Man kann ja zum Einen den Bösen als Antagonisten spielen, auch als Spieler, dann macht man eigentlich nichts anderes, als als SL. In manchen One-Shot-Runden ist es ein lohnenswertes Set-Up, dass ein Spieler den Antagonisten übernimmt. Dabei erteilt man dann stillschweigend seine Einwilligung, dass der eigene SC durch die anderen SCs bekämpft und getötet werden darf und soll. Ist mal eine ganz andere Dynamik am Tisch und dadurch reizvoll. Sowohl darstellerisch als auch in meiner Autorenrolle als Spieler kann ich Freude daran haben, den Mitspielern einen erinnerungswürdigen Bösewicht zu servieren, den sie so richtig schön hassen (aber auch ein kleines bisschen bewundern), eben wie die besten Antagonisten in Film und Buch.
Zum Anderen kann man aber auch als ganze Gruppe - sogar als Kampagne - die Faszination des Bösen erkunden. Ich habe dazu nicht oft den Drang verspürt, aber insbesondere eine kurze, aber intensive Vampire-Sabbath-Runde ist mir sehr bleibend in Erinnerung. Was mich daran reizt:
* Die Herausforderung, in Gedankenwelten einzutauchen, die einem selbst fremd sind, und diese plausibel zu gestalten. Hier hat mich beim Sabbath-Hintergrund vor allem die Ideologie des Bösen fasziniert, zumal der Sabbath eine offensichtliche Parabel für terroristische Organisationen der realen Welt ist.
* In den eigenen Abgrund blicken, die eigene dunkle Seite, die (hoffentlich) durch ein mehr oder minder intaktes Gewissen im Zaum gehalten wird, einmal im "sicheren Modus" von der Leine lassen.
* Abwechslung: Ein böser Protagonist is einfach mal etwas anderes als sonst, und für Charakterdarsteller und -entwickler, meinetwegen Method Actors, gibt es dort eine ganze Menge zu entdecken. Nehmt z.B. House of Cards: Frances Underwood ist ein durch und durch böser Charakter, und doch ist er der Protagonist, er weckt einfach ungeheuer das Interesse des Zuschauers. Gerade wenn der böse Protagonist sich in äußerster Bedrängnis durch Einfallsreichtum, Entschlossenheit und Können behauptet, wenn er auch seine "Redeeming Qualities" hat, die ihn noch menschlich, vielleicht sogar noch nicht jenseits jeder Rettung erscheinen lassen, ermöglicht dies die für das Interesse an der Geschichte nötige Identifikation.