Hallo, ich wage mich mal an ein Zwischenfazit, bin kurz vor dem Ende von Akt II, ab hier Spoiler
Pro:
Ich finde das Spiel insgesamt fantastisch, was aber vor allem daran liegt, dass ich weniger ein Computer-Rollenspiel spielen wollte, sollte vielmehr als Fanboy ein Forgotten Realms Computerspiel. Und das ist sehr, sehr gelungen.
Die 5E-Realms werden sehr gut eingefangen, viel Lore in Dialogen eingestreut und insgesamt Rücksicht auf das Setting genommen. Dem Zeitgeist entsprechend ist die Vielzahl und die zahlenmäßig hohe Anzahl verschiedener intelligenter Völker recht hoch, aber diese Entwicklung konnte man ja in den letzten Jahren verfolgen. Eine reine EDO-Fantasy sind die Realms eben nicht mehr. Und: Gith, Tieflinge etc. haben mich noch nie gestört, aber an meinem „Heim“-Tisch sind die Realms eben doch weitgehend von Menschen geprägt, aber das nur am Rande.
Toll finde ich, dass auch einfache Gegenstände (Weine, Verpflegung) einen geografischen Realms-Background erhalten.
Verschiedene Machtgruppen: Zhentarim, Harfner, Druidenzirkel, Söldnerkompanien… Check!
Handel und Handelswege als Lebensader der Realms… Check!
Besonders gelungen die Einbindung und Durchdringung der Realms durch die unterschiedlichen Religionen: Der Konflikt Shar vs. Selune, bzw. Mytrsa/Weave vs Shar/Shadowweave und dazugehörige lore ist perfekt inszeniert, andere Glaubensrichtungen werden passend präsentiert, auch die der Nicht-menschlichen oder monströsen Völker, Jergal ist sogar im Camp, die toten Drei, aber eben auch Lathander, Loviatar etc. – Hier wird meines Erachtens das Quellenmaterial der Realms sehr gut genutzt und an das Medium Computerspiel passend umgesetzt. Das Unterreich sieht fantastisch aus, die Gegner/Monstren werden passend inszeniert und „passen“ auch in ihre Umgebung, bzw. sind dort so eingebettet, dass ihr Vorkommen absolut natürlich wirkt. Ganz anders als die alten Zufallsbegegnungen der GoldBox-Zeiten.
Die Kämpfe sind schön inszeniert, beziehen die Umgebung ein und sind nicht zweidimensional. Sie sind fordernd und erfordern ein Zusammenwirken der verschiedenen Rollen in der Abenteurergruppe.
Die Möglichkeit, Herausforderungen und Quests auf unterschiedlichste Art und Weise lösen zu können, habe ich in dieser Vielfalt noch in keinem Spiel gesehen. Fantastisch.
Contra:
Trotz des Lobs für die Umsetzung der Realms erscheinen mir manche Lokalitäten doch etwas arg überstrapaziert auf „cool“ gemünzt. Insgesamt sehr mit Erdtönen, Düsternis, Schatten etc. überzeichnet – der 2. Akt ist mir da zu düster, aber im Hinblick auf die Hintergrund-Story natürlich sehr passend. Auch der Start mit Nautiloid, Absturzstelle etc. Puh. Schon ein bisschen viel des Guten. Aber Geschmacksache.
Mir sind es viel, viel zu viele magische Gegenstände. Ich verbringe mehr Zeit mit dem Vergleichen von Item-Eigenschaften als mit dem eigentlichen Spiel. Überhaupt ist mir zuviel Zeugs, was überall rumliegt. Ich will nicht den tausendsten Jutesack durchsuchen, nur in der Befürchtung, vielleicht ein Item zu verpassen. Das Durchsuchen von Regalen, Schreibtischen, Kisten, Truhen und Fässern ist für jemanden wie mich, der Spiele eher als „Entdecker/Erforscher“ spielt, echt nervig. Too much. Auch die Organisation der Items im Inventorium bedarf einiger Eingewöhnung.
Das Hoch-Leveln geht mir zu schnell. Ein Level-Up sollte ein Belohnungsgefühl sein und auch das Spielgefühl maßgeblich beeinflussen. Man hat nur ganz wenige Begegnungen, um sich mit den neu hinzugewonnenen Fähigkeiten der Truppe anzufreunden und einzugewöhnen, da kommt schon das neue dazu. Mir insgesamt etwas zu schnell.
Auch unschön finde ich die vielen situativen Boni, die teilweise über das Regelwerk hinausgehen und mir erscheinen, als würden diese nur der Coolness wegen eingebaut. (Lightning Charges, Momentum, Encrusted with frost etc.)
Alles in allem ein unglaublich packendes, tiefes Spielgefühl, bisher jedenfalls.