Autor Thema: Bin ich schon "drin"?  (Gelesen 5214 mal)

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Offline Alexander Kalinowski

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #25 am: 6.07.2019 | 19:39 »
Ich bin mir ziemlich sicher, dass du den Begriff hier falsch anwendest.

http://big-model.info/wiki/Pawn_Stance

Die Figurmotivation hinter so einem Zug ist doch klar erkennbar.

Das entscheidende Kriterium ist die Herangehensweise des Spielers. Bei der Author Stance versetzt er sich nicht in die Rolle der Figur. Wenn ich den Desperate Gambit Feat aktiviere, dann ist die Motivation des Charakters und des Spielers zufällig dieselbe. Tatsächlich versuche ich nicht aus der fiktiven Gefechtslage heraus und durch die Augen des Charakters zu beurteilen ob das angemessen wäre - stattdessen kalkuliere ich es durch, berechne wenn möglich die (Spiel-)Wahrscheinlichkeiten und wäge diese ab. So wie es bei D&D & Co. eben ganz gerne mal gemacht wird.

Ein Rollenspiel ist eben auch ein Spiel und nicht nur Improv-Theater.
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Offline Alexandro

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #26 am: 6.07.2019 | 21:50 »
Wieso nicht? Hektisch werden und auf einen Treffer hoffen bevor die Antwort kommt, erinnert mich verdammt an meine Fechtteststunde.

Wenn ich Alexander richtig verstehe (ich habe Saga nur sehr wenig gespielt) ging es um die Kombination von einem hektischen Angriff und einer kontrollierten Verzögerung der Handlung.

In diesem Fall müsste ich ihm recht geben: ein hektisch-kontrollierter Verzögerungsausfall (HKVA) ist schon nicht so einfach mit der Fiktion in Einklang zu bringen (ich sage nicht, dass es unmöglich wäre - aber es reißt einen doch schon ziemlich raus und verschlingt Kapazitäten, die sinnvoller genutzt werden könnten).
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Offline Maarzan

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #27 am: 6.07.2019 | 22:15 »
Wenn ich Alexander richtig verstehe (ich habe Saga nur sehr wenig gespielt) ging es um die Kombination von einem hektischen Angriff und einer kontrollierten Verzögerung der Handlung.

In diesem Fall müsste ich ihm recht geben: ein hektisch-kontrollierter Verzögerungsausfall (HKVA) ist schon nicht so einfach mit der Fiktion in Einklang zu bringen (ich sage nicht, dass es unmöglich wäre - aber es reißt einen doch schon ziemlich raus und verschlingt Kapazitäten, die sinnvoller genutzt werden könnten).

Das "verzögert" habe ich so nicht mitbekommen. Ich hatte mich andererseits schon gewundert, wie das mit dem sicheren Recovern vor dem Gegenschlag des Gegners hinhauen soll. 

Aber ja, seltsame feats, welche mit der Spielweltrealität eigentlich nicht zu vereinen sind, sind auch störende Elemente, entweder als Abstraktionsartefakte oder tatsächliche gamistische Designbomben - oder einfach schlechtes Design, weil erst gar nicht über Nebenwirkungen von "coolen" Einfällen nachgedacht wurde.
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Offline 1of3

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #28 am: 7.07.2019 | 08:26 »
Und die kann auf der Bühne genauso stimmen und da sein, wie am Rollenspieltisch.

Passt alles. Ich meinte halt, dass Rollenspieler und Theaterleute, den Begriff ganz unterschiedlich nutzen. Bei letzteren ist es ein sich Einlassen auf die Rolle zum eigentlichen Zweck, also besserem Schauspiel.

Rollenspieler erheben Immersion oft zum eigentlichen Ziel und das führt dann zu gar nichts. Es können sogar Leute die Immersion hochhalten, die effektiv gar keine ihnen fremde Rolle spielen, sondern sich blos selbst in das Abenteuer hineindenken, gern unter Hinzunahme von Superkräften. Das ist ja gerade auch eine häufig bediente Anreizstruktur beim RPG: Sind dir die Figuren im Film regelmäßig zu doof? Machs besser, spiel RPG! - Die Rolle die dann gespielt wird, ist genau keine schauspielerische oder literarische. Und trotzdem oder gerade dann kann man sich auf immersives Rollenspiel berufen, das bitteschön nicht "Meta" ist.

Dabei bräuchte an eben Metabetrachtungen, um Rollen solcherart zu spielen, wie Theaterleute das tun.

Offline Jiba

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #29 am: 7.07.2019 | 08:45 »
Jain. 
Was man sich aber vom Schauspiel abkucken kann, ist das bewusst "in Rolle schlüpfen."
Bzw. seine Reallife Rolle bewusst hinter sich lassen.

Ja, so möchte ich das auch verstanden wissen: Schauspiel ist nicht die Immersion. Es ist ein Zugang dazu.

Deswegen, @1of3, muss ich dir da widersprechen. Die Manierismen, die man für seinen Charakter festlegt, kommen irgendwann ohne nachzudenken mit in die Figur. (Ein Charakter, der also als Persönlichkeitsmerkmal gerne Schau macht, der kann auch nicht ohne die Schau gespielt werden und erlaubt keine Immersion ohne die Schau).

Aber ja, ich kann natürlich schauspielern, ohne immersiv zu sein. 1of3 behauptet auch richtig, dass man immersiv sein kann, ohne zu schauspielern. Aber: Wo geschauspielert wird erleichtert man

a) anderen Spielteilnehmern den Wechsel in die Immersion
und (was ich ergänzen würde)
b) sich selbst ebenfalls den immersiven Zugang zur Figur. Das Annehmen einer bestimmten Körperpose oder Stimme oder Wortwahl erinnert dich bereits unterbewusst daran, dass du diese Figur wirklich "bist". Deine eigene Körpersprache strahlt auf dich ab, deine eigene Sprache ebenso – diese Dinge sind ja auch Kernpunkte von Charisma- oder Schlagfertigkeitstrainings. Wirkt auch. Ich bin selbst nicht sonderlich schlagfertig, mein 7te-See-Musketier Alain aber schon. Ich switche zu Alain, indem ich wie er rede, mich hinsetze etc. Wenn ich immersiv in ihm drinstecke, dann muss ich auch nicht über die schlagfertige Antwort nachdenken, die fließt einfach so aus der Figur.

@1of3: Ich bin mir da nicht sicher. Ein "ich buckel mich nach vorne und schiebe die Unterlippe vor, weil ich jetzt Grubrich, der Halbork bin" ist ja vielleicht eine Metaüberlegung. Aber die ist ja als Einstieg in die Immersion so wenig störend, dass es im Rollenspiel keine sonderlich laute Fraktion gibt, die schreit "oh, mein Gott, kein Schauspiel im Rollenspiel! Das würde ich selbst nie tun! Das stört nur meine Immersion!".

Das "sich selbst in die Spielwelt denken" ist ein wahnsinnig guter Punkt aber. Es denkt den Immersionsbegriff nämlich ein stückweit über die reine "Figurenperspektive" hinaus und führt ihn zu Blechpirats Flow-Begriff hin. Aprospos:

Ich glaube ja nicht an Immersion. Ich glaube an Flow, und den habe ich am besten als SL. Als Spieler fühle ich mich immer etwas unterfordert und bin nie oft genug "dran", um Immersion oder Flow zu erleben.
Jetzt musst du natürlich erklären, warum du zu dieser Annahme kommst.
« Letzte Änderung: 7.07.2019 | 08:49 von Jiba »
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline Issi

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #30 am: 7.07.2019 | 09:36 »
Ja, so möchte ich das auch verstanden wissen: Schauspiel ist nicht die Immersion. Es ist ein Zugang dazu.

Deswegen, @1of3, muss ich dir da widersprechen. Die Manierismen, die man für seinen Charakter festlegt, kommen irgendwann ohne nachzudenken mit in die Figur. (Ein Charakter, der also als Persönlichkeitsmerkmal gerne Schau macht, der kann auch nicht ohne die Schau gespielt werden und erlaubt keine Immersion ohne die Schau).

Aber ja, ich kann natürlich schauspielern, ohne immersiv zu sein.
Kann man ja, theoretisch, wobei eine Rolle idR. dann als gut dargestellt wahrgenommen wird, wenn der Darsteller auch darin eintaucht.
Also in sie reinschlüpft. Quasi in die Welt und Persönlichkeit der Figur.

Als SL ist es auch ein Bisschen anders, als als Spieler.

Als SL hat man seltener nur eine Figur, über die man den "Immersions Flow" konsumiert.
Sondern man hat idR. verschiedene Figuren.
Und ist auch eher in der Darsteller Rolle, als der Spieler.
Der Spieler kann sich dagegen meistens auf seine eine Figur konzentrieren.
Und die Welt, die der SL mit seinen NSC, Umgebungs Beschreibungen etc. erschafft,  genießen.

Will damit sagen: Der SL taucht auch ein, wenn er NSC spielt. Aber er stellt ja auch die Umwelt für die SC Figuren.
Hat also jede Menge andere Aufgaben, und idR.  oft keine persönliche Figur.
Das "sich persönlich was rausziehen " läuft, bei klassischer Rollenverteilung, für SL mMn. etwas anders.


@
Blechpirat
Ich kann, glaube ich, verstehen, was du meinst, denn als Spieler erlebt man die Verbindung mit seiner Figur stärker, wenn sie auch mal ab und zu im Vordergrund steht. Wenn der SL sie auch mal als Person direkt anspielt.

"Wir machen als Gruppe immer alles zusammen. Und niemand kriegt Einzelspotlight " führt idR.  dazu, dass man die Figur nicht als Persönlichkeit und nur noch im Gruppenbrei wahrnimmt.

Deshalb finde ich Einzelaktionen, und Einzelszenen im richtigen Maß und Verhältnis, gerecht auf alle Spieler verteilt, auch so wichtig.

Spieler erschaffen sich da einen Charakter mit Motivationen, Charakter Eigenschaften und Hintergrund.
Und es ist mMn.  unglaublich wichtig, dass der SL das im Spiel später auch mal aufgreift.

Wenn der SL dagegen nur eine Gruppe von Figuren braucht, die er" durch seine Abenteuer jagen kann."
Dann geht die Motivation sich auf die Persönlichkeit seiner Figur einzulassen uU. auf kurz oder lang verloren.

Mache ich Figuren für das Abenteuer? Oder mache ich Abenteuer für die Figuren?
Im zweiten Fall, ist der Fokus deutlich stärker auf den Persönlichkeiten der SC.
« Letzte Änderung: 7.07.2019 | 13:17 von Issi »

Offline Issi

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #31 am: 7.07.2019 | 15:24 »
Passt alles. Ich meinte halt, dass Rollenspieler und Theaterleute, den Begriff ganz unterschiedlich nutzen. Bei letzteren ist es ein sich Einlassen auf die Rolle zum eigentlichen Zweck, also besserem Schauspiel.

Rollenspieler erheben Immersion oft zum eigentlichen Ziel und das führt dann zu gar nichts. Es können sogar Leute die Immersion hochhalten, die effektiv gar keine ihnen fremde Rolle spielen, sondern sich blos selbst in das Abenteuer hineindenken, gern unter Hinzunahme von Superkräften. Das ist ja gerade auch eine häufig bediente Anreizstruktur beim RPG: Sind dir die Figuren im Film regelmäßig zu doof? Machs besser, spiel RPG! - Die Rolle die dann gespielt wird, ist genau keine schauspielerische oder literarische. Und trotzdem oder gerade dann kann man sich auf immersives Rollenspiel berufen, das bitteschön nicht "Meta" ist.
Du meinst Rollenspieler, die eigentlich nur sich selbst spielen?
Ja die gibt es. Kurz es ist nicht notwendig einen von der eigenen Persönlichkeit abweichenden Charakter zu spielen, um
Immersion zu erleben.
Man kann theoretisch auch sich selbst spielen (vom Charakter her. Für manche Spieler ist das uU. sogar von Vorteil. -Denn "das anderes sein, als man selbst" zieht uU. erstmal zuviel Kraft**), solange es einem gelingt, sich in die Welt hineinzuversetzen.
Wie gut das gelingt, ist nicht nur von der Imaginationsfähigkeit des Spielers abhängig, sondern, zumindest mEn., auch davon, wie gut der SL die Welt beschreibt beziehungsweise spielt.
Im Idealfall schafft man einen gemeinsamen Vorstellungsraum, in dem alle "den gleichen Film sehen."
Die Kunst ist es mEn. dabei die Welt möglichst lebendig zu erschaffen: Glaubwürdige Figuren. Eingängige, bildhafte Beschreibung der Umgebung usw.
Und ein gut dargestellter SC ist hier ebenso ein wertvoller Beitrag- Stellt er doch idR. eine der Hauptakteure um die sich alles dreht.
Was es wiederum dem SL schmackhafter macht sich mit ihm zu beschäftigen. Und ihn zu Spiegeln.
Das ist ja auch das, was der SL tut: Er spiegelt die Umgebung.

Glaubwürdiger empfinde ich jetzt idR. eher  Figuren, die nicht nur Stärken, sondern auch ein paar Schwächen haben. Damit lässt sich mEn. wunderbar spielen.

**
Mit der Zeit kann sich das aber geben.
Beziehungsweise werden Spieler dann auch mal experimentierfreudiger.
Ich würde aber schon tippen, dass man sich bis zu einem gewissen Grad zumindest, mit einer Figur identifizieren können sollte, um sowas wie Immersion zu erleben.
Gar zu fremd, und "unverständlich" sollte einem eine SC Figur deshalb nicht sein.
Man will ja verstehen, wie die Persönlichkeit der Figur tickt.
« Letzte Änderung: 7.07.2019 | 17:56 von Issi »

Offline korknadel

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #32 am: 8.07.2019 | 09:31 »
Entsprechend konzentriert man sich als Schauspieler auch auf seine Darstellung und betätigt sich nicht nebenbei noch als Kullissenschieber und Theateragent.

Einer der Gründe, weshalb mich manche Äußerungen zum Thema Immersion irritieren und ich Jiba in Vielem zustimmen muss, sind diese Vorstellungen von Schauspiel, die ich nach einiger eigener Schauspielerfahrung schlicht nicht nachvollziehen kann.

Denn als Schauspieler betätigt man sich fast ständig nebenbei als Kulissenschieber. Man beachtet die Choreografie, die Beleuchtung (man muss im Spot bleiben), sorgt dafür, dass Requisiten an der richtigen Stelle sind, überlegt sich, was man macht, wenn sie das nicht sind, wartet auf Stichworte, überlegt fieberhaft, wie man Dialoge rettet, wenn andere Leute auf der Bühne Text weglassen oder abändern, man bangt, ob man das Taschentuch so aus der Hose kriegt, dass der Zettel ebenfalls herausfliegt und möglichst gut sichtbar zu Boden segelt, man ist sich ständig bewusst, dass der Blick durchs Fenster sich nicht wirklich in den Park öffnet, sondern das dort ein Bühnenbildner steht und einem wild fuchtelnd was mitteilen will, überhaupt werden Kulisse, der für das Publikum sichtbare und der nicht sichtbare Bühnenraum und Requisiten bei allem stets mitgedacht, eine "richtige" Immersion findet da eigentlich nicht statt, oder wenn, dann nur sehr vorübergehend. Es ist ja schließlich auch nicht Job eines Schauspielers, sich in irgendwas reinzusteigern, sondern -- wie 1of3 schon sagte -- etwas zur Schau zur stellen, und dazu gehört eben mehr als das sich Hineinversetzen in eine Figur.

Von daher kriege ich das, was viele Immersion nennen, ohne Meta gar nicht hin. Und eine völlige Immersion würde mir auch gar keinen Spaß machen, denn solange ich mich selbst beim Hineinversetzen nicht auch noch beobachten und lenken kann, hätte ich ja selbst gar nichts davon. Ich will ja nicht bloß jemand anders sein und davon gar nichts mitkriegen. Vielmehr bereitet die Interaktion zwischen dem von mir selbst -- u.a. durch Hineinversetzen -- Dargestellten und meinem Intellekt, meinen Vorstellungen, meinem Urteil, meinem Geschmack, also der Metaebene, den Kitzeln, den "immersives" Rollenspiel für mich ausmacht.

Ich kann Jibas Überlegungen sehr viel abgewinnen, Marzaans Sicht trifft bei mir auf keine Zustimmung.
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Offline Issi

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #33 am: 8.07.2019 | 09:53 »
Einer der Gründe, weshalb mich manche Äußerungen zum Thema Immersion irritieren und ich Jiba in Vielem zustimmen muss, sind diese Vorstellungen von Schauspiel, die ich nach einiger eigener Schauspielerfahrung schlicht nicht nachvollziehen kann.

Denn als Schauspieler betätigt man sich fast ständig nebenbei als Kulissenschieber. Man beachtet die Choreografie, die Beleuchtung (man muss im Spot bleiben), sorgt dafür, dass Requisiten an der richtigen Stelle sind, überlegt sich, was man macht, wenn sie das nicht sind, wartet auf Stichworte, überlegt fieberhaft, wie man Dialoge rettet, wenn andere Leute auf der Bühne Text weglassen oder abändern, man bangt, ob man das Taschentuch so aus der Hose kriegt, dass der Zettel ebenfalls herausfliegt und möglichst gut sichtbar zu Boden segelt, man ist sich ständig bewusst, dass der Blick durchs Fenster sich nicht wirklich in den Park öffnet, sondern das dort ein Bühnenbildner steht und einem wild fuchtelnd was mitteilen will, überhaupt werden Kulisse, der für das Publikum sichtbare und der nicht sichtbare Bühnenraum und Requisiten bei allem stets mitgedacht, eine "richtige" Immersion findet da eigentlich nicht statt, oder wenn, dann nur sehr vorübergehend. Es ist ja schließlich auch nicht Job eines Schauspielers, sich in irgendwas reinzusteigern, sondern -- wie 1of3 schon sagte -- etwas zur Schau zur stellen, und dazu gehört eben mehr als das sich Hineinversetzen in eine Figur.

Von daher kriege ich das, was viele Immersion nennen, ohne Meta gar nicht hin. Und eine völlige Immersion würde mir auch gar keinen Spaß machen, denn solange ich mich selbst beim Hineinversetzen nicht auch noch beobachten und lenken kann, hätte ich ja selbst gar nichts davon. Ich will ja nicht bloß jemand anders sein und davon gar nichts mitkriegen. Vielmehr bereitet die Interaktion zwischen dem von mir selbst -- u.a. durch Hineinversetzen -- Dargestellten und meinem Intellekt, meinen Vorstellungen, meinem Urteil, meinem Geschmack, also der Metaebene, den Kitzeln, den "immersives" Rollenspiel für mich ausmacht.
Zur Schauspiel Erfahrung:
Das kommt vermutlich auch auf den jeweiligen Menschen an.
Es gibt Leute die machen sich vor dem Auftritt mordsmässig Stress, denken an alles Mögliche.
Aber wenn sie dann auf der Bühne stehen, ist der aufeinmal wie weg.
Man gerät in einen Flow. Eine Art "Wurmloch", in der man ganz die Figur ist.
Sowas gibt es auch.

Das heißt, der unnötige "Mindfuck" ist ausgeblendet, aber das Umfeld wird noch wahrgenommen. Je nach Bedarf genauer oder ungenau.
Aber nie so, dass es den Flow stört.

Ist ja beim Rollenspiel ähnlich.
Hat vielleicht auch was mit " sich selbst vorübergehend loslassen " zu tun.
Was jetzt nicht zu einem totalen Kontrollverlust führt, im negativem Sinne.

Es ist mehr "Spielen ohne Handbremse."
Oder eben ohne Angst. Und die muss man im Rollenspiel mMn.  ja echt nicht haben.
Es gibt keinen Regisseur, kein Drehbuch und keinen Text.
Und kein Publikum, das für sein Geld was erwartet. Nicht mal die Presse ist da.  :D

« Letzte Änderung: 8.07.2019 | 11:39 von Issi »