In vielen Fantasy-Settings begegnen uns Konstellationen, die in gewissem Sinne an die griechisch-römische Götterwelt angelehnt sind. Hier möchte ich zeigen, wie sie's nicht sind. Natürlich muss man nicht versuchen, in einer Fantasywelt naturgetreu zu wirken und es mag verschiedentlich gute Gründe dageben, aber es wäre ja schön, wenn man gekonnt hätte. Also hier ein paar Dinge, die bei Fantasy-Polytheismus falsch laufen.
Ich bin jetzt kein griechich-römisch angelehnter Polytheist, sondern praktizierender Hindu, aber viele Beobachtungen von dir, 1of3, teile ich.
Daraus folgt dann auch, dass Götter keine einheitliche Liturgie haben. Was man Villariba zu Ehren einer Gottheit veranstaltet, kann sich von Villabajo maßgeblich unterscheiden.
Absolut und völlig richtig. In polytheistischen (oder monistischen) Religionen gibt es oft eher Richtlinien im Sinne von Empfehlungen, wie man Gottheiten verehrt. Da unterscheidet sich die Zeremonie schon von Familie zu Famile.
2. Einzelne Leute haben EINEN Gott[/b]
Kommt besonders bei D&D vor, wo auf jedem Charakterbogen ein Feld "Gottheit" steht. Dabei werden im POLYtheismus standardmäßig mehrere Götter verehrt. Auch von Priestern. Tempel einer Gottheit enthalten oft Nischen für verwandte oder untergeordnete Götter. Üblich ist auch, dass gewisse Götter bei jedem Ritual gewissermaßen als Türöffner angerufen werden, egal welche Gottheit danach im Zentrum des Vorgangs steht. Bei den Griechen war das Zeus. Gleiches kommt aber in anderen Kulturkreisen vor. Passieren kann, dass Herrscher sich als Marketing-Instrument mit einem Gott identifizieren, sich also z.B. Apollo- oder Herkules-ähnlich darstellen lassen. Das ist dann Branding.
Stimmt fast durchgehend. Besonders in Polytheismen gibt es "Hauptgötter" oder einen bis drei "große" Götter, die als Ehrerbietung fast immer miteinbezogen werden. In Shiva-Tempeln (meine Richtung) ist es beispielsweise Gang und Gäbe, daß sein Sohn Ganesha und seine Frau Parvati mit dargestellt werden oder ihre Ecken im Tempel haben.
3. Götter haben Geschichten
Also klar, so Kandidaten wie die Zeus, Poseidon und Athene haben ne ganze Reihe von Geschichten und Mythen bei den Griechen. Jupiter, Neptun und Minerva, also die Römer, hatten das augenscheinlich nicht. Jedenfalls nicht bevor, die Römer die griechische Mythologie quasi blanko importiert hatten. Die primäre Funktion von Göttern ist, dass man ihnen opfern kann. Geschichten sind lustig, aber optional.
Da bin ich mir nicht so sicher. Der Grund für die Verehrung sind die Geschichten. Es gibt so gut wie keinen Gott, der als Sammlung von Eigenschaften existiert – immer ist da ein Narrativ miteingebunden. Die Vermenschlichung bringt Götter erst nahe. Korrekter wäre es wahrscheinlich zu sagen, daß die alten Geschichten mancher Götter entweder verschollen oder in anderen, nachfolgenden Götterbildern aufgegangen sind.
4. Götter sind zählbar
Tatsächlich gibt es wohl, die, die und die Götter und dann noch ganz, ganz viele andere.
Jepp. Das finde ich immer bei den Jungs und Mädels des germanischen und keltischen Neuheidentums so ulkig: Da werden die bekannten Players verehrt (Thor, Odin, usw) – aber die eigentliche, landläufige und alltägliche Verehrung fand erwiesenermaßen für ganz andere Wesen statt: Wichtel, Zwerge, Wassernymphen, Pflanzen und so weiter.
5. Götter haben einen dezidierten Aufgabenbereich
Das geht natürlich nach unten hin schon gemäß dem letzten Punkt schief. Das ganze Fußvolk kann gar keinen eigenen Aufgabenbereich haben. Nach oben hin sind dann aber andersherum keine Grenzen. Man kann auch Juno, Apollo und Diana im Krieg anrufen. Viel hilft ja bekanntlich viel. Natürlich gibt es Götter, die nichts sind, als ihr Aufgabenbereich, einfach weil einem Substantiv ein Altar errichtet wird. Rom hatte z.B. Weihestätten für Victoria, Concordia, Iustitia und die Seuche.
Genau das! (Ich habe das übrigens in meinen DSA-Regeln für die Geweihten genauso gebaut)
Jeder Gott ist zuständig für alles, aber hat manchmal bevorzugte Spielwiesen. Man kann das in so gut wie jeder polytheistischen Religion sehen, auch im Katholizismus (der ist definitiv polytheistisch) mit seinen Heiligen. Die Heilige Marie beispielsweise war ja ursprünglicherweise zuständig für die weiche, mütterlichen und beschützenden Themen. Das hat sich mittlerweile komplett generalisiert.
6. Götter haben immer was mit Religion zu tun
Die Erfindung der Religion als gesellschaftliche Institution in Abgrenzung zu anderen Bereichen ist eine ziemlich neue.
Jepp! Siehe Buddhismus. Gautama Buddha akzeptierte, daß es Götter gab, räumte ihnen aber keine Agenda für die tägliche Praxis ein. Die Stoiker nahmen oft genug Bezug auf die Götter (weil die unser Schicksal in den Händen halten), rieten aber ab, sie zu verehren und stattdessen selbst an der eigenen Tugendhaftigkeit zu arbeiten.