Die Aussage gab es ja für Erzählspiele mit der WoD doch auch schon. Bis dann neue Systeme kamen und gezeigt haben, dass es doch einen Unterschied macht, ob die Regeln den geflufften Spielstil wirklich unterstützen.
Bei der WoD sieht man jetzt mit einigem Abstand aber auch ohne den Vergleich mit erfolgreicheren späteren Versuchen, dass das Ganze strukturell bedingt ein Strohfeuer bleiben musste.
Wenn sich Regelwerk und angepeilter, auch von den Spielern gewünschter Spielstil derart beißen, fliegt irgendwann das Regelwerk weg.
Deswegen hat sich da auch die LARP-Strömung viel besser gehalten.
Bei V:tM, Shadowrun, DSA ... war das recht bald nicht mehr der Fall. Weil ein redaktionell kontrollierter Metaplot erzählt wurde und die Spielwelt eben doch Bühne wurde.
Das war allerdings ein Stück weit bei DSA und ganz besonders bei SR etwas, das man mitmachen
konnte, aber nicht
musste - und man konnte jederzeit zwischen diesen Modi wechseln, was mMn nicht unwichtig für den Markterfolg war.
Das ist auch mein Eindruck. Und es ist auch plausibel: Bei dem, was ich von Forge GNS mitbekommen habe, war Simulation immer "das andere".
Wie Vermi schon sagte: Man
wollte sich damit auch gar nicht befassen. Das war selbst zu Hochzeiten des Modells schon der offensichtliche blinde Fleck von GNS.
Was natürlich (nur) heißt, dass man für eine Weiterentwicklung in diesem Bereich erst gar nicht zur Forge schauen muss. Es heißt aber nicht, dass da gar nichts passiert wäre - nur eben deutlich dezentraler.
Also man kann ab Mitte/Ende der 80er ausmachen, wie Spiele komplexer wurden und versuchten die (Pseudo-)Realität genauer abzubilden. Man vergleiche einmal einen OSR-Retroclone mit Shadowrun oder Cyberpunk 2020 und beachte die Schusswaffenmodifkatoren in diesen beiden Spielen. Man lasse mal die ellenlangen Skill-Listen in den typischen 90er-Spielen Revue passieren oder deren Listen mit Vor- und Nachteilen.
Man sieht allerdings vielen auch an, wie sie an diesem Abbildungsanspruch scheitern. Manch ein Exot wie Phoenix Command, weil man es ganz besonders "richtig" machen wollte und sich hoffnungslos verrannt hat.
Die meisten aber aus dem recht banalen Grund, dass man entweder im Ansatz schon keine genaue Vorstellung bzw. kein Wissen über das hatte, was man da abbilden wollte oder dass man es im zweiten Schritt nicht geschafft hat, das in elegante Spielmechanik zu gießen.
So verlor diese Art Crunch schnell die Bodenhaftung und und wurde Selbstzweck.
Positive Gegenbeispiele sind Millennium's End oder Twilight 2013. Bei ersterem verstand es der Autor auffallend gut, sich "trotz" seines umfangreichen Hintergrundwissens auf das Wesentliche zu beschränken. Letzteres glänzt vor Allem durch hervorragend kommunizierte Designentscheidungen.
Dazu muss man sagen: ME ist so alt, das ist schon gar nicht mehr wahr...das kam damals in der Hochphase der genannten Entwicklung als Kontrapunkt genau richtig, konnte sich aber gegen die Crunch-Dealer nicht durchsetzen.
T2013 ist wesentlich jünger, hat aber mMn hauptsächlich deswegen keine Resonanz gefunden, weil der Leidensdruck bei der potentiellen Zielgruppe längst nicht groß genug war, um sich solche Newcomer allein im Hinblick auf die Spielmechanik genauer anzuschauen.
Für beide gilt, dass sie in Sachen Simulation ein gutes Stück weit "lightning in a bottle" sind.
Die Designziele sind die altbekannten, aber man hat einen anderen Weg zur Erfüllung gefunden: Nicht immer mehr Crunch, dessen eventuelle Korrektur nach Spieltests oder in der Folgeedition noch mehr Crunch nach sich zieht. Stattdessen hat man es verstanden, auf der Grundlage von viel Recherche, Fachwissen und Spieltests recht schlanke und trotzdem simulativ sehr leistungsfähige Spielmechanik zu machen.
Das geht aber nur mit einem Team, das nicht nur hervorragend zueinander passt und früh eine stringente Designperspektive findet, sondern auch das entsprechende Wissen mitbringt oder sich zielführend aneignen kann.
Da wird es ganz schnell dünn mit Kandidaten und entsprechend selten sind wirklich gelungene Versuche. "Macht eure Sache einfach sehr gut" ist keine taugliche Handlungsanweisung für Spieldesigner und selbst wenn es eine wäre, würde es sich nicht in der Fläche umsetzen lassen.
Und ist zum Teil auf dem Rückzug: siehe zB die neuesten Versionen von D&D oder Shadowrun. Man vergleiche auch Savage Worlds mit GURPS.
Das liegt daran, dass sowohl die gamistische Old School als auch die narrativistischen Indiegames sich sehr erfolgreich als Trend inszeniert haben und aus beiden Lagern nicht mit Kritik gespart wird.
D&D hat sich von der alten Crunch-Orgie gelöst und ist sicher auch deswegen erfolgreich; das ist aber nicht deckungsgleich mit der (totalen) Abkehr von Simulation. Im Grunde geht D&D da einen ganz guten Weg.
Shadowrun dagegen hat ein massives Umsetzungsproblem. Die 5. Edition ist ein völlig ausgeufertes, unhandliches Crunch-Monster alter Schule analog zu D&D 3 oder 3.5 - das ist nicht nur aus der Zeit gefallen, sondern einfach grundsätzlich nicht zu gebrauchen.
Anarchy hat die Verschlankung dagegen zu weit getrieben und sich von der Simulation völlig verabschiedet. Bei der 6. Edition wird das wohl struktruell ähnlich sein, aber das müssen wir abwarten.
Grundsätzlich meine ich aber zu erkennen, dass die Kritik aus den beiden genannten Ecken zwar recht laut ist, aber die beiden Trends ihren jeweiligen Höhepunkt erreicht haben. Eine Ablösung der althergebrachten Mischformen von Gamismus und Simulation hat in der Fläche nicht stattgefunden und wird auch weiterhin nicht stattfinden - das sind alles Randerscheinungen und Nebenschauplätze.
Dementsprechend ist die Diskussion und das Position beziehen für den Simulationismus zwar gefühlt hier und da mal nötig, aber bewegt sich auch in der Peripherie.
Die breite Masse spielt die o.g. Mischform und bekommt weder von den "Angriffen" auf diese Spielform noch von der "Verteidigung" etwas mit. Die Mehrzahl der Spieler kann ja noch nicht mal die Probleme nachvollziehen, die OSR oder Indies lösen woll(t)en.