Autor Thema: Sichere Systembeherrschung => wahrscheinlichere Improvisation?  (Gelesen 8937 mal)

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eldaen

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Es wird ja immer wieder die Behauptung in den Raum gestellt, ein vorbereiteter Plot würde die Improvisation und das flexible Reagieren der SL auf die Ereignisse am Spieltisch tendenziell behindern. Ob dem so ist, sei an dieser Stelle mal dahin gestellt. Hier geht es um etwas ein wenig Anderes.

Hypothese:

1) Je sicherer eine SL in gegebenen Regelsystem ist, desto leichter und wahrscheinlicher ist ein Improvisieren/flexibles Reagieren auf die Ereignisse am Spieltisch.

2) Schlankere Regelsysteme sind tendenziell leichter zu beherrschen als komplexere ("barocke") Regelwerke.

Ergo: In Runden die komplexere Regelwerke bespielen, gibt es weniger flexible Geschichten am Spieltisch. Exempli gratia: DSA oder Cthulhu.


Frage: Wie stark ist der Einfluss komplexerer Systeme auf flexible Spielstile im Vergleich zum Einfluss von Setting, SL-Techniken oder anderen Aspekten?
 

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Offline Chiarina

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Ich stimme beiden Hypothesen zu.
Sie sind der Grund dafür, warum ich mich bei regelarmen Storygames inzwischen am wohlsten fühle.
[...] the real world has an ongoing metaplot (Night´s Black Agents, The Edom Files, S. 178)

Offline takti der blonde?

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Es wird ja immer wieder die Behauptung in den Raum gestellt, ein vorbereiteter Plot würde die Improvisation und das flexible Reagieren der SL auf die Ereignisse am Spieltisch tendenziell behindern. Ob dem so ist, sei an dieser Stelle mal dahin gestellt. Hier geht es um etwas ein wenig Anderes.

Hypothese:

1) Je sicherer eine SL in gegebenen Regelsystem ist, desto leichter und wahrscheinlicher ist ein Improvisieren/flexibles Reagieren auf die Ereignisse am Spieltisch.

2) Schlankere Regelsysteme sind tendenziell leichter zu beherrschen als komplexere ("barocke") Regelwerke.

Ergo: In Runden die komplexere Regelwerke bespielen, gibt es weniger flexible Geschichten am Spieltisch. Exempli gratia: DSA oder Cthulhu.

1) gehe ich estmal mit.

Ad 2)
Schlankere Regelsystem sind tendenziell schneller zu beherrschen.

Ergo: Es dauert länger ein komplexeres Regelsystem zu erlenen.

Zu mehr würde ich mich nicht hinreißen lassen. Möglicherweise kann in komplexeren Systemen sogar besser improvisiert werden, weil die Nutzerin mehr Beispiele und Konstrukte hat an Hand derer sie nicht-explizit verregelte Elemente spontan modellieren kann.

Grüße

Hasran

Online schneeland

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Bei einem gewissen Zusammenhang würde ich mitgehen, allerdings ist mein Gefühl, dass selbst bei hinreichender Systembeherrschung eine große Anzahl an Regeln das Improvisieren erschwert - zum Einen weil man die Vielzahl der Regeln auch wirklich gleichzeitig präsent haben muss, zum Anderen weil mein Gefühl ist, dass man versucht, beim Improvisieren keinen anderen Regeln zu widersprechen. Kann sein, dass das eine persönliche Blockade ist, aber mir fällt es wesentlich leichter zu improvisieren, wenn es nur wenige Regeln gibt, die ich dabei bedenken muss.
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Online 1of3

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Schauen wir doch mal, was es für Regeln gibt.

- Besitz: Gewisse Teile der Fiktion gehören gewissen Personen. Sie haben exklusiven Zugriff darauf. Regeln dieser Art können schwierig sein, wenn sie ohne Unterstützung kommen, wenn also die berufene Person nicht weiß, was sie mit dem Zeug anfangen soll. Hier können Beispiele und gewisse Formen von prozeduraler Erschaffung helfen. Der Vorzug von exklusivem Besitz ist, dass Aufwand bei der Abstimmung reduziert wird. Das kann kreativen Freiraum bieten.

- Prinzipien: Allgemeine Leitsätze, wie man die eigene Rolle im Spiel ausfüllen sollte. Diese Art Regeln kann sehr unterschiedlich schwierig sein, je nachdem, was da genau gesagt wird. Sie können einerseits Kreativität anregen, indem sie das Verhalten in Bahnen lenken. Andererseits können Prinzipien drückend wirken, wenn man dabei anfängt das eigene Verhalten permanent in Frage zu stellen. Letztendlich ist die Gefahr in diesem Bereich aber relativ gering, denn es denn die primäre Instanz bei der Auslegung von Prinzipien ist der Adressat.

- Mechanismen: Mechanismen zu improvisieren ist schlecht. Inputwerte für Mechanismen, also z.B. Schwierigkeiten oder NSC-Werte, zu improvisieren ist auch schlecht. Und komplexe Rechenoperationen sind natürlich ganz schlecht. Mechanismen können bei der Improvisation helfen, wenn man sie als sicheren Rückzugsort gebrauchen kann. Dann müssen sie aber hinreichend eingängig und abgeschlossen sein.

- Setting: Ganz schwierig. Solange es natürlich nur als Beispiel dient, ist es super. Wenn ich aber anfange meinen Input gegen nebulöse Setting-Erwartungen zu filtern, gibt es das gleiche Problem wie bei bei anderen Bereichen. In besonderer Weise problematisch ist, dass für tiefgreifenste Verwendung von Setting, alle Beteiligten diese Regeln kennen sollte, ohne ihre Kenntnis während des Spiels im Gespräch zu aktualisieren. Will sagen, während wir eine elfische Kakaozeremonie ausspielen, können wir nicht darüber reden, wie elfische Kakaozeremonie geht.

Also geht es wohl nicht nur um wie viele Regeln, sondern auch um was für welche, in welcher Ausführung und für wen.

Unsicher bin ich mir bei Ritualen, also Regeln, die erzwingen gewisse Eingaben auf ganz bestimmte Weise zu sagen oder darzustellen, damit sie im Spiel gültig sind. Nach kurzem Überlegen würde ich sagen, die können sehr hilfreich sein, wenn andere aufgerufen sind, beim Herstellen der entsprechenden Form zu helfen, also wenn z.B. die Gruppe darüber berät wie man am besten diesen oder jenen Fate-Aspekt formuliert. Wenn das nicht so ist, man also auf sich allein zurückgeworfen bleibt, ist das wahrscheinlich sehr typbedingt. Ich kann ganz hervorragend Polaris spielen, aber vermutlich nicht Dialect.

Offline YY

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Ergo: In Runden die komplexere Regelwerke bespielen, gibt es weniger flexible Geschichten am Spieltisch. Exempli gratia: DSA oder Cthulhu.


Frage: Wie stark ist der Einfluss komplexerer Systeme auf flexible Spielstile im Vergleich zum Einfluss von Setting, SL-Techniken oder anderen Aspekten?

Gerade beim Beispiel DSA sind die Hauptfaktoren für inflexibles Spiel andere, nämlich das über Jahrzehnte vorgelebte "gute" SL-Verhalten - was meinem Eindruck nach mittlerweile aber stark abgenommen hat - und die Überhöhung von Setting- oder Metaplot-Setzungen.

Ansonsten sehe ich den Zusammenhang eher umgekehrt:
Wer wenig improvisieren will, der wählt (und lernt bis zur vollständigen Beherrschung) sehr komplexe Systeme und bereitet viel bis exzessiv vor, damit er das nicht tun muss.
Umgekehrt werden sich viel weniger Leute auf Dauer von einem (zu) komplexen System vom eigentlich favorisierten Improvisieren abhalten lassen.
Auch wieder Beispiel DSA: Dann werden im Zweifelsfall viele Regeln einfach nicht benutzt, wenn man aus irgendwelchen Gründen kein schlankeres System nutzen will oder kann.


Und um die Synthese aus hassrans und schneelands Beiträgen zu bilden:
Da hat dann wohl ein jeder seinen persönlichen "sweet spot", wo er genug Beispiele an der Hand hat, um mit ausreichendem Selbstvertrauen basteln zu können, aber nicht von der Vielzahl an Regeln erschlagen wird, an die zu halten er sich verpflichtet fühlt.
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Offline Maarzan

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1) Je sicherer eine SL in gegebenen Regelsystem ist, desto leichter und wahrscheinlicher ist ein Improvisieren/flexibles Reagieren auf die Ereignisse am Spieltisch.

2) Schlankere Regelsysteme sind tendenziell leichter zu beherrschen als komplexere ("barocke") Regelwerke.

Ergo: In Runden die komplexere Regelwerke bespielen, gibt es weniger flexible Geschichten am Spieltisch. Exempli gratia: DSA oder Cthulhu.


Frage: Wie stark ist der Einfluss komplexerer Systeme auf flexible Spielstile im Vergleich zum Einfluss von Setting, SL-Techniken oder anderen Aspekten?
 

1) Ja, denn sie hat ein stabiles und weitgehend  auch den Spielern bekanntes Grundgerüst, auf der sie aufbauen kann.

2) Schlankere Regelsysteme sind in ihrem formellen Umfamng schneller aufzunehmen. Wenn ihr Geltungsbereich aber nicht mit eingeschränkt wurde heißt das nur, dass es entsprechend mehr Lücken hat, welche gefüllt werden müssen, sobald etwas aus dem Bereich anfällt.
Es ist dann halt ein Glücksspiel zum Mut zur Lücke.

3) Die inhärente Flexibilität in Form von konsistenter, transparenter Reaktionsfähigkeit auf Spielerhandlungen sinkt bei einfachen Systemen, spätestens bei ausreichender Beherrschung des Systems.
Dies kann durch entsprechenden Mehraufwand sowohl für den SL bei der Entscheidung, aber vor allem auch erheblichem  Mehraufwand und Stress für alle bei der Planung und Kommunikation von Absichten in der Flexibilität ausgegleichen werden, aber nicht in der zu erwartenden Qualität bezüglich spontanem Ruling vs gezieltem und hoffentlich getestetem Design.
   
Die Flexibilität für den Spielleiter Vorstellungen nach seinem Gusto im Bereich solcher Lücken durchzusetzen steigt entsprechend.
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Offline nobody@home

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Sichere Systembeherrschung hilft mir auf jeden Fall beim Improvisieren. Je weniger mich das nagende "Moment mal, das sollte ich erst noch mal nachschlagen"-Gefühl noch belastet, um so besser -- das setzt natürlich zumindest für mich auch erst mal voraus, daß ich das System hinreichend beherrsche. ;)

Sind nun schlankere Systeme leichter in den Griff zu kriegen? Bis zu einem bestimmten Punkt sicher. Allerdings läßt sich die Frage, wie elegant und intuitiv die Regeln nun eigentlich aufgebaut sind (und wie schnell sie entsprechend in meinem Kopf "klick -- aha, so geht das!" machen), nicht allein auf eine des reinen Umfangs reduzieren, und zumindest für mich persönlich gibt's auf der anderen Seite auch eine gewisse untere Schranke für Komplexität, weil ich trotz allem auch ein gewisses Bedürfnis nach Struktur und Halt habe, das manche extra-superleichte "Systeme", die mir schon mal begegnet sind, wiederum zumindest längerfristig nicht ausreichend bedienen.

Offline YY

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3) Die inhärente Flexibilität in Form von konsistenter, transparenter Reaktionsfähigkeit auf Spielerhandlungen sinkt bei einfachen Systemen, spätestens bei ausreichender Beherrschung des Systems.

Warum?
Nur weil der Trichter größer/das Sieb gröber ist, ist das doch nicht automatisch weniger konsistent oder transparent.

Allerdings läßt sich die Frage, wie elegant und intuitiv die Regeln nun eigentlich aufgebaut sind (und wie schnell sie entsprechend in meinem Kopf "klick -- aha, so geht das!" machen), nicht allein auf eine des reinen Umfangs reduzieren

Guter Punkt!  :d
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Offline Maarzan

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Warum?
Nur weil der Trichter größer/das Sieb gröber ist, ist das doch nicht automatisch weniger konsistent oder transparent.

Ich sehe da einen merklichen Unterschied des Erinnerns an ein Ruling denn an eine nachlesbare Regel.

Und die Transparenz geht in die Richtung, dass die für eine Figur geltenden Regeln wonach das Spiel funktioniert jederzeit für den Betreffenden zur Verfügung stehen können und nicht im einzelnen dann immer wieder erfragt werden müssen.
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Offline YY

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Ah, ok - ich hatte lückenhafte und einfache Regeln nicht gleich gesetzt.

Es gibt ja einerseits komplexe Regelwerke mit Lücken, wo man also ein Ruling setzen muss und andererseits recht einfache Regelwerke, die alles in einige wenige spielmechanische Trichter werfen und damit kaum Lücken haben (und im Extremfall sogar gar keine Lücken haben können, weil die Trichter so große Öffnungen haben, dass alles rein passt). Letztere sind dann ebenfalls konsistent und transparent. Sie liefern nur weniger konkrete bzw. detailreiche Ergebnisse - schwammiger Input, schwammiger Output.
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Offline Sphinx

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Also These 1 stimme ich eindeutig zu. These 2 ist irgendwie so logisch das ich garn nicht wüsste wie man ihr widersprechen soll.
Bei mir ist es eindeutig so, je mehr ich an die Regeln denken muss. Umso weniger mentale Ressourcen hab ich für den Rest übrig.

Es hängt natürlich auch vom Tisch ab. Mein Negativbeispiel ist DSA, eine Runde mit einem Spieler am Tisch der schon ewig DSA Spielt, alle tricks und kniffe inkl. der Regeln kennt. Das hat mich dann als DM auch unter Zugzwang gesetzt irgendwie halbwegs mit den Regeln klar zu kommen. Also hab ich von meinen mentalen Resourcen 80% darauf verwendet mit dem Regelwerk zu kämpfen. Und bei jeder Scene ist im Hinterkopf "Gibt es dafür schon eine Regel die das abhandelt?"

Dazu als vergleich das leichtgewichtigere DnD5e. Die Regeln sind überschaubar, wenn ich irgendwas von meinen Spielern möchte, denke ich mir was aus wie ich näherungsweise hin komme mit den paar Regeln die ich hab. Ich hab mich sogar schon ertappt wie ich dachte "Das ist mir zu Simpel, eine genauere Regel wäre schön" nur um mich selbst zu Ohrfeigen das ich genau das nicht möchte "Sonderregeln für jeden obskuren Fall". Selbst bei einem Regel Ass am Tisch, ist es nicht übermäßig schwer auf dessen "Wissens-Level" zu kommen.

Unabhängig vom Regelwerk. Finde ich macht auch die Welt was aus. Eine sehr gut beschriebene Welt in der man Spielt ist neben dem Regelwerk ein weiterer Punkt der Improvisation stören kann. Entweder man verwendet viel Zeit die Welt zu lernen um darin zu Improvisieren. Oder man muss immer Angst haben, mit der offiziellen Setzung zu kollidieren. Pfeift man direkt auf die Welt und passt sie sich an oder schreibt was eigenes, wird es auch viel einfacher.
Overkill ist dann auch da sowas wie DSA wo man Komplexe Regeln + Komplexe bis ins Detail beschriebene Welt hat. Und klar man kann natürlich immer sagen man Ignoriert die offizielle Welt.

Offline YY

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These 2 ist irgendwie so logisch das ich garn nicht wüsste wie man ihr widersprechen soll.

Einige Ansätze gab es hier bereits:

1. Komplexere Systeme sind mehr Lernaufwand, aber in der Anwendung gibt es keinen (großen) Unterschied, wenn man sie erst richtig drauf hat.

2. Wenn ein komplexeres System der Denkweise des Lesers strukturell eher entgegen kommt, lernt und behält er es leichter als ein schlankes System, das ihm in irgendeiner Form gegen den Strich geht.

3. (Mit Bezug zu These 1) Bei einem zu schlanken System hängt man ggf. irgendwann in der Luft, weil man erst gar keinen Ansatzpunkt für eine Improvisation findet, während ein komplexeres System mehr Vorlagen aus ähnlichen Bereichen bereit stellt und man so besser extrapolieren kann, wie man die Lücke schließen will.
Das ist mMn auch einer der Gründe, warum so viele Spieler nach der absoluten Beginnerphase komplexere Systeme nutzen. 


Klar, es war auch nur eine Tendenzaussage und insgesamt ist das zustimmungsfähig. Aber es ist kein schön linearer Verlauf, sondern hat ein paar Sonderfälle.
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Offline Turning Wheel

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Es gibt auch den Effekt, dass es in komplexeren Regelsystemen mehr Improvisation gibt, weil die Teilnehmer die Regeln nicht vollständig kennen und handwedeln müssen.

Offline YY

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Also in Form einer Abrisskante, wo ab einer gewissen Komplexität wieder mehr improvisiert wird?
Kommt speziell für DSA4 ziemlich gut hin...

Dann hätte die Improvisationsverteilung bei steigender Regelkomplexität die Form einer umgedrehten Glockenkurve :)
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Offline AlucartDante

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Hypothese:
1) Je sicherer eine SL in gegebenen Regelsystem ist, desto leichter und wahrscheinlicher ist ein Improvisieren/flexibles Reagieren auf die Ereignisse am Spieltisch.
2) Schlankere Regelsysteme sind tendenziell leichter zu beherrschen als komplexere ("barocke") Regelwerke.
Ergo: In Runden die komplexere Regelwerke bespielen, gibt es weniger flexible Geschichten am Spieltisch.

Tendenziell richtig, aber das ist nicht der entscheidende Faktor. Gegenbeispiel:
H1: Je sicherer eine SL in gegebenen Regelsystem ist, desto leichter und wahrscheinlicher ist ein Improvisieren/flexibles Reagieren auf die Ereignisse am Spieltisch.
H2: Spielleiter von komplexen Systemen achten stärker darauf, Regeln zu kennen. Beispiel DSA4 oder Shadowrun3 im Vergleich zu Cthulhu.
Ergo: In Runden die komplexere Regelwerke bespielen, gibt es mehr flexible Geschichten am Spieltisch.

Ich hatte neulich die Initiativeregeln in Cthulhu nicht parat. Wäre mir in DSA oder Shadowrun nie passiert. Hat mich beim leiten ins rudern gebracht.

Es gibt auch den Effekt, dass es in komplexeren Regelsystemen mehr Improvisation gibt, weil die Teilnehmer die Regeln nicht vollständig kennen und handwedeln müssen.

Ja manchmal ist es vielleicht auch eher so. Insgesamt mag das alles eine Rolle spielen, aber maßgeblich sind andere Dinge. Ich kenne auch genug SLs die dir Regeln gar nicht kennen und das daher eh nicht so sehr berücksichtigen.

Offline Maarzan

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Sie liefern nur weniger konkrete bzw. detailreiche Ergebnisse - schwammiger Input, schwammiger Output.

Das könnte man dann als Fall von "Geltungsbereich eingeschränkt" sehen.
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Offline Issi

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Geschichten war das Stichwort.
Geschichten haben mMn. sehr wenig mit "Regeln "zu tun. *
Regeln helfen die Fiktion zu untermalen.
Sie sind keine Bedingung damit sich Fiktion aufbaut.
Zumindest mMn.

Hat mMn. nach viel damit zu tun welches Abenteuer man verwendet. Und wie sehr man an einem vorgegebenen Skript hängt.

So ein Skript oder Drehbuch gibt manchen SL Sicherheit -nicht selbst kreativ werden zu müssen.
Ich vermute weil man sich das nicht zutraut,  sondern es eher als Belastung sieht.

Vorbereitung ist auch nicht gleich Vorbereitung.
Lerne ich etwas auswendig, was sich ein anderer Autor ausgedacht hat. Und leite es dann genauso runter?
Oder bereite ich mich auf eine Vielzahl von Möglichkeiten vor, die in der Sitzung passieren können?
Und bin offen, was den Ausgang betrifft?

Gute Regeln helfen mir, mir das, was ich mir spontan vorstelle, im Spiel abzubilden.

Ob sie dick oder dünn sind, ist dabei mMn.  nicht so wichtig.
Gibt es dafür keine Regeln, dann wird eben improvisiert.
Wenn jmd. von Natur aus nicht gerne improvisiert, wird er mit fehlenden Regeln vermutlich eher ein Problem haben.

*
Edit. Wenn es im Vorfeld keine Storyline gibt, und die Regeln die Geschichte bauen... Z. B. durch Zufallstabellen auf die man würfelt etc.,  dann ist das eine andere Sache.


« Letzte Änderung: 25.05.2019 | 09:08 von Issi »

Offline Ravenking

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Geschichten haben mMn. sehr wenig mit "Regeln "zu tun.

Sehe ich ähnlich: mir ist nicht ganz klar, wo der Zusammenhang zwischen Improvisieren und Regelkenntnis herkommen soll.

Klar, wenn es um das Improvisieren von Regeln geht, kann ich das verstehen: wenn ich z.B. Regeln für einen Bardenwettstreit Improvisieren will, weil "mein" System sowas nicht vorsieht, dann kann ich leichter Improvisieren und Regeln erfinden, die konsistent mit dem gespielten System sind, wenn ich das Regelsystem gut beherrsche.

Aber wenn es um das Improvisieren von Plot (also Geschichte und Handlung) geht, wie sollte mir da gute Regelkenntnis helfen?

Hier ist m.E. viel wichtiger, wie ich den Plot vorbereitet und verinnerlicht habe: hab ich nur Schema X im Kopf, mit einem festen Ablauf, kenne ich die Gruppe und ihre Vorlieben und Ideen kaum? Dann wird es vermutlich schwer mit dem Improvisieren.
Habe ich den Plot tief verinnerlicht, kenne alle Figuren, Motive, Möglichkeiten, habe sie vorab durchdacht und skizziert, kenne ich meine Pappenheimer am Spieltisch wie sie auf was reagieren? Dann wird es vermutlich leicher fallen, auf unerwartete Wendungen und völlig neue Ideen einzugehen und trotzdem ein gutes Abenteuer für alle draus zu stricken.

Und letztlich ist das natürlich auch vor allem eine Frage der inneren Bereitschaft der SL sich auf eine neue Richtung des Abenteuers einzulassen und flexibele Ideen wie es weitergehen könnte zu entwickeln. Das ist m.E. zum einen eine Typfrage (manche Menschen sind spontaner und kreativer) und zum anderen eine Frage von Gewohnheit und Erfahrung (Improvisieren kann man üben).



Offline Maarzan

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Sehe ich ähnlich: mir ist nicht ganz klar, wo der Zusammenhang zwischen Improvisieren und Regelkenntnis herkommen soll.
Ich habe oft eher den Eindruck das läuft dann nach dem Schema:
"Ich will jetzt, dass das Spiel an dieser (oder allen ...) Stelle meinen Plotvorstellungen folgt".
Da stört dann natürlich ein detailiertes Regelwerk  oder als bindend angesehenes ausgearbeitetes Setting bei der "flexiblen Improvisation", welches dann immer wieder mal sagt: Ne, das was du da machen willst geht so nicht, denn das ist da und dort anders festgeschrieben.
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Offline Weltengeist

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Es gibt auch den Effekt, dass es in komplexeren Regelsystemen mehr Improvisation gibt, weil die Teilnehmer die Regeln nicht vollständig kennen und handwedeln müssen.

Damit hast du etwas auf den Punkt gebracht, was beim Lesen des Threads am Rand meines Bewusstseins rumgezappelt hat, was ich aber nicht ganz zu fassen bekommen habe.

Immer, wenn ich einen Spielleiter treffe, der von sich behauptet, er habe die Regeln eines einigermaßen komplexen Systems (z.B. DSA4.1, aber auch bei Splittermond) vollständig drauf, erwische ich ihn früher oder später dabei, dass das gar nicht der Fall ist. Er hat das drauf, was er für die Regeln hält, und ergänzt den Rest durch Ego.

Das ist übrigens kein Vorwurf (höchstens an die Selbstüberschätzung), sondern liegt in der Natur komplexer Systeme. So gut wie alle Regelwerke, die ich kenne, enthalten sowohl Lücken als auch Fehler. Nach meiner Erfahrung gilt: Je mehr ein System versucht, wenige Lücken zuzulassen, desto mehr Fehler/Widersprüche enthält es (siehe dazu die entsprechenden Errata-Listen). Man kann also Improvisation gar nicht wirklich durch Wahl des Regelwerks vermeiden - man kann nur beeinflussen, an welchen Stellen man improvisieren muss (nämlich beim Lückenschließen oder beim Umgang mit unklaren Formulierungen und Widersprüchen).

Seltsam finde ich übrigens auch seit jeher, dass Improvisation vom Spielleiter seit jeher an den Stellen geleistet werden muss, wo sie am schwierigsten ist. In Kaufabenteuern wird ja gerade der triviale Kram detailliert vorgegeben ("Hier sollte eine Überreden-Probe mit mindestens 'gutem' Erfolg gelingen..."), während der komplizierte Kram nur kurz angerissen wird (5 SC und 2 Vertrautentiere gegen 10 NSC, darunter ein Schwarzmagier, ein Priester der Finsternis und ein Berserker, das Ganze in unübersichtlichem Gelände - hier sind ein paar Spielwerte und eine Karte, machen Sie mal!). Die Vorstellung, man müsse im Abenteuer nicht improvisieren, wenn man sich an ausführliche Regeln und Kaufabenteuer hält, ist also eigentlich auch nur eine Illusion.
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Offline Ravenking

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"Ich will jetzt, dass das Spiel an dieser (oder allen ...) Stelle meinen Plotvorstellungen folgt".
Da stört dann natürlich ein detailiertes Regelwerk 

Wieso? Das ist genau der Punkt, den ich argumentativ noch nicht verstehe. Wieso ist es das Regelwerk, das an der Stelle stört?

"Ich will jetzt, dass meinen Plotvorstellungen gefolgt wird" ist doch keine Frage der Regeln eines Spielsystems, sondern der Einstellung und Erwartung der SL. Also, was ich mit "innerer Bereitschaft" gemeint habe.

Was das "als bindend angesehene Setting" angeht, kann ich das ggf. noch eher nachvollziehen, dass das beim Improvisieren einschränkt: Aber Setting ist eben nicht Regelwerk - und eben auch nicht Plot!
Klar schränkt mich ein Setting ggf. beim Improvisieren ein, wenn ich es konsistent spielen will: in einer Welt ohne Drachen kann ich nicht auf einmal einen herimprovisieren, wenn ich das Setting nicht umdefinieren will. Aber das hat m.E. doch auch nichts mit flexibelem Improvisieren bei den Handlungen des Abenteuer-Plots zu tun.

Online 1of3

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Sehe ich ähnlich: mir ist nicht ganz klar, wo der Zusammenhang zwischen Improvisieren und Regelkenntnis herkommen soll.

Um Kenntnis ging es im Eingangsbeitrag nicht. Der Hexxer hatte von "Beherrschung" und "Sicherheit" gesprochen. Das ist sehr verschieden. Ich kann eine Regel beherrschen ohne sie kennen und ich kann sie kennen ohne sie zu beherrschen. Also zum Beispiel, ich hab jetzt gesehen, du hast letztes Jahr Monster of the Week gespielt. Da gibts Regeln zur Erstellung von Monstern. Sicherlich gibt es Leute, die konnten schon vorher gute Monster machen. Anders herum mag es Leute geben, die können diese Anleitung zitieren, haben aber trotzdem nicht so ganz begriffen, was das bedeutet.

Offline Sphinx

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Einige Ansätze gab es hier bereits:

1. Komplexere Systeme sind mehr Lernaufwand, aber in der Anwendung gibt es keinen (großen) Unterschied, wenn man sie erst richtig drauf hat.

2. Wenn ein komplexeres System der Denkweise des Lesers strukturell eher entgegen kommt, lernt und behält er es leichter als ein schlankes System, das ihm in irgendeiner Form gegen den Strich geht.

3. (Mit Bezug zu These 1) Bei einem zu schlanken System hängt man ggf. irgendwann in der Luft, weil man erst gar keinen Ansatzpunkt für eine Improvisation findet, während ein komplexeres System mehr Vorlagen aus ähnlichen Bereichen bereit stellt und man so besser extrapolieren kann, wie man die Lücke schließen will.
Das ist mMn auch einer der Gründe, warum so viele Spieler nach der absoluten Beginnerphase komplexere Systeme nutzen. 

Zu 1. Meiner Persönlichen Erfahrung nach kann niemand alle Regeln, selbst bei einfachen Systemen. Klar keine Frage jemand der es ausreichend gut kennt, bzw. Wirklich alles 100% drauf hat wird keinen Unterschied mehr feststellen.

Zu 2. Völlig logisch, da wäre dann aber ehr die Frage wieso man sich mit etwas abgibt das Persönlich gesehen irgendwie doof ist :)

Zu 3. Wichtiger Punkt. Mich nerven zu viele Regeln mittlerweile einfach an, zu wenig Regeln würde ich aber auch nicht wollen. Da kommt für mich immer noch das Spiel im rollenSPIEL her. Sonst würde man einfach was gemeinsam erzählen bzw. Improv Theater im Sitzen betreiben. Das ganze ist für mich irgendwie ein Grund warum DnD gerade so in der Popularität explodiert, sie haben irgendwie den Sweet Spot (Mir fällt kein Deutsches Wort dafür ein) für Regel Komplexität getroffen. Zumindest den Sweet Spot der breiten Masse.

@Letzten paar Beiträge
Ansonsten ging es im Ursprungs post um die Regeln im Bezug auf Improvisation. Es wurde explizit von der Story losgelöst angesprochen. Klar kann man es in Wirklichkeit nicht das eine ohne das Andere betrachten. Hier geht es aber um die These wie die Regeln das Improvisieren beeinflussen.

Beispiel für Improvisieren. Die Spieler entscheiden sich anstelle vom Bergpfad zur Festung des feindes das sie die Bergflanke hochklettern wollen. In einem komplexen System mit ausgereiften Kletterregeln, hat der DM sie entweder parat -> Alles gut. Oder es muss nachschlagen -> Nervig. Wir eine Regel Improvisieren -> Nervt evtl. den Spieler am Tisch dessen Charakter speziell gut im Regeltechnischen klettern wäre. Oder entscheidet sich direkt dazu sich nicht damit rumzuschlagen und sagt "Nein, diese Berge kann man nicht überwinden". In letzterem Fall Tötes es die Improvisation.
Zum vergleich, ein einfaches System in dem es nur Grundwerte gibt. Kein Problem er erzählt wie schwierig das ganze ist und lässt in dessen verlauf 3 Geschicklichkeit und 2 Stärke Proben Würfeln.
Die Gefahr bei letztem ist natürlich das es recht schnell eintönig wird, wenn zu viel vom Spiel über "nur" Grundwerte abgedeckt wird.

Offline Ravenking

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Hm, vielleicht reden wir aneinander vorbei, aber ich gewinne den Eindruck, dass es euch eher um das Improvisieren von Regeln und nicht von Handlung geht?

In Kaufabenteuern wird ja gerade der triviale Kram detailliert vorgegeben ("Hier sollte eine Überreden-Probe mit mindestens 'gutem' Erfolg gelingen..."), während der komplizierte Kram nur kurz angerissen wird (5 SC und 2 Vertrautentiere gegen 10 NSC, darunter ein Schwarzmagier, ein Priester der Finsternis und ein Berserker, das Ganze in unübersichtlichem Gelände - hier sind ein paar Spielwerte und eine Karte, machen Sie mal!).

Hier geht es doch dann eher um Regel-Improvisation? Also wie bilde ich vielleicht die verschiedene Deckung auf dem unübersichtlichen Gelände ab o.ä.? Klar, da spielt das Regelsystem, seine Komplexität und die Beherrschung durch den SL sicher rein.

Da gibts Regeln zur Erstellung von Monstern. Sicherlich gibt es Leute, die konnten schon vorher gute Monster machen. Anders herum mag es Leute geben, die können diese Anleitung zitieren, haben aber trotzdem nicht so ganz begriffen, was das bedeutet.

Auch der Punkt dreht sich m.E. eher um Regel-Improvisation bzw. Erstellen von Gegnern. Ja, klar, da spielt das System, Komplexität usw. natürlich mit rein.

Ich hatte aber eher verstanden, dass es um das Improvisieren von Plots geht.
Also sowas wie: die Spieler haben den Oberschurken jetzt schon in der ersten Szene durchschaut und kalt gestellt. Was mache ich jetzt mit dem Abenteuer als SL? Welche anderen Handlungen können meine NSCs jetzt noch machen, wie reagiert der böse Kult darauf? Was passiert als nächstes.
Das hat für mich erstmal rein gar nichts mit dem Regelsystem zu tun.