Ich fühle mich als Hamburger nicht als HSV oder Pauli Fan. Als Deathmetal-Hörer keinen Deut, weder farblich, noch sonst-wie-äußerlich der Szene zugehörig. Als Rollenspieler trage ich bunt und Stoffhosen und gehe einem gut bezahlten Job in der Erbfeind-Branche Immobilien nach.
Das klingt ganz schön Archetypisch nach Rollenspieler.
Du hörst Death-Metal, sagst extra dass du bunt trägst, und nennst Immobilien die Erbfeind-Branche. Davon habe ich den starken Eindruck, dass du Rollenspiel-sozialisiert bist.
Als Mann bin ich kein Chauvinist, auch wenn ich stetig im generischen Maskulinum schreibe.
Das klingt jetzt aber sehr nach der Auswirkung von Diskussionen, die es in der Rollenspielgemeinschaft gab
Als Grünwähler bin ich lange kein ewiggestriger Radikalöko. Als Autofahrer bin ich definitiv kein mobiles Verkehrshindernis, geschweige denn Linksschleicher. Als Gartenbesitzer habe ich keine akkurate Rasenkante. Als Hundebesitzer hinterlasse ich nirgends Scheißhaufen.
Das ist ein klassisches Beispiel dafür, dass die gesellschaftlichen Frontlinien über die letzten Jahrzehnte aufgeweicht wurden. Individualisierung gewinnt über Gruppenzugehörigkeit. Sozialisierung in einem bestimmten Umfeld gibt es trotzdem, aber es entscheidet nicht so sehr über die Richtung.
Wenn ich bei den Rollenspieltagen im lokalen Spieleverein bin, dann fühle ich mich schon zugehörig, obwohl ich den Großteil der Leute nicht kenne. Und hier im Tanelorn auch.
Schönes Beispiel: Bei fünf verschiedenen Rollenspielern, die jeweils ein anderes Spiel/System spielen, habe ich nicht mal eine einheitliche Terminologie.
Den Begriffs-Block "Charakter/Figur" oder "Spielleiter/Meister" verstehen die allermeisten vermutlich noch. Gewisse Jargon-Fachbegriffe, wie "Railroading" oder "Fluff", gehen schon in Richtung Fachbegriffe, die Gelegenheitsspieler schon nicht mehr kennen.
Wenn es um Regelkonstrukte geht, die es nicht überall gibt (explodierende Würfel, Ticks, Skill-Trees) sind Leute, die andere Spiele spielen, schon wieder etwas außen vor.
Das sind Details, aber die grobe Vorstellung davon ist schnell vermittelt und dann auch schnell verstanden.
Und wenn Rollenspieler sich unterhalten, haben sie viel gemeinsame Sprache. Wir wissen, was Powergamer sind (wahlweise auch Munchkins), und den W20 kennen noch die meisten, die sich mit ihrem Hobby beschäftigt haben (auch wenn sie ihn vielleicht ablehnen). Wir wissen alle, wie es ist, mehrere Stunden lang gemeinsam mit Regeln zu sprechen, und das hat Einfluss auf das Verhalten. Selbst wenn die Wörter anders sind, kennen Leute die Konzepte. Wobei sich das durch die neuen viel schlankeren Spiele geändert haben könnte: Wer nur Erzählspiel mit Kreativitätskarten gespielt hat, kann das Spiel mit Charakterblatt, Würfel und Kaufabenteuer vielleicht wirklich nicht mehr nachvollziehen. Dass klingt dann allerdings eher nach einer Spaltung der Gemeinschaft, nicht danach, dass es sie gar nicht gibt.
Und dass es Leute gibt, die sich nicht zugehörig fühlen wollen — die wahlweise die Nerds oder die Yuppies ablehnen — ist auch völlig normal.
Wobei ich es persönlich blöd finde, dass es inzwischen viele Leute gibt, die DSA wirklich noch nie gespielt haben, es also noch nicht einmal in einem One-Shot ausprobiert haben. Da scheint mir die verbreitete starke Systembezogenheit ein Hindernis für die Gemeinschaftsbildung zu sein.
Warum ich finde, dass das ein Hindernis ist: Weniger Gemeinschaftsgefühl unter Rollenspielern zu haben erschwert die Findung neuer Runden nach einem Umzug, so dass man in einem neuen Ort schnell auf dem Trockenen liegt.
Wobei: Wenn wir sagen, es gibt keine Community, wie passt dazu, dass hier zwei Leute sagen „es wäre doch toll, einen Gratisrollenspieltag zu haben“, und als Ergebnis gibt es jedes Jahr Gratismaterial, das in über 100 Läden und Vereine im ganzen Deutschsprachigen Raum verschickt wird. Das klingt für mich schon nach so etwas wie einer Gemeinschaft. Vielleicht nicht von allen Rollenspielern, aber doch von vielen.
Ob das jetzt eher nach Szene oder nach Gemeinschaft klingt, bin ich allerdings nicht sicher. Gemeinschaft würde vielleicht eher auf die Rollenspieler einer bestimmten Region zutreffen, aus deren Runden Leute bereits zusammen gespielt haben.