Autor Thema: Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel  (Gelesen 41585 mal)

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Offline schneeland

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Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel
« am: 17.06.2019 | 12:39 »
Ausgehend von DerTods Anregung im Thread zum UK Games Expo-Vorall mache ich hier mal ein neues Thema auf, das sich explizit mit Sicherheitstechniken wie der X-Card beschäftigen soll. Mein Wissen in diesem Bereich ist eher spärlich ausgeprägt und, wie sich in der zuvor genannten Diskussion herausstellte, war selbst mein Verständnis der X-Card fehlerhaft, daher würde ich zunächst mal begrüßen, wenn jemand mit Ahnung vielleicht mal was zu den verschiedenen Alternativen, die derzeit verwendet oder diskutiert werden, sagen könnte.

Edit:
Auf Seite 12 habe ich versucht, die Ergebnisse der Diskussion einmal zusammenzufassen. Der Einfachheit halber der Text auch hier auf Seite 1:

Allgemeines
Als Sicherheitstechniken werden Strategien und Werkzeuge bezeichnet, die im Rollenspiel einerseits dazu dienen sollen, dass Gruppenmitglieder mit Erfahrungen konfrontiert werden, die ihre persönlichen Grenzen überschreiten, bzw. im Falle des Auftretens entsprechender Situationen im Spiel zeitnah geeignet zu reagieren, andererseits das Spiel in eine Richtung zu steuern, die von allen Beteiligten als angenehm empfunden wird. Der englische Begriff "Support Tools" ist hier insofern etwas passender als er nicht rein auf den Sicherheitsaspekt fokussiert. Der Begriff Gruppenmitglieder schließt in diesem Kontext Spieler und Spielleiter (jedweden Geschlechts) ein.

Ein prominentes Beispiel für ein Support Tool ist die X-Card. Weitere Techniken werden in der Support Tools Compiliaton beschrieben. Beispiele sind hier etwa die CATS-Technik (Concept-Aim-Tone-Subject Matter, auf deutsch vielleicht: Konzept-Ziel-Stimmung-Themen/Inhalte), Lines and Veils (Grenzen und Ausblendungen) oder Script Change (welche Bausteine wie Pause, Weiter, Rückspulen, Vorspulen, etc. enthält). Eine deutsche Übersetzung der genannten Techniken gibt es auf der Seite von Tina Trillitzsch.

Weitere Techniken, für die derzeit keine deutsche Beschreibung vorliegt sind die O-Card - ein Gegenstück zur X-Card, das signalisiert, das das Gruppenmitglied sich eine Intensivierung der Themen der aktuellen Szene wünscht - und die Ampel (Stoplight System), die über die O-Card insofern hinausgeht, als sie die üblichen Ampelfarben auf den Wunsch nach Veränderung der Intensität der Szene abbildet (grün = kann intensiviert werden, gelb = Intensität gerade richtig, rot = zu intensiv, sollte zurückgefahren werden). Die Ampel wird ausführlicher auch in der Edition V5 des Vampire Regelwerkes beschrieben:
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)


Anmerkungen

Bei der Lektüre der auf den oben genannten Seiten beschriebenen Techniken scheint, meinem Empfinden nach, oft ein Modell verteilter Autorenschaft aus wie es sich häufig in Erzählspielen und erzählerischen Rollenspielen (u.a. aus dem Forge-Umfeld) wiederfindet. Zwar wird letztlich auch beim klassischen Rollenspiel gemeinsam eine Geschichte erzählt, aber hier entstehen potentiell Konflikte, weil Sicherheitstechniken mit der etablierten Rollenverteilung in Konflikt stehen können.
Weiterhin scheint die Grundannahme durch, dass Rollenspiel auch schwierige Inhalte verhandeln soll (also beispielsweise Sexualität, intensive emotionale Beziehungen, verschiedene Formen von Gewalt und Horror) - der typische Fantasy-Dungeon Crawl ist hier sicher weniger betroffen als ein System, das explizit Horrorelemente beinhaltet
Die genannten Techniken zielen zwar nicht nur auf das Spiel mit Unbekannten, in der langjährigen Privatrunde sind aber sicher einige Dinge auch über eingespielte Konventionen zu regeln und bedürfen weniger expliziter Regelung als das Spiel auf einer Convention oder mit neuen Gruppenmitgliedern. Vorsicht ist aber insofern geboten als nicht ausgesprochene Konventionen auch nur Scheinüberstimmungen sein können (gerade vor dem Hintergrund einer stärker diversifizierten Spielerschaft).
Im Hinblick auf Sicherheitstechniken und Heimrunden ist zudem anzumerken, dass sich hier vielfach die Praxis einer Sitzung 0 etabliert hat, in der Erwartungen an der Spiel abgeglichen sowie ggf. Rahmenbedingungen für die Spielwelt oder die gespielten Charaktere festgelegt werden. Es findet also eine Konsensbildung (oder, im schlechteren Falle, die Offenlegung von Dissens) statt, ohne dass notwendigerweise bewusst auf Sicherheitstechniken zurückgegriffen wird.


Die X-Card
Dabei handelt es sich um eine Karte mit einem X, die von einem Gruppenmitglied verwendet werden kann, um (bspw. durch Antippen oder Hochhalten) zu signalisieren, dass ihn das Geschehen in der Fiktion belastet und er um Entfernung bzw. Ersetzung desselben bittet (es sei hier kurz noch einmal festgehalten, dass die X-Card sowohl von Spielern als auch von Spielleitern verwendet werden kann). Die Beschreibung der X-Card betont dabei, dass seitens des Auslösers der X-Card keine Erklärungsnotwendigkeit besteht - bei wohlwollender Lesart der Erläuterungen zur X-Card ergibt sich hier, dass eine Klarstellung der Inhalts als ggf. notwendig akzeptiert wird, der Auslöser aber darüber hinaus explizit nicht verpflichtet ist, Auskunft über die Gründe seiner Ablehnung oder die Herkunft derselben zu geben.

Aus der Beschreibung lässt sich ebenfalls ableiten, dass der Autor von einem häufigen, niederschwelligen Einsatz der X-Card ausgeht. Es erfolgt u.a. der Hinweis, dass eine häufige Nutzung intendiert sei, um einerseits sicherzustellen, dass die X-Card im Zweifelsfall auch zum Einsatz kommt, andererseits das Spiel generell in eine Richtung gelenkt wird, die unangenehme, aber nicht zwingend traumatische Situationen vermeidet.

Anmerkungen

Die vergleichsweise hohe Prominenz der X-Card innerhalb der Support Tools verleitet zur Annahme, dass sie als alleinstehendes Werkzeug eingesetzt werden sollte. Dies ist laut den Autoren nicht der Fall - stattdessen solle die X-Card als Ergänzung zur vorherigen Absprachen betrachtet werden.
Die Dokumentation der X-Card postuliert, dass durch den Einsatz der X-Card das Spielerlebnis für alle Gruppenmitglieder verbessert werde. Eventuelle Immersionsbrüche oder Konflikte werden eher spärlich diskutiert.
Ebenfalls nicht dokumentiert werden bei der Liste der unerwünschten Inhalte solche, die als weniger opportun gelten dürften (bspw: ein Spieler wünscht sich keine Konfrontation mit Homosexualität).

Die Diskussion hier

Die Diskussion hier beschäftigte sich vor allem mit der X-Card und ihrem Einsatz.

Kontroverse Punkte waren:
Das uneingeschränkte Autorenrecht bzw. Vetorecht durch die X-Card

Die X-Card ermöglicht Spieler wie Spielleiter ein uneingeschränktes Veto in den Erzählprozess eines anderen Gruppenteilnehmers.
Von Befürwortern der X-Card wurde an dieser Stelle betont, dass dies unerlässlich ist, um einem Betroffenen zu ersparen, sich für sein eigenes Unwohlsein bzw. die Berührung eines Traumas rechtfertigen zu müssen.
Kritiker der X-Card lehnen ein solch unbeschränktes Autorenrecht entweder vollständig ab, oder stellen in Frage, ob die Kollateralschäden durch die Nutzung der X-Card nicht zu hoch seien.
Speziell genannt wurden:
  • Das durch die X-Card etablierte "Super-Erzählrecht" überschreibt insbesondere auch die Hoheit des Spielleiters über die Erzählung und die Hoheit eines Spielers über seinen Charakter - es kann also zu Konflikten mit der etablierten Rollenverteilung im klassischen Rollenspiel kommen.
  • Wenn bestimmte Elemente aus einer Erzählung entfernt werden, trifft diese möglicherweise nicht mehr den gleichen Ton - dies könnte zu einem weniger immersiven Spiel führen
  • Es besteht die Befürchtung, dass Spieler durch den Hebel der X-Card dafür sorgen, dass sich das Spiel auf einem kleinsten gemeinsamen Nenner einpendelt (wenn drei Spieler sich gern vor Spinnen gruseln wollen, der vierte aber unter Arachnophobie leidet)
Es wurde zudem festgestellt, dass die X-Card wenig Unterstützung bei der Frage bietet, wie der Spielfluss wieder in Gang gebracht werden soll, nachdem er durch die X-Card unterbrochen wird.

Die X-Card und Problemspieler

Anknüpfend an den vorigen Punkt wurde die Befürchtung geäußert, dass allein das Vorhandensein eines solchen Hebels (d.h. des unbeschränkten Vetorechts) zur Beeinflussung der Erzählung dieser auch verstärkt genutzt wird, und dass insbesondere "Problemspieler" durch die X-Card das Spiel stärker torpedieren können.
Von Befürwortern der X-Card, insbesondere jenen, welche die X-Card auch bereits praktisch eingesetzt haben, wurde allerdings angeführt, dass sich eine Torpedierung oder übermäßige Ausnutzung der X-Card in der Praxis nicht beobachten lässt. Zudem weisen sowohl die Autoren der X-Card als auch einige Diskussionsteilnehmer darauf hin, dass die X-Card nicht als Mittel zur Lösungen sämtlicher zwischenmenschlicher Probleme im Rollenspiel konzipiert ist. Der Umgang mit Problemspielern bleibt also jenseits der X-Card weiter Aufgabe der Gruppe.

Die Angemessenheit der X-Card im Vergleich zur Stopp-/Pause-Karte

Ebenfalls im Zusammenhang mit dem Autorenrecht durch die X-Card kam die Frage auf, welchen Mehrwert diese gegenüber anderen Techniken, wie der Stopp-/Pause-Karte mit anschließender Diskussion bietet.
Von Befürwortern der X-Card wurde hier angebracht, dass ein zentraler Punkt der X-Card gerade ist, dass Gruppenmitglieder nicht unter Rechtfertigungsdruck stehen. Kritiker wenden hier ein, dass Rollenspiel als kommunikatives Spiel ohnehin auf Austausch angewiesen wäre, und diese Situationen keine Ausnahme darstelle.

Die Nutzung der X-Card und anderer Techniken nicht nur zur Vermeidung tatsächlich traumatischer, sondern bereits "nur unangenehmer" Themen

Die hybride Natur der X-Card sorgte insbesondere bzgl. der Frage, wann sie zum Einsatz kommen soll, für kontroverse Diskussionen. Auch hier konnte letztlich keine Einigkeit erzielt werden. Generell bejaht wurde ein Einsatz von Sicherheitstechniken, allerdings nicht zwingend der X-Card, zur Vermeidung oder Behandlung traumatischer Situationen. Während einige Teilnehmer einen Einsatz von Support Tools zur Vermeidung "nur unangenehmer" Themen (wie bspw. ein rauchender NSC in einem Spiel, in dem eines der Gruppenmitglieder gerade versucht, mit dem Rauchen aufzuhören) als deutlich überzogen betrachten, weisen andere darauf hin, dass der Grad des Unwohlseins von außen schwer einschätzbar ist und eine umfängliche Diskussion, ob ein Thema "hinreichend kritisch" ist gerade dem Zweck des Schutzes zuwiderläuft.

Der Mehrwehrt der X-Card nach Nutzung weiterer Techniken

Schließlich wurde auch die Frage nach dem Mehrwert der X-Card gestellt, wenn zuvor andere Techniken wie bspw. die Klärung der Erwartungen (z.B. durch CATS) oder das Feststecken von Grenzen und Ausblendungen bereits zum Einsatz kamen. Diese wurde - analog zum vorigen Punkt - wahlweise mit sehr schmaler Nützlichkeit, die insbesondere über die Nutzung der Stopp-Karte nicht signifikant hinausgeht, oder mit hinreichender Nützlichkeit zum Auffangen von zuvor nicht-besprochenen Situationen beantwortet.

X-Card - Sicherheitstechnik oder Spielgestaltungswerkzeug

Der niederschwellige Einsatz, der von den Autoren der X-Card für deren Einsatz vorgesehen wird, wirft die Frage auf, ob es sich bei selbiger um eine reine Sicherheitstechnik handelt, oder ob sie hybriden Charakter besitzt und auch als Spielgestaltungswerkzeugs betrachtet werden kann. Die Beantwortung dieser Frage scheint einerseits schwerpunktmäßig davon abzuhängen, wie weit man den Sicherheitsbegriff fassen möchte, andererseits abhängig davon, welche Charakter ein Spieldesigner, der die X-Card als Technik mit einbezieht, dieser geben möchte (als Beispiel wurde das Spiel "For the Queen" angeführt, in welchem die X-Card spielgestaltenden Charakter hat).
Es lässt sich jedoch vorläufig festhalten, dass der spielgestaltende Charakter im allgemeinen bei anderen Techniken, wie bspw. der O-Card oder Ampel, stärker ausgeprägt ist.


X-Card und Spielstil

Unklar ist im Moment noch ein Zusammenhang zwischen Position zur X-Card und dem eigenen Spielstil. Die Vermutung, dass die X-Card vor allem von Spielern, die ein Modell verteilter Autorenschaft bevorzugen, befürwortet werden, lässt sich durch den aktuellen Diskussionsstand nicht bestätigen. Es deutet sich lediglich an, dass im Bereich des klassischen Rollenspiels etwas mehr Vorbehalte bestehen, insbesondere wenn es um Stimmungsspiel wie Horrorszenarien geht.
« Letzte Änderung: 20.06.2019 | 14:45 von schneeland »
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Offline Maarzan

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Re: Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel
« Antwort #1 am: 17.06.2019 | 13:02 »
Der erste Schritt gegen überraschenden Ärger allgemein wäre eine möglichst aussagekräftige Spielbeschreibung.
Was dabei dann vermutlich helfen würde, wären Infos oder gar eine Checkliste zu den üblichsten Problemzonen.

Bezgl. X-Card. Da müsste erst einmal der genaue Umfang/Anwendungsprozess beschrieben werden und ggf. Unterbezeichnungen gefunden werden, da da wohl deutlich unterschiedliche Fälle/Schärfen von im Umlauf sind.
« Letzte Änderung: 17.06.2019 | 13:04 von Maarzan »
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline Selganor [n/a]

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Re: Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel
« Antwort #2 am: 17.06.2019 | 13:19 »
Die "offizielle" X-Card findet sich unter http://tinyurl.com/x-card-rpg inklusive ausfuehrlichen Beschreibungen, Hinweisen, ...

Es empfiehlt sich daher wohl erstmal das zu lesen ehe man glaubt was ueber die X-Card zu wissen und auf Hoerensagen dann zu antworten. ;) (Da sind uebrigens auch Links zu anderen Elementen wie der O-Card drin)
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snoopie

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Re: Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel
« Antwort #3 am: 17.06.2019 | 13:31 »
Die "offizielle" X-Card findet sich unter http://tinyurl.com/x-card-rpg inklusive ausfuehrlichen Beschreibungen, Hinweisen, ...
Es empfiehlt sich daher wohl erstmal das zu lesen ehe man glaubt was ueber die X-Card zu wissen und auf Hoerensagen dann zu antworten. ;) (Da sind uebrigens auch Links zu anderen Elementen wie der O-Card drin)

Immer toll, wenn sich ein paar der Kenner in die Forendiskussionen einschalten. Das macht zwar 90% der Gespräche überflüssig, aber man kommt schneller ans Ziel.

Offline Issi

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Re: Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel
« Antwort #4 am: 17.06.2019 | 13:47 »
Es macht einen Unterschied, wie ich was spiele.
Wenn der SL z. B. ein Werwolf Abenteuer vorbereitet hat,  kann ein SPL nicht einfach sagen: Streicht Wölfe.
Generell kommt es darauf an, wie man überhaupt leitet.
Spieler sind wichtiger, als das Spiel,  stimmt zwar,  aber ich würde mal behaupten, dass die X Card, so wie sie beschrieben ist, nicht für jede Art zu leiten taugt.
Das passt sicher am Besten für SL die keine konkrete Story vorbereitet haben, und ihre Pläne deshalb auch jederzeit umschmeißen können.

Einem SL mit Kaufabenteuer X würde ich eine etwas sanftere Handhabung empfehlen.
Wenn bestimmte Spielinhalte nicht gestrichen werden können, (warum auch immer), müssen evtl.  andere Lösungsmöglichkeiten gefunden werden dürfen.

Was mir grundsätzlich nicht gefällt, ist das: Hilft gegen alles. Funktioniert sicher-Gefühl beim Lesen.
Hat was von Werbung.

(Nur mein Eindruck)
« Letzte Änderung: 17.06.2019 | 14:03 von Issi »

snoopie

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Re: Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel
« Antwort #5 am: 17.06.2019 | 14:05 »
Einem SL mit Kaufabenteuer X würde ich eine etwas sanftere Handhabung empfehlen.
Wenn bestimmte Spielinhalte nicht gestrichen werden können, warum auch immer. Müssen evtl.  andere Lösungsmöglichkeiten gefunden werden dürfen.

Die X-Card ist für groteske Con-Szenarios gedacht wie das im Nebenthread. Dinge, die man normalerweise keinem Durchschnittsspieler antut.
In deinen Kaufabenteuern findet sich sowas gar nicht, weil die sonst nicht verkauft werden dürften und sowieso für den Mainstreamgeschmack geschrieben sind.

Offline Issi

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Re: Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel
« Antwort #6 am: 17.06.2019 | 14:12 »
Die X-Card ist für groteske Con-Szenarios gedacht wie das im Nebenthread. Dinge, die man normalerweise keinem Durchschnittsspieler antut.
In deinen Kaufabenteuern findet sich sowas gar nicht, weil die sonst nicht verkauft werden dürften und sowieso für den Mainstreamgeschmack geschrieben sind.
Geschenkt.
Dennoch kann sich ja ein SL sein groteskes Abenteuer selbst geschrieben haben...
Mit Story Line und so.
Der ist ja dann ggf. auch aufgeschmissen.

Offline unicum

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Re: Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel
« Antwort #7 am: 17.06.2019 | 14:12 »
Ich könnte auch einfach einen Vertrag aufsetzen, juristisch abgesichert durch einen Rechtsanwalt.
Der könnte dann auch bei dem Rollenspiel dabei sitzen (gibt es sicher schon für 200€,... die Stunde).
Einvernehmlich steht dann auch eine Alexa auf dem tisch (oder ein vergleichbares Produkt von Appel Googel oder Huawei) welche alles überwacht (und aufzeichnet und an verschiedene Behörden oder Private Dienstanbieter weiterleitet.) in einigen Jahren kann das Gerät auch sicherlich jeglichen unangemessenen Content Auspiepsen.

Bei Verstößen kann dann Jeder Jeden verklagen und alles ist gut,... nachdem dann alle im Knast bei Wasser und Brot sitzen kann man genüsslich weiterspielen.

Ich glaube ich schreib ab jezt nur noch FSK 21+ auf meine Spielrunden,... selbst wenn ich eine Kinderrunde anbiete oder Leute auf einem Con für MauMau oder Schach suche,...
 :Ironie:

Vertrag,... hm gab es nicht mal so etwas wie einen Gruppenvertrag?

Offline Der Tod

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Re: Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel
« Antwort #8 am: 17.06.2019 | 14:22 »
Grundlegend habe ich den Eindruck, dass viele Irritation über die X-Karte aus zwei Gründen entsteht:

a) Wenn ich seit 10+ Jahren mit derselben Gruppe von Freunden am Tisch sitze, wir uns alle genau kennen und sozial aufeinander eingespielt sind, dann ist der Bedarf nach Sicherheitsmaßnahmen natürlich geringer (wenn vielleicht auch nicht ganz 0). Wenn ich online oder auf einer Con mit jede Menge Wildfremder zusammengeworfen werde, sieht die Lage hinsichtlich Unsicherheiten und etwaiger böser Überraschungen schon anders aus. Tendenziell (!) spielen hierzulande viele in ihrer heimischen Tischrunde, während in den USA öfter mit Fremden gespielt wird. Dementsprechend andere Bedürfnislagen.

b) Die X-Card ist kein Allheilmittel und funktioniert auch nicht/kaum, wenn sie einfach im luftleeren Raum in die Runde geworfen wird. Sie ist Teil eines spielkulturellen Rahmens, bei dem das gemeinsame Reflektieren über das Spielerlebnis vor, während und nach der Runde strukturiert wird. Ich halte daher die Gefahr für missbräuchliche Verwendungen, Immersionsbruch etc. auch für weniger bedrohlich, eben weil Sicherheitsmechanismen ein Teil des normalen Ablaufs darstellen sollen.

Was ich meine wird deutlicher, wenn man die CATS-Methode hinzunimmt. Diese besagt, dass die Gruppe sich vorher über Concept (Konzept), Aim (Spielziel), Tone (Stimmung) und Subject Matter (Themen) der kommenden Spielrunde verständigt. Wir klären also vor Beginn, worum es im Spiel geht, was wir vom Spiel wollen, in welcher Stimmung wir es haben wollen, und welche evtl. problematischen Themen vorkommen werden. Die X-Card taucht hier in diesem letzten Punkt auf, um einen doppelten Boden einzubringen, falls TROTZ der Absprache während des Spiels unvorgehesene Probleme auftreten.

Wer also z.B. keine Wölfe im Spiel haben will, würde bei einer Runde Werewolf also nicht zur Spielunterbrechung der X-Card greifen, sondern bei einer gut kommunizierenden Gruppe schon im Vorfeld aussteigen können.
Ich denke, viele hier werden ein solches Briefing ohnehin schon nutzen, wenn vielleicht auch nur implizit - es ist immer nützlich, sich über Inhalte oder Stimmungen vorab zu verständen.

Zwei weitere Alternativen oder Ergänzungen zur X-Card (aus dem Gauntlet-Forum) wären:
- Die offene Tür: Wir einigen uns darauf, dass Leute für ein oder zwei Minuten den Tisch verlassen können, wenn sie mal durchatmen müssen, ohne dass das Spiel deswegen beendet werden müsste.
- Schwellen und Schleier: Wir verständigen uns darüber, welche Themen wir in unserem Spiel nicht haben wollen. Eine Schwelle darf nicht überschritten werden, auch nicht off-screen. Sie passieren in unserer Geschichte einfach nicht. Ein Schleier wird dann heruntergezogen, wenn wir das Thema nicht weiter im Details ausspielen wollen, sondern hier ausblenden und danach weiterspielen wollen.
Beispiele: In meiner Piratenrunde will ich eher die Disney-Stimmung, d.h. unsere Seeräuber plündern zwar, aber es gibt keine Vergewaltigungen - und nur die Bösen dürfen Gefangene umbringen. Das wären Schwellen. Sex-Szenen stören uns nicht, wir brauchen aber die Details nicht, also legen wir vorher fest, dass wir in solchen Fällen die 'Kamera' dezent gen Horizont richten.

Das wichtigste ist: All diese Instrumente sind keine Herrschaftsmittel, sondern soziale Werkzeuge, auf die wir uns zuvor gemeinsam einigen. Schlicht Möglichkeiten, mehr und besser, statt weniger zu kommunizeren, ohne evtl. Betroffene stets in Erklärungszwang bringen zu müssen.

P.S.: Eine große Liste an Sicherheits- und Kommunikationswerkzeugen für den Spieltisch findet sich HIER.
« Letzte Änderung: 17.06.2019 | 14:24 von Der Tod »

Offline Issi

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Re: Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel
« Antwort #9 am: 17.06.2019 | 14:43 »
@
Tod
Danke Dir

Jetzt mal FSK 12: Sex kommt vor, wird aber rechtzeitig abgeblendet. Sexuelle Gewalt gibt es nicht. -Wäre das, was ,denke ich, die meisten Runden gewohnt sind.

Mich würde ja schon interessieren, wofür X Cards denn so verwendet werden.
Sind das dann Runden, wo eben diese beiden Themen stärker im Vordergrund stehen, plus Folter  u. Ä?
Sonst bräuchte man die X Card ja nicht so dringend.


Oder mal ganz blöd gesagt: Der Wolf kann mich ja in jedem Erstgrad DSA Abenteuer triggern, wie andere nicht so krasse Dinge auch. Dafür brauche ich doch die X Card nicht.

Edit.
Ich will das weder bewerten noch empört sein, versprochen.
Es interessiert mich einfach.(Als Fsk 12 Spieler)
« Letzte Änderung: 17.06.2019 | 14:54 von Issi »

Offline Alexander Kalinowski

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Re: Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel
« Antwort #10 am: 17.06.2019 | 15:09 »
Aus dem anderen Thread:
Ja, man kann die Leute erstmal unter Generalverdacht stellen, aber das ist dann halt scheiße.* Ein Feueralarm wird nicht deswegen abgeschafft, weil ihn mal jemand als Prank ziehen könnte.

Das Argument ist ein Bumerang: Viel eher müsste man behaupten, dass das bloße Konzept einer X-Card alle GMs unter Generalverdacht stellt.
Und man braucht auch keinen Feueralarm, wenn man mit allen möglichen Betroffenen an einem Tisch sitzt. Dann sagt man nämlich einfach: "Au weia, es brennt."

Noch einmal zur Erinnerung: entweder die Verwendung der X-Card ist missbräuchlich oder überflüssig.

Der Unterschied liegt darin, dass der Spielleiter weis, dass ein Zuendespielen der Szene unter keinen Umständen in Frage kommt.
Und, das irgendetwas einem seiner Spieler gerade massiv den Spaß versaut.

Das ist die missbräuchliche Variante ("unter keinen Umständen").
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Offline Selganor [n/a]

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Re: Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel
« Antwort #11 am: 17.06.2019 | 15:17 »
Vergesst mal nicht wie schnell so eine Reaktion auf die Karte schon sein kann.

Wenn z.B. dumme Sprueche in der Runde ok sind, aber es irgendwann auch mal gut ist (weil kein Toon/Paranoia/...), dann kann schon ein simples Heben der X-Card langen, dass man genau weiss, dass man sich den naechsten dummen Spruch (auch wenn er noch so gut auf die Vorlage passt die eben gegeben wurde) besser verkneifen soll.

Auch sollte man den letzten Satz der "offiziellen" Erklaerung der X-Card nicht unterschaetzen (wer nicht weiss welcher das ist... oben habe ich den Link dazu gepostet ;D ).
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Offline Schlawiner

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Re: Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel
« Antwort #12 am: 17.06.2019 | 15:18 »
Der Vollständigkeit halber, da bisher nur die englische Version der X-Karte verlinkt wurde: Eine deutschsprachige Umsetzung mehrerer Sicherheitstechniken, inklusive Link zu Julians Übersetzung der X-Karte, befindet sich hier auf meiner Seite.

Offline Der Tod

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Re: Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel
« Antwort #13 am: 17.06.2019 | 15:24 »
Krankt die Diskussion in Deutschland vielleicht unter dem hier antrainierten SL-Gottsyndrom? Wie ich schon sagt: Alle diese Techniken sind Kommunikationsmethoden, die man komplett in die Tonne treten kann, wenn die Gruppe sie nicht miteinander diskutiert und gemeinsam festlegt. Wenn "meine Story" gegen "deine Befindlichkeiten" ausgespielt wird, anstatt das Spiel als Gruppendynamik zu denken (wie es bei diesen Sicherheitsmechaniken der Fall ist), dann ist das eine grundlegend andere Prämisse in der Spielkultur.

Alternative zum Feuermelder: Der Rettungsring auf dem Kreuzfahrtschiff ("steht der Kapitän unter Generalverdacht?") oder das Safeword beim BDSM ("wir sind alle freiwillig hier und achten aufeinander, wissen aber, dass Menschen kompliziert sind")?

Offline Alexander Kalinowski

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Re: Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel
« Antwort #14 am: 17.06.2019 | 15:25 »
Die "offizielle" X-Card findet sich unter http://tinyurl.com/x-card-rpg inklusive ausfuehrlichen Beschreibungen, Hinweisen, ...

"But when it is used, respect the person who uses it and don't ask why or start a conversation about the issue."

Also die missbräuchliche Variante. Abgelehnt. Ich gebe niemandem blind(!) so viel Kontrolle über ein Spiel das ich leite.

Weiter aus dem verlinkten Dokument (emphasis mine):
"What things have you seen X-Carded?

I've seen the X-Card used easily 60-100+ times (I play a lot of games with a lot of people all over the world). Examples: I described an NPC smoking. A player was trying to quit and felt uncomfortable. We played a modern realistic horror game. Someone introduced funny elves. I described plane turbulence. This triggered a player and luckily I stopped asap (we had to stop the game as well) and we did what we could to help the person in question."
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Offline takti der blonde?

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Re: Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel
« Antwort #15 am: 17.06.2019 | 15:30 »
Viel eher müsste man behaupten, dass das bloße Konzept einer X-Card alle GMs unter Generalverdacht stellt.

Nein. Die X-Card soll ja nicht vor der Spielleitung oder anderen Mitspielern schützen, sondern die Betroffene Person vor einem Thema. Statt jedoch Dinge auszudiskutieren, wird (bewusst) abgekürzt und auf die Karte verwiesen. Sie betont den kollaborativen Charakter des Rollenspiels und erlaubt einen mündigen Umgang mit schwierigen Themen.
Edit: Bzw. schafft einen Gruppen-Konsens, der es der spielenden Person erlaubt sich selbst zu schützen.

Zitat
"But when it is used, respect the person who uses it and don't ask why or start a conversation about the issue."

Also die missbräuchliche Variante. Abgelehnt. Ich gebe niemandem blind(!) so viel Kontrolle über ein Spiel das ich leite.

Von blinder Kontrolle spricht ja niemand. Der Autor der "Original X-Card" schreibt mehrmals, das Gespräch im Vorfeld/Vorbereitung sei wichtig. Die X-Card im Sinne des Autors funktioniert nicht, wenn sie kommentarlos zu  Beginn der Runde auf dem Tisch liegt und nur darauf gezeigt wird.

Grüße

Hasran

Edit: Doppler-Effekt...
« Letzte Änderung: 17.06.2019 | 15:46 von hassran »

Offline Issi

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Re: Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel
« Antwort #16 am: 17.06.2019 | 15:38 »
Krankt die Diskussion in Deutschland vielleicht unter dem hier antrainierten SL-Gottsyndrom?
Ich denke nicht, dass es darum geht,  den SL als Herr und Meister der Geschichte zu feiern. Oder als gottgleiche Person.
Muharrharr...  >;D
Sondern einfach nur die Mühe seiner Arbeit und Vorbereitung zu würdigen.
Einfach deshalb würde ich als SPL sein OK haben wollen.
Bzw.  wäre als Spieler daran interessiert mit ihm einen Kompromiss zu finden, mit dem er und die anderen am Tisch  leben können.

Edit.
Wenn ein SL sowieso improvisiert, bzw. keine Storyline hat, wird sich das Problem idR. nicht stellen.
Wenn aber doch, gebietet mir (ich vermute meine Erziehung), ihn da in die Entscheidung (wie etwas daran geändert wird), miteinzubeziehen.
« Letzte Änderung: 17.06.2019 | 15:54 von Issi »

Offline Isegrim

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Re: Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel
« Antwort #17 am: 17.06.2019 | 15:42 »
(...) oder das Safeword beim BDSM

Ein mE unpassender Vergleich. Beim BDSM wird ein Safeword genutzt, weil ein "Nein, Stop, nicht weiter!" unter Umständen nicht wirkt, da es als "zur Rolle gehörend" verstanden werden kann. Das Problem kann ich mir auf einer RPG-Con eigentlich nicht vorstellen.

Beim LARP gibt es ein universelles Safeword: Stop. Das unterbricht das Spiel und man kann schauen, was für ein OG-Problem es gibt.
"Klug hat der Mann gehandelt, der die Menschen lehrte, den Worten auch der Anderen Gehör zu schenken."  Euripides

Offline takti der blonde?

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Re: Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel
« Antwort #18 am: 17.06.2019 | 15:51 »
Ein mE unpassender Vergleich. Beim BDSM wird ein Safeword genutzt, weil ein "Nein, Stop, nicht weiter!" unter Umständen nicht wirkt, da es als "zur Rolle gehörend" verstanden werden kann. Das Problem kann ich mir auf einer RPG-Con eigentlich nicht vorstellen.

Die wichtige Parallele ist, dass einen Mechanismus gibt, der konsens-getragen die Szene ohne Rückfragen unterbricht. Ein weiterführendes Gespräch ist meist hilfreich, aber nicht immer möglich.

Grüße

Hasran

Offline Der Tod

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Re: Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel
« Antwort #19 am: 17.06.2019 | 16:00 »
Ein mE unpassender Vergleich. Beim BDSM wird ein Safeword genutzt, weil ein "Nein, Stop, nicht weiter!" unter Umständen nicht wirkt, da es als "zur Rolle gehörend" verstanden werden kann. Das Problem kann ich mir auf einer RPG-Con eigentlich nicht vorstellen.
Das stimmt. Mein Vergleich bezog sich eher auf die Ebene, dass es trotz vorheriger Absprachen ein Safeword gibt, weil es eben sein kann, dass Dinge, die sonst vielleicht okay wären, heute aus irgendwelchen Gründen doch nicht okay sind. Das lässt sich mMn schon auf immersive Situationen übertragen, wie sie beim RPG auftreten können. Will sagen: Ein Safeword ohne vorherige Kommunikation ist wertlos, aber trotz Kommunikation kann es nützlich sein, ein Safeword zu haben. Und sei es nur, um zu wissen, dass es eines gibt, auch wenn ich es nicht benutze.

Eine weitere Parallele: Sollte es zu einem Problem kommen, muss die Schwelle zum Auslösen des Sicherheitsmechanismus möglichst gering sein. Ein Safeword ist gut, aber kannst du es auch über die Lippen bringen, wenn du es brauchst? Wortlos auf ein X zu tippen ist evtl. einfacher, als die Stimme zu erheben, die SL zu unterbrechen und sich zu erklären. Dafür kann dann nachher bei nem Tee immernoch Zeit sein.

Offline Sphinx

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Re: Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel
« Antwort #20 am: 17.06.2019 | 16:20 »
Hmm hab mir das zur X-Card mal durchgelesen. An sich nicht verkehrt aber dort wird darauf hingewiesen das es reicht das X zu zeigen, und eine Erklärung worauf es sich bezieht überflüssig ist.
Bei seinen Beispielen hat er mitunter ganz simple Dinge dabei wie. Jemand der Raucht, oder Witzeleien obwohl die Stimmung düster sein soll.  Also zusammen gefasst alles was einen am Tisch stören könnte.
Also ich bekomme es nicht im Kopf hin wie das im Tisch ablaufen sollte. Wenn mir jemand ein X zeigt, würde ich erst mal komplett stoppen und rausfinden wollen wo der Schuh drückt. Genau das soll ja nicht zwingend der Weg sein, es kann so ablaufen. Allerdings fehlt mir halt die option wie man weiter machen soll ohne zu wissen wieso ge-X-t wurde. Was das ganze ja irgendwie wieder unnütz macht weil der jenige den etwas stört dann doch wieder rede und Antwort stehen muss.

An sich finde ich die idee gut, auch es so breit aufzustellen das es alles abdeckt. Selbst wenn ein blöder Kommentar einen nur aus der Immersion gerissen hat. Es wird viel zu oft alles in sich reingefressen und irgendwann kommt es zum großen knall. Also eine Tisch Kultur zu haben wo jeder gleich darauf hinweist wenn etwas keinen Spaß macht, finde ich begrüßenswert und hätte ich auch gerne in jeder Runde.

snoopie

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Re: Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel
« Antwort #21 am: 17.06.2019 | 16:25 »
Überraschend, dass soetwas elementares wie die X-Card bei den Rollenspielprofis noch Neuland ist. Beispielsweise das bemerkenswerte Outing von Sphinx. Hätte mein ganzes Geld darauf verwettet, dass Jeder hier damit Erfahrung hat und einige Vollzeit-SL sogar eine laminierte Karte zu Cons mitnehmen.

Offline Maarzan

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Re: Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel
« Antwort #22 am: 17.06.2019 | 16:27 »
Dann ist ja zumindest die eklatante Missbrauchsoffenheit der Karte auch "offiziell"!

Sie soll Leute "schützen" ohne festlegen zu wollen wen oder wovor: Selbstdefinition reicht, komme was wolle -
Wer wirft gewinnt.

In dem Sinne erscheint mir das weniger als Hilfsmittel für ein Spiel, denn als politisches Erziehunsgmittel um unliebsame Inhalte torpedieren zu können, welche man eben nicht vor hat auf Sinn oder Unsinn zu diskutieren und damit auch gegen andere Meinungen argumentieren zu müssen.

Das entsprechende Absprachen vor dem Spiel helfen ist ja noch einmal ein ganz anderes Gebiet und denke ich ohne Widerspruch. Aber entweder ist ein Punkt dort in der Vorbesprechung aufgeworfen worden (und sollte dann auch nicht aufkommen oder zumindest nicht so heftig überraschend, dass das "sprachlos" macht, wennd ie Dosis verrutscht, bzw. haben die anderen dann denke ich auch das Recht so etwas im angesprochenen Rahmen auszuspielen)
oder er fehlte, dann haben wir eh Neuland und nur die Karte.

Was das Missbrauchspotential angeht scheint ja auch jeder klare Vorstellungen zu haben was ein "richtiges" "Opfer" ist. Was, wenn es ein "falsches" "Opfer" ist? Hier war doch auch einmal eine Diskussion über jemanden, der partout keine Inhalte am Tisch haben wollte, die auf Homosexualität deuten und massive religiöse Intolleranz habe ich auch mehr als einmal erlebt.

Sollen die X-cards als unerschütterliches Veto werfen dürfen?

Andererseits ... ich fühle mich ja durch Fate-Punkte traumatisiert, Zeit etwas dagegen zu machen ! >;D
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline Hewisa (gone for good)

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Re: Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel
« Antwort #23 am: 17.06.2019 | 16:30 »
Also die missbräuchliche Variante. Abgelehnt.
Äh - nein. Die Variante, die jemand vielleicht missbrauchen könnte. Dass Du davon ausgehst, dass sie zwangsläufig missbraucht wird finde ich wenig zielführend - s.u.
Im Übrigen: Wenn jemandem die Inhalte deines Spiels zu viel werden und er es nicht mehr ertragen kann oder will, steht als Ultima Ratio immer noch die Option zu Buche, einfach aufzustehen und zu gehen - und ich behaupte mal frech, dass das eine deutlich disruptivere Wirkung auf das Spiel hätte als ausblenden und überspringen bestimmter Szenen.

Ich gebe niemandem blind(!) so viel Kontrolle über ein Spiel das ich leite.
Dadurch forderst Du aber für Dich gleichzeitig sehr viel mehr Kontrolle über das Spiel ein, als die Spieler durch eine "Notbremse" hätten

Und tatsächlich ist das Einfordern eines so massiven Vertrauensvorschusses bei gleichzeitiger Weigerung, den Mitspielern einen Vertrauensvorschuss zu geben für mich ein No Go. Dürfte überschaubaren Impact auf dein RSP-Leben haben, da es eh unwahrscheinlich ist, dass wir jemals am selben Tisch sitzen - aber diese Einstellung wäre für mich ein Grund, in einer Runde gar nicht erst mitzuspielen.


Allerdings muss ich zugeben, dass ich die ganze Diskussion nur bedingt verstehe.

Es sollte doch *völlig normal* sein, dass die ganze Gruppe im Vorfeld weiß, dass ggfs. sensible Inhalte entstehen können. Außerdem sollte *völlig normal* sein, dass ein Spieler für den Fall, dass ihm/ihr ein Spielinhalt doch stärker an die Nieren geht als gedacht eine Notbremse ziehen kann. Und es sollte *völlig normal* sein, dass das auch von der Gruppe akzeptiert wird, ohne dann erst ein Seelenstriptease vor der versammelten Mannschaft hingelegt werden muss. Es sollte *völlig normal* sein, dass das seelische Wohlergehen Vorrang hat vor dem Durchziehen einer Story oder auch dem Spielspaß der Gruppe.

Ich bin da nur Laie und hatte die Notwendigkeit noch nie, aber ich weiß nicht genau, inwiefern ein formalisierter Mechanismus wie eben die X-Card hilft.
Die Idee ist, hier weniger Hemmung zu erzeugen, das ist klar. Ich bin nur nicht sicher, ob man wirklich weniger Hemmungen hat, diese Karte zu ziehen als "Stopp" zu sagen. Zumal wenn in gewissem Sinne formal geregelt ist, wann die Karte gezogen werden darf - ich könnte mir vorstellen, dass manche dann sogar mehr Hemmungen haben, weil sie nicht sicher sind, ob sie jetzt die Voraussetzungen erfüllen.

Aber Das sind nur Fragen um das "wie", das "ob" steht für mich in keinster Weise zur Debatte. Und wie auf die Idee kommen kann, den Nutzen einer "Notbremse" grundlegend in Frage zu stellen, das ist mir schleierhaft.

tl;dr:
Ich finde Sicherheitsmechanismen und Rollenspiel richtig, wichtig, unverzichtbar und generell schlicht Teil eines rücksichts- und verantwortungsvollen Umgangs miteinander. Ob das eine X-Card sein muss, sei mal dahingestellt. So oder so muss man natürlich ein wenig Vertrauen in seine Mitmenschen haben.
« Letzte Änderung: 17.06.2019 | 16:37 von Hewisa »
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Offline Sphinx

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Re: Sicherheitstechniken im/fürs Rollenspiel
« Antwort #24 am: 17.06.2019 | 16:39 »
Überraschend, dass soetwas elementares wie die X-Card bei den Rollenspielprofis noch Neuland ist. Beispielsweise das bemerkenswerte Outing von Sphinx. Hätte mein ganzes Geld darauf verwettet, dass Jeder hier damit Erfahrung hat und einige Vollzeit-SL sogar eine laminierte Karte zu Cons mitnehmen.

Das liegt evtl. daran das ich nicht auf Cons und Co. leite. Ich Spiele nur mit festen Gruppen inkl. Session-0 in der ich abklopfe ob es Themen gibt die Tabu sind. Bis jetzt hatte ich nur zwei mal ein Tabu erlebt. Einmal von jemand der eine Vergewaltigung in der näheren Verwandtschaft hatte. Und einmal jemand mit starker Spinnen Phobie. Also kein Problem das dann aus den Spielrunden rauszuhalten. Bis dato waren das auch alles Spieler die einfach was gesagt hätten, wenn ein Tabu während dem Spiel aufgefallen wäre.

Aber gerade für jemand der nicht offen über ein Tabu sprechen möchte bietet sich so eine Karte natürlich an. Wie gesagt sehe ich nur nicht wie es ohne Gespräch weitergehen kann, wenn die Karte gezeigt wird. Selbst wenn es nur ein 4 Augen gespräch wird.
Oder wie soll man sich das vorstellen? Ihr geht in eine Taverne, da sind viele Gäste die trinken. Eine Tänzerin bezirzt gerade einen Gast und möchte ihn überreden mit ihr aufs Zimmer zu gehen. In der Ecke Spielen ein paar Karten während sie dicke Zigarren rauchen.
Jemand hebt seine Karte
Ohne gespräch fehlt jeder Kontext, Stört Rauchen, Trinken oder Prostitution? Oder soll man beim Zeigen der Karte die Szene komplett abbrechen und eine alternative Suchen?
Ich brauche bei sowas immer Beispiele damit ich kapiere wie es ablaufen kann.
« Letzte Änderung: 17.06.2019 | 16:42 von Sphinx »