Mir kam gerade eine andere Idee, wie man das Problem vielleicht auflösen kann:
Was wäre, wenn es zwei Arten von Gottheiten gibt?
Die erste Art sind eher Prinzipien und Archetypen als Personen - Sonne und Mond, Leben und Tod, die Jahreszeiten, die Elemente und so weiter, vielleicht runter bis hin zu Flüssen und Wäldern und Quellen und dergleichen auf der untersten Hierarchiestufe. Diese Götter sind überhaupt nicht anthropomorph, und als Sterblicher kann man nicht wirklich sinnvoll mit ihnen interagieren - wenn man nicht gerade etwa den Zorn des Flussgottes erregt, indem man seinen Dreck in den Fluss leitet. Sie sind innerhalb ihrer Domäne fast allmächtig, und nur da, wo sich zwei Domänen berühren, kann ein Gott gegen den anderen antreten - Leben und Tod können sich zum Beispiel, wenn sie einen Grund dafür sehen, um das Leben eines Sterblichen streiten, aber sonst kann keiner dieser Götter dem Tod ins Zeug pfuschen, wenn um Seelen und das Jenseits geht. Sie brauchen auch an sich nichts von den Sterblichen - schon gar keine Anbetung oder eine Priesterschaft.
Die zweite Art sind ehemalige Sterbliche, die - wie auch immer - zu Göttern geworden sind. Ihre Macht ist nicht inhärent, wie die der ersten Art der Götter, sondern speist sich aus dem Glauben der Sterblichen an sie; Sinn und Zweck der Priesterschaft ist es, den Sterblichen diese Götter immer wieder ins Gedächtnis zu rufen und den Glauben aufrecht zu erhalten. Vom Machtniveau her sind sie eher extrem mächtige Sterbliche als klassische Götter; sie könnten zwar mit jedem Sterblichen, der ihnen ans Leder will, den Fußboden aufwischen, aber ihr eigentlicher Daseinszweck, und der Grund, warum Sterbliche sich mit ihnen abgeben, ist ein Anderer: Da sie selbst Götter sind, können sie mit der ersten Art Götter kommunizieren, und anders als diese Götter waren sie einmal Sterblichen und verstehen die Sterblichen daher auch. Sie agieren als eine Verbindungen zwischen Sterblichen und "richtigen" Göttern; jeder von ihnen hat eine andere Persönlichkeit, andere Eigenschaften, und damit auch einen unterschiedlich guten Draht zu unterschiedlichen Göttern. Wenn also ein Bauer Regen für seine Ernte braucht, betet er nicht zum Wettergott, sondern zum Heiligen Agrarius, der als Sterblicher selbst Bauer war und daher gut versteht, worauf es dem Bauer ankommt; man handelt ein angemessenes Opfer aus, und der Heilige Agrarius überredet dann irgendwie den Wettergott, es an der richtigen Stelle im richtigen Ausmaß regnen zu lassen.