Das liegt daran, dass Story nicht das Maß aller Dinge im Rollenspiele ist und auch nicht sein sollte. Es ist stattdessen eine, wichtige Facette des Spiels.
Dein Post zeigt, wie unterschiedlich die Auffassungen darüber sind, was "Rollenspiel" überhaupt ist.
Individuelle Handlungen lassen sich nicht im Erzählspiel durch Würfel simulieren, auch nicht mit einer Gauss'schen Normalverteilung, die ich über einen W% ziehe. Das ist eine ganz grundsätzliche Fehlvorstellung davon, wie (Rollen-)Spiele funktionieren. Es gibt nämlich realweltlich keine
Wahrscheinlickeit dafür, ob ich den Bösewicht mit meinem Schwert treffe oder nicht. Es gibt auch keine
Wahrscheinlichkeit dafür, ob es mir gelingt, die Kiste zu öffnen oder nicht.
Beispielszenario:Der Dieb betritt den Raum und findet eine einfache kleine Holzkiste (mit einfachem Bundbartschloss meinetwegen) und eine monströse Stahlkiste (mit ebenso monströsem Schloss) vor. Der Dieb entscheidet sich nur eine der beiden Kisten zu öffnen.Szenario A)
Im traditionellen Rollenspielsystem wäre diese Szene sehr leicht aufzulösen: Die kleine Holzkiste hat sagen wir einen DC von 12, die stählerne Kiste einen DC von 35 (<- oder was auch immer!). Die Erfolgswahrscheinlichkeiten liegen weit auseinander.
Szenrario B)
Bei DW könnte der Zug "Handwerkszeug" ausgelöst werden.
Handwerkszeug
Wenn du Schlösserknacks, [...] Würfel+GE
*bei einer 10+ gelingt es dir ohne Probleme.
* [...]
Die Wahrscheinlichkeit, dass es gelingt, das Schloss zu öffnen (und zwar ohne Probleme), ist für beide Kisten jeweils gleich!
Dieser scheinbare Widerspruch lässt sich auflösen, wenn man sich folgendes vor Augen führte:
In beiden Szenarien ist folgende Aussage wahr: der Dieb
kann beide Kisten öffnen!
Die Annahme, der Dieb hätte in dem beschriebenen Beispiel eine "höhere" Chance die kleine Kiste zu öffnen, als die große, ist eine Illusion, die dem Spielsystem geschuldet ist. Tatsächlich gibt es überhaupt gar keinen Grund für diese Annahme. Denn: Entweder er
kann sie öffnen oder er kann sie
nicht öffnen. Es gibt kein
Vielleicht, dass einer Simulation zugänglich wäre. Die Spielleitung hat aber beim Erstellen des Szenarios bereits
verbindlich festgelegt, dass der Dieb die Kisten öffnen
kann. Was der Würfelwurf also
tatsächlich entscheidet, ist die Verteilung des Erzählrechts darüber, welche Auswirkungen die Handlungen des Spielers in der Erzählung haben sollen (Outcome authority nach Ron Edwards). Diese Verteilung kann selbst verständlich zufällig gestaltet werden. Mit einer Simulation hat dies aber nichts zu tun. Dennoch neigen wir dazu, Szenario A) sofort für plausibel zu halten. Erreicht der Dieb den DC von 35 freut er sich über die gelungene Probe. Die Beschreibung der Kisten hätte die Spielleitung aber auch komplett weglassen und auf die Aussage reduzieren können:
Es gibt zwei Kisten, eine hat einen DC von 12 und eine einen DC von 35.
PbtA und DW haben einen völlig anderen Ansatz. Sie betrachten die Erzählwelt aus den Augen der Protagonisten/Spieler. Entscheidend ist weniger das
Ob, sondern das
Was passiert,
wenn. Und hierfür ist mehr als eine bloße Beschreibung der Gegebenheiten notwendig. Konsequenzen und Folgen des Handelns leiten sich unmittelbar aus der Geschichte und den Geschehnissen und der Entscheidungen der Spieler ab. Was ist denn, wenn ich die Stahlkiste öffne? Oder was ist, wenn es mir
nicht gelingt? Hieraus entsteht der beschriebene
Schneeball-Effekt. Die Geschichte wird dynamisch, lebendig und damit - jedenfalls für mich - interessant.