James war Akademiker in einer Zeit, als sich für viele Dozenten und Forscher ihr komplettes Leben an der Hochschule abspielte. Diese Menschen hatten Wohnungen mit Putzdienst auf dem Campus, aßen in der Mensa, sprachen nur mit Fachkollegen und Studenten und hatten selten ein Familienleben oder generell Kontakt zum normalen Alltag außerhalb der Hochschulwelt. Das war im Prinzip eine große WG von Nerds, die den Spaß ihres Lebens daran hatten, gemeinsam und ungestört ihren Interessen und Hobbies nachzugehen. James hat sich mit mittelalterlicher Literatur und Geschichte befasst und sein Hobby war das Schreiben von Geistergeschichten. Die hat er regelmäßig seinem Bekanntenkreis von Mitakademikern vorgelesen und in Sammelbändchen veröffentlicht.
Das Besondere an den Geschichten ist, dass James Elemente moderner und traditioneller Geistergeschichten verbindet. In der Antike und im Mittelalter sind Geister üblicherweise Boten überirdischer Mächte. Ihr Zweck ist es, den Lebenden etwas zu sagen oder ihr Handeln zu beeinflussen. Der Geist ist dabei nur ein Bild, ein Mittel, um diesen Effekt zu erzielen. Moderne Geister sind dagegen Personen mit Motiven und einer Psychologie. Sie vertreten keine kosmische Macht, sondern ihr Erscheinen hat einen persönlichen inneren Grund. James verbindet beide Elemente, seine Geister sind daher oft mystischer und unmenschlicher als die üblichen Gespenster, haben ihren Grund aber meistens in einer Untat oder einer Tragödie ohne Notwendigkeit von göttlicher oder teuflischer Autorität. Das nimmt viele Elemente vorweg, die wir heute aus Horrorfilmen kennen, die ich vielleicht "dämonisch" nennen würde, sowas wie "A Nightmare on Elm Street" oder "Annabelle" oder "The Ring", wo die Bedrohung in menschlichem Leid ohne wichtige religiöse Komponente seinen Anfang nimmt, aber dann die Gestalt eines monströsen Gegners mit nicht abzuschätzenden Fähigkeiten annimmt, der kein Mensch mehr ist.
Dazu kommt der besondere Blickpunkt der James-Geschichten, der der Lebenserfahrung des Autors geschuldet ist. Alle handelnden Charaktere sind entweder Bildungsmenschen oder Hauspersonal, als gäbe es keine anderen Leute auf der Welt. Dabei sind die Personen nicht einmal unbedingt besonders intelligent oder gebildet, aber sie gehören zu einer geekigen, verschrobenen Kultur, die man damals an Universitäten gezüchtet hat. Das sind Protagonisten, die stundenlang durch die Pampa wandern, um sich an irgendwelchen Kirchen zu erfreuen, während sie alle anderen Menschen um sich ignorieren — um dann plötzlich ein ellenlanges Gespräch mit irgendeinem wildfremden Pfarrer oder Küster zu führen, die sie automatisch als gültige Gesprächspartner und Stammesmitglieder akzeptieren. Ich denke, das zeigt viel von der Weltsicht von James und seinen Kollegen und ich finde es immer wieder faszinierend. Und weil James was Leute angeht über etwas schreibt, was ihm gut bekannt ist, wirken die Charaktere und Interaktionen auch ziemlich authentisch.
Ich persönlich mag die Geschichten sehr gern und habe da auch mit jedem neuen Lesen mehr Spaß dran. Aber James' Stil ist nicht besonders mitreißend und spektakulär. Auch mit Konflikten und Bedrohungen ist er teilweise sehr sparsam, manchmal besteht die Haupt"gefahr" des Spuks darin, das geordnete Leben von weltfremden Professoren zu stören. Und bei James' vielen Geschichten gibt natürlich auch einige halbgelungene, obskure, einfallslose Exemplare, die man nicht unbedingt gelesen haben muss. Andererseits ist James extrem gut darin, die Spannung einer Geschichte mit immer neuen kleinen Details und Ereignissen zu halten, wenn man sich auf das Tempo einlassen kann. In Sachen Stimmung und Atmosphäre kann man sich da durchaus eine Scheibe von abschneiden.
Klassische Geschichten von James sind z.B. "Casting the Runes", "Count Magnus", "Oh, Whistle, and I'll Come to You, My Lad", "The Mezzotint". Die verschaffen auf jeden Fall einen guten Eindruck und wer mit denen nicht klarkommt, braucht gar nicht weiter zu lesen, groß etwas anderes kommt da nicht mehr.