Wie böse darf das Böse (für mich) sein?
Die allgemeine, diplomatische Antwort: Nicht schlimmer als nötig.
Ich bin kein Freund von "sinnloser" Gewalt. Mit Blut und Gedärm um sich schmeißen, schockiert mich auf der einen Seite nicht wirklich; und andererseits: nur um des Effektes wegen, langweilt es mich eher. Walking Dead ist IMHO ein gutes Beispiel wie schnell sich das abnutzen kann (letztlich eine Soap-Opera mit Zombies und der Zombie Teil war langweilig).
Um Horror-Atmosphäre zu erzeugen reicht mir die Gewalt auch andeutungsweise. Das Explizite steigert mein Erlebnis da wenig. Wenn man beispielsweise beschreibt, dass ein Dorf wie im Krieg geplündert worden ist und die Bewohner massiven körperlichen Schaden davon getragen haben und die Leichen geschändet worden sind, reicht mir das als "Info" so aus. Da hilft es nicht, anatomisch präzise die Lage jeder einzelnen Innerei zu beschreiben - das gruselt mich nicht noch zusätzlich.
Mögliche Fragen: Was geht für euch in anderen Medien, was im Rollenspiel gar nicht geht?
Da gibt's keine Unterschiede. Warum sollte ich mir im Film plastische Gewaltdarstellung antun/versagen und im Rollenspiel doch (nicht).
Wo liegen eure persönlichen Schmerzgrenzen im Rollenspiel?
* Wie oben beschrieben: sinnlose Gewalt(darstellung): e.g. Folter. Man kann beschreiben, dass jemand eindeutige Merkmale von Folter aufweist, ohne in's Detail gehen zu müssen.
* Darüberhinaus: Sämtliche explizite / "ausgespielte" Darstellungen, die dazu dienen die Entwürdigung und Entmenschlichung der Opfer darzustellen: ingame "Rassismus", "Sexismus" o.ä.
"Authentizität" ist für mich kein Kriterum und von meiner Warte aus nur ein Deckmantel für Sonstiges.
* Unnötige Gewalt gegen meine Spielerfigur, die mich ohne mein Zutun meiner Autonomie beraubt: Bestes Beispiel aus dem Pen&Podcast - Abenteuer geht los und mein SC ist vergiftet.
Oder: Jemand kontrolliert meine Figur und ich werde zum NSC degradiert.
Wenn Gewalt gegen meine Figur aufgrund der Interaktion mit der Welt entstanden ist, ist das vollkommen okay. »Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um«
Gab es schon mal Situationen, wo ihr sie überschritten fanded ?
Nope. Aber ich würde mich lautstark melden.
Zu Simulation :Wie nah an der Realität darf das Böse in der Fiktion sein?
"Simulation" wäre kein Begriff, der bei dem, was ich bisher geschrieben habe, vorkommt.
Da gibt es nichts, was man "simulieren" könnte. Man kann aus Gründen der Dramaturgie Situationen skizzieren, aber man muss ja kein Reenactment draus machen.
Wenn man beispielsweise gegen einen untoten Barbaren kämpft, der einem eventuell Gliedmaßen abtrennt, ist es vollkommen ausreichend, mich über den Umstand in Kenntnis zu setzen.
Den Gore-Teil kann ich mir schenken.
Oder: Warum ist das Böse im Rollenspiel oft nicht ganz so böse wie im echten Leben?
Weil sich das spielerisch interessante "Böse" aufgrund der Dramaturgie ergibt. Oftmals ergibt sich im realen Leben eine Verquickung von Bösartigkeit und Grausamkeit, die vollkommen undramatisch ist. Wenn ich mir eine Schrotfline schnappe und in der Innenstadt 10 Passanten willkürlich erschieße ist das böse und grausam - aber dramaturgisch vollkommen uninteressant.
Das interessante ist eigentlich nicht die böse Handlung selbst, sondern der Handelnde und das, was möglicherweise geschehen kann.
Und da reicht es aus, mit wenigen Pinselstrichen grob zu umreissen, auch wenn es verglichen mit dem realen Leben auf den ersten Blick als "harmlos" erscheint.
Macht es einen Unterschied ob man über den SC etwas Böses innerhalb der Fiktion erfährt statt über einen NSC ?
Über meinen SC kann ich nichts "böses erfahren", was ich nicht selbst weiß.
Und von/für alle anderen gelten obige Spielregeln, was dazu führt, dass es keinen Unterschied für mich macht.