Manchmal frag ich mich wirklich woher die fast schon suchtartige Abhängigkeit nach Sicherheit, Klarheit und Befriedigung bei uns Menschen kommt. Das Leben besteht aus vielen Unklarheiten und nicht alle lassen sich auflösen. Man kann lernen Ambiguitäten als solche anzuerkennen (das schafft auf ne gesunde Art Klarheit) und mit ihnen umzugehen. [...]
Hier wird nicht so getan als wäre der Zweifel oder das Nachfragen unangebracht. Nur: Über die Faktenlage kann man sich informieren. Ebenso kann man sich über Insolvenzgründe, Prozesse von kleinen Verlagen, Geschäften, ... informieren. Man darf auch sauer, wütend und frustiert sein und das äußern. Eine Misstrauens-Hermeneutik, die aus emotionaler Betroffenheit und Halbwahrheiten besteht, verlässt dann jedoch den Rahmen von Fairness. Oder: Ich find die Kompexitäts-Reduktion und Vereinseitigung des Blickwinkels nicht OK.
Naja, die Heftigkeit und Deutlichkeit, mit der hier von vielen auf kritische Nachfragen reagiert wird, auch wenn diese - wie ich fand - bisher eigentlich von allen Fragenden sachlich formuliert waren, lässt schon den Eindruck aufkommen, dass jegliches Nachfragen als unangebrachte Reaktion angesehen wird und die Meinung vorherrscht, dass man doch darauf warten solle, dass der Verlag von sich aus Informationen liefere.
Deinen Vorschlag, sich zu informieren, halte ich für sehr sinnvoll, aber genau diesem Zweck dienen doch die diversen Nachfragen. Ob dieses Forum dafür der optimale Ort ist, darüber mag man geteilter Meinung sein, aber da Repräsentanten des Verlags (und insbesondere Silent Pat selbst) hier immer wieder - und, wie es scheint, auch gerne - Rede und Antwort zu allen möglichen Fragen stehen, die Uhrwerk betreffen, finde ich es legitim, entsprechende Fragen auch hier zu stellen.
Ich bin mir nicht ganz sicher, was du mit "Misstrauens-Hermeneutik" meinst (musste den Begriff Hermeneutik erst einmal nachschlagen), aber ebenso wie es sicher nicht richtig ist, hinter jeder Äußerung (oder dem Fehlen einer solchen) eine böse Absicht zu vermuten, sollte man auch nicht aus positiven Erfahrungen in der Vergangenheit vermuten, dass derzeit alles korrekt läuft.
Für mich stellt es sich eben numal so dar: Ich habe dem Verlag Geld gegeben zur Durchführung eines Projekts. Mit der erfolgreichen Finanzierung des Projektes ist der Verlag auch mir gegenüber eine Verpflichtung eingegangen, das bestellte Produkt so wie angekündigt zu liefern. Und das schließt auch Zusicherungen bzgl. Lieferzeitpunkt, Exklusivität von Inhalten usw. ein. Wenn abzusehen ist, dass diese Zusicherungen nicht eingehalten werden (der Verlag also böse gesagt "vertragsbrüchig" wird), dann kann ich zumindest erwarten, dass man mir gegenüber erklärt, warum die ursprünglichen Zusicherungen eben nicht eingehalten werden, und sich ggf. dafür entschuldigt. Das sehe ich bei Crowdfundings genau so wie bei jedem anderen Vertrag und es ist traurig genug, dass Verzögerungen und andere "Schlechtleistungen" in diesem Bereich mittlerweile so selbstverständlich geworden sind, dass viele nur noch die Augen rollen, wenn sich jemand darüber beschwert. Und dass es um kleine (manchmal sogar Ein-Mann) Unternehmen im Rollenspielbereich geht, ändert meines Erachtens hieran gar nichts. Auch ein Kleinverlag muss sich, bevor ein ein solches Projekt anbietet, überlegen, ob er die versprochenen Leistungen erbringen kann. Natürlich kann in einem kleinen Unternehmen mehr dazwischen kommen, was eine ordnungsgemäße Erfüllung verhindert (so legt die Krankheit einer einzelnen Person vielleicht das ganze Unternehmen lahm), aber das sollte man bei sorgältigem Vorgehen eben auch bei der Vorbereitung eines Crowdfunding-Projektes berücksichtigen. Ansonsten sollte man fairerweise solche Projekte nicht anbieten oder entsprechend modifizieren. Als positives Beispiel möchte ich hier System Matters anführen, die trotz der geringen Größe des Unternehmens bisher all ihre Zusagen einhalten konnten (wenn ich mich nicht irre).
Bei einem Crowdfunding liegen sämliche Vorteile auf Seiten des Verlages: Er muss sein Produkt nicht selbst vorfinanzieren, kann ausloten, ob überhaupt ein ausreichendes Interesse besteht, und erhält eine wertvolle Werbeplattform. Diese Vorteile erkauft er sich allerdings durch erhöhte Pflichten gegenüber den Unterstützern. Und dazu gehören gerade auch Informationspflichten.
Ich finde das nicht unfair.
Und bevor wieder jemand sagt, ich solle mich doch bitte nicht so aufregen, die ganze Insolvenz von Uhrwerk sei doch für mich als Unterstützer der Verlagsprodukte gar nicht so schlimm, denn es laufe doch alles wie geplant, möchte ich noch darstellen, dass das eben nicht so ist. Ich beziehe mich hier nur auf die Crowdfunding-Projekte, die mich selbst betreffen:
Die Verbotenen Lande wird ja voraussichtlich diese Woche an die Unterstützer verschickt werden. Dann wäre ja - wenn ich mich nicht irre - der Liefertermin, der usprünglich zugesichert worden war, noch eingehalten. Ich kann das jetzt gar nicht mehr nachverfolgen, was ursprünglich angekündigt worden war, weil diese Information bei Gamontabletop nicht mehr abrufbar ist. Ich gehe auch davon aus, dass alle Materialien enthalten sein werden und diese auch (wie immer bei Uhrwerk) die angekündigte Qualität haben werden.
Dann ist ja eigentlich alles gut. Bliebe nur das Problem mit dem freien Verkauf der Produkte auf der SPIEL vor der Auslieferung an die Unterstützer. Ich habe jetzt nochmal die Kampagne und die Updates (quer)gelesen und muss feststellen, dass ich nirgendwo die ausdrückliche Zusage gefunden habe, dass der freie Verkaufs jedenfalls nicht vor Auslieferung an die Unterstützer beginnt. Allerdings denke ich, dass man das grundsätzlich eigentlich bei jedem Crowdfunding-Projekt annehmen darf. Und bei Uhrwerk sieht man das wohl auch so. Patric hat ja in dem letzten Update der Gameontabletop-Kampagne ausrücklich gesagt, dass man eine spätere Lieferung an Unterstützer vermeiden will.
Roll Inclusive erwähne ich auch mal, auch wenn das eigentlich ein Projekt von Feder und Schwert war. Aber auch wenn beide Verlage wohl rechtlich unabhängige Unternehmen sind, sind sie ja personell und fananziell offensichtlich so eng verzahnt, dass die Insolvenz des einen auch das andere betrifft.
Hier wird es - wegen der Insolvenz - mehrere Stretch Goals nicht geben, die im Rahmen der Finanzierung erreicht worden waren. Auch wenn dies nicht ausdrücklich so kommuniziert worden ist (eigentlich ist außer "Insolvenz" gar kein Grund hierfür angegeben worden), gehe ich davon aus, dass kein Geld für die Honorare freischaffender Auoren oder notwendige redaktionelle Arbeit mehr da war. Das ist aber natürlich Spekulation meinerseits.
Record of Dragon War ist derzeit mein größtes Sorgenkind - na klar, bei den anderen Projekten ist die Auslieferung ja auch schon angekündigt bzw. erfolgt.
Natürlich ist es schön, dass sich jetzt mit KAZÉ/VIZ Media ein neuer Verlag gefunden hat, der das Projekt fortführen will. Für diejenigen, die hier Geld gezahlt haben, um einen kleinen Verlag wie Uhrwerk zu unterstützen (und da scheint es ja den Kommentaren hier zufolge wohl einige zu geben), ist das zunächst mal ein Schlag ins Kontor, da VIZ Media eine Tochter von WarnerMedia ist. Gut, das bettrifft mich nicht, denn - wie ich ja auch schon erklärt habe - ich unterstütze Crowdfundings, um die entsprechenden Produkte zu bekommen.
Allerdings handelt es sich hier um einen Verlag, der keinerlei Erfahrung im Rollenspielbereich hat und der, wenn ich die Ankündigung richtig verstanden habe, seine Rollenspielsparte mehr oder weniger als "Ein-Mann-Abteilung" betreiben will. Ich kann da aber durchaus etwas falsch verstanden habe und lasse mich hier gerne eines besseren belehren. Immerhin ist der Chef der Abteilung Dirk Remmecke selbst, dessen Baby RoDW ist und der dieses im Rahmen seiner Möglichkeiten sicherlich intern pushen wird. Aber zum einen bin ich mir nicht sicher ob ich jetzt gegen KAZÉ/VIZ Media dieselben Ansprüche habe wie gegen meinen eigentlichen Vertragspartner Uhrwerk (und wie es überhaupt rechtlich möglich ist, dass ein anderes Unternehmen das Projekt übernimmt, so glücklich ich persönlich auch darüber sein mag). Und zum anderen kann ich nicht absehen, ob man sich beim neuen Verlag dazu verpflichtet und/oder in der Lage sieht, die Zusagen, die bei kickstarter gemacht wurden, auch einzuhalten. Zu vermuten, dass hier nicht alles so laufen wird wie geplant, mag man als Pessimismus und übertriebenes Genörgel ansehen. Ich bin jedoch weiterhin der Auffassung, dass aufgrund der (für alle Beteiligten) unglücklichen Insolvenzen bei Uhrwerk hier eine gewisse Skepsis angebracht ist.
Damit keine Spekulationen zu meiner Motivation aufkommen, will ich das ganz ehrlich sagen: Mir geht es hier (vor allem) um Geld. Um mein Geld nämlich. Ich habe Uhrwerk/Feder und Schwert Geld gezahlt und ich erwarte, dass ich dafür auch die versprochene Leistung erhalte.
Das scheint ja der eine oder andere hier verwerflich zu finden, für mich ist das ganz normal. Das erwarte ich von jedem, bei dem ich Waren bestelle. Natürlich habe ich Verständnis dafür, dass die Insolvenz bei Uhrwerk alles ziemlich durcheinander wirft und ich sehe auch, dass man sich dort bemüht, zu retten was zu retten ist. Das finde ich übrigens ganz großartig. Und natürlich tun mir ganz besonders die Angestellten Leid, die jetzt ihre Jobs verloren haben, obwohl sie für die Insolvenz ihres Arbeitgebers nicht verantwortlich sind. Da ich aber ja nicht weiß, was der Hintergrund dieser Insolvenz ist, halte ich mich mit Sympathie für die Verantwortlichen noch zurück. Vielleicht habe ich diesbezüglich tatsächlich keinen Anspruch auf Auskunft, aber solange ich vermuten kann, dass das ganze Geld in Superschurkenstützpunkte geflossen ist oder die Millionen, die man mit Rollenspielprodukten verdienen kann, komplett mit Koks und Nutten durchgebracht wurden (so wie ich es machen würde - aber nicht meiner Frau erzählen), bin ich da noch ambivalent.