damalige Gruppe als Dysfunktional bezeichnen.
Dennoch hat das System auch einige Eigenschaften, die mir schlicht nicht gefallen.
Zuallererst ist es an allen Ecken und Enden zu abstrakt. Es bietet überhaupt keine Hilfestellung für das Theatre of Mind; umso schwieriger wird es, sich auf einen gemeinsamen Vorstellungsraum zu einigen. Nur ein Beispiel: es gibt keine Waffenlisten; nur eine Liste von Waffeneigenschaften, die jeder für sich zusammenstöpseln und fluffen darf wie er will. Das mag manch einer toll finden, ich finde es nicht förderlich.
Ein weiterer Minuspunkt (für mich) ist die sich aus den Besonderheiten des Systems ergebende Kampfdynamik. Bewegungsweite und Nahkampfreichweite steigen über die Stufen enorm stark an; dafür sind Gelegenheitsangriffe stark limitiert. Spielt man mit Bodenplänen, hat das den Effekt, dass die Miniaturen zwar kreuz und quer auf der Matte vereilt sind, aber trotzdem jeder jeden im Nahkampf bedroht. Wahrscheinlich funktioniert das System sogar besser _ohne_ Battlemat.
In Kombination mit der Struktur der Klassenfähigkeiten läuft es im Prinzip darauf hinaus, dass der Kampf ein Schadens-vs-Heilungsrennen wird. Es reicht nicht, nur früher zu schießen und besser zu treffen; wer nicht gleichzeitig noch die Wunden auf der eigenen Seite verarztet, wird verlieren.
Drittens befleißigt sich leider auch Legend ähnlich wie 5E eines binären Skillsystems: "Entweder du hast den Skill oder nicht". Das aufzulösen ist aber keine große Sache.
Es gibt noch weitere Aspekte, die ich an Legend auszusetzen habe, aber diese Beispiele sollen hier erstmal genügen.
Auf der Habenseite ist das System durchaus attraktiv. Es erlaubt gleichzeitig enorm viel Customization bei gleichzeitig sehr guter Balance der Optionen untereinander. Das Basteln macht Spaß. Es gibt keine Spellcaster Supremacy. Gleichzeitig ist das Powerniveau ziemlich hoch, eindeutig Larger Than Life.
Kurz und gut, ich habe mir vorgenommen, Legend meinen Wünschen und Bedürfnissen entsprechend umzuformen. Dadurch wird freilich nicht ganz das Idealsystem daraus, welches ich im eingangs verlinkten Thread umrissen habe. Aber es könnte gut genug sein. Darum will ich hier im Thread dokumentieren und mir weitere Anregungen holen, wie ich das System anpassen kann. Dazu bin ich bereit, interessante Mechanismen schamlos bei anderen Systemen zu klauen.
Meine AgendaDie Prämissen und Designziele, die ich grundsätzlich möglichst umfassend realisieren möchte, habe ich wie folgt zusammengefasst. Dabei markiere ich die Dinge
fett, für die Legend eine gute Basis bietet, und
kursiv, wo größerer Handlungsbedarf besteht.
1. Spielerentscheidung >> Zufallselement; entsprechend geringer Whiff-Faktor, keine Freakrolls, keine explodierenden Würfe
2.
Möglichkeit zum Basteln; aber "Balanced" insofern, als es viele valide Optionen geben soll und nicht den einen Hartholzharnisch
(Check: das ist exakt das, was Legend sehr gut macht)
3.
Larger Than Life Heroes; Alle SCs sind magisch, ähnlich wie Adepten in Earthdawn oder Shadowrun
(Check)
4.
konstanter Verjüngungseffekt durch Freischalten neuer Fähigkeiten über die Zeit
(Check: man bekommt auf jeder einzelnen Stufe eine Klassenfähigkeit)
5. gerne mit magischem Spielzeug, aber keine Weihnachtsbäume und Helden sollen ohne ihr Gear auch nicht zu hilflosen Würstchen werden
(semi-Check: es gibt eine festgeschriebene Item-Progression, die ich aber wiederum etwas liberalisieren möchte)
6. gerne Spezialisierungen und Nischen, aber: keine Schmalspurcharaktere und One Trick Ponies, sondern breiter Fächer an Optionen für jeden
6b. jeder SC soll (mindestens) eine Rolle im Kampf und eine Rolle außerhalb des Kampfes haben.
(semi-Check: an der Breite der Kompetenz muss ein wenig geschraubt werden)
7. eher geringe Tödlichkeit für die SCs, zwecks Tauglichkeit für Langstrecken-Kampagnen.
7b --> gerne mit Gummipunkten, aber diese sollten nur als Booster und Lebensversicherung dienen, nicht als unabdingarer Schmierstoff
(keine besonderen Vorkehrungen vorgesehen, diese sollten sich aber problemlos hinzufügen lassen.)
8. taktischer Kampf jenseits von reinem Schadensabtausch und "Geek The Mage First"
(mal sehen ob ich das "Heilungsrennen" rausbekomme; vor allem aber will ich den AoO-Bereich wieder stärker hervorheben)
9. keine Todesspirale, sondern eher "Adrenalinrausch" (angeschlagene Helden werden stärker)
(nicht implementiert, aber dürfte sich einfügen lassen)
10. Combat As War statt CAS(nicht vorgesehen; Legend wurde von seiner Anhängerschaft auch "Test of Spite, the RPG" genannt aufgrund seines starken CAS-Fokus; ich denke aber, dass das primär eine Sache des Beschlusses und der Gruppenabsprache ist.)
11. Nicht unbedingt fixe Klassen, sondern lieber Mix & Match von Kompetenz-Bundles, die es erleichtern sollen sich mit den Mitspielern abzustimmen
(jein: die Klassen sind zwar sehr flexibel, da die Klassenprogression aus 3-4 "Tracks" besteht, die man mehr oder weniger frei mischen kann. Es gibt aber keinen inhärenten Mechanismus für die Abstimmung in der Gruppe.)
12. sorgfältiger Einsatz von simulationistischen und gamistischen Elementen(sicherlich die größte Baustelle an dem System. Legend ist wirklich _nur_ gamistisch.)
Kardinal-ÄnderungenDer erste und vermutlich größte Schritt ist: weg vom D20, hin zu
3D6.
Ich mag Normalverteilungen. Ursprünglich wollte ich 4K3 verwenden, aber habe momentan Bedenken, dass sich das nicht so gut in die restlichen Mechaniken einfügen dürfte.
Der Nachteil freilich ist, dass sich Wahrscheinlichkeiten in den Randbereichen nicht mehr so glatt abpeilen lassen wie mit dem linearen D20, aber das sehe ich nicht so tragisch. Man merkt sich einfach, dass man mit ca 90% Wahrscheinlichkeit mindestens eine 7 würfelt und nur mit ca 10% Wahrscheinlichkeit mindestens eine 15, und damit kommt man schon ziemlich weit.
Dieser Umstellung kommt entgegen, dass Legend ohnehin keine Auto-Fails oder -Hits auf eine gewürfelte 1 oder 20 kennt.
Dadurch sollte das
Designziel #1 erfüllt sein: eingeschränktes Zufallselement.
Im nächsten Beitrag stelle ich mal die weiteren Änderungen ein, die ich bisher angefasst habe. Ist natürlich alles noch flüssig und formbar.