Autor Thema: Verrückt aber spielbar?  (Gelesen 3586 mal)

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Verrückt aber spielbar?
« am: 2.09.2019 | 10:48 »
In 'Cthulhu Apocalypse' wird davon ausgegangen, dass die Spieler Spass daran haben werden, verrückt zu werden.
Originaltext "It also robs the player of the opportunity to play someone truly, utterly mad."
Das ist jedoch ein gewagter Ansatz, den ich per se so nicht unterschreiben würde.

Das Problem bei dem Spass ist, dass ein Char, dessen geistige Stabilität Null erreicht hat - laut Original Regeln - aus dem Spiel genommen wird und fortan ein NSC ist.

Die neue, alternative Regel besagt, dass der SL den Spielern erlauben soll, rollenspieltechnisch 'verrückt zu spielen'.
Prinzipiell ist der Char durch. Der Spieler darf weiterhin Investigative und General Skills des Chars nutzen, der Char kann aber weder weitere geistige Stabilität verlieren, noch welche hinzugewinnen.

Als Beispiel wird der Saboteur Danforth angeführt, der in der Kampagne BEYOND THE MOUNTAINS OF MADNESS (dt. BERGE DES WAHNSINNS) versucht, die neue Expedition in die Antarktis zu verhindern.

Wäre eine getriebene, leere Hülle, die nur noch funktioniert, etwas für Euch?
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Re: Verrückt aber spielbar?
« Antwort #1 am: 2.09.2019 | 11:56 »
Sind NSC wie Joseph Curwen, Ephraim/Asenath Waite, und die Whateley-Familie "getriebene leere Hüllen, die nur noch funktionieren"? Der Gedanke beißt sich für mich schon irgendwie stark mit dem Eindruck, den sie in Lovecrafts Originalgeschichten bei mir hinterlassen...nichtsdestotrotz gibt ihnen mein (mittlerweile zugegeben etwas veraltetes) SL-Handbuch durch die Bank eine gS von Null. :think:

(Und ja, das ist einer der wiederkehrenden Gründe, aus denen die CoC-Definition und -Handhabung von "Wahnsinn" für mich nicht wirklich taugt.)

Offline Hotzenplot

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Re: Verrückt aber spielbar?
« Antwort #2 am: 2.09.2019 | 12:20 »
Kurz: Ja.

Lang: Ich gehe mit nobodys Problem mit der Definition von Wahnsinn mit (bin ja noch nicht tief in der CoC-Welt drin, deshalb beantworte ich das allgemeiner), aber wenn mir der SL ungefähr sagt, in welcher Form sich der Wahnsinn äußert, dann gerne. Habe durchaus Spaß an sowas. Allerdings jetzt auch nicht unbedingt eine ganze Kampagne lang. ;)
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Offline Caranthir

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Re: Verrückt aber spielbar?
« Antwort #3 am: 2.09.2019 | 12:41 »
Gestige Stabilität auf einer Skala messen zu wollen, ist ohnehin gewagt. Und ehrlich gesagt finde ich den Umgang mit Geisteskrankheiten an der Stelle nicht mehr zeitgemäß. Was heißt denn die Null bei geistige Stabilität? Dass man den Alltag nicht mehr bewältigen kann? Dass man nur noch kichernd vor sich hin brabbelt? Wenn das nicht der Fall ist, warum ist der Charakter dann unspielbar?

Wir kennen doch alle Menschen aus den Medien (und erschreckenderweise auch aus dem realen Leben), denen ich nicht wirklich viel Stabilität geben würden  ;), aber wären die unspielbar? In Cthulhu (zumindest in den Editionen die ich kenne) fehlen mir Tipps zum richtigen Umgang mit Geisteskrankenheiten. Ein Augenöffner war da das Fate Accessibility Toolkit.

Also kurz, nein, ich hätte kein Problem damit, einen Charakter mit gestiger Stabilität 0 zu spielen, was das heißt, sollte man dann aber mir überlassen.
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Re: Verrückt aber spielbar?
« Antwort #4 am: 2.09.2019 | 12:42 »
Wahnsinn ist ka auch nicht gleich Wahnsinn. Es ist schon ein Unterschied ob ich einen sabbernden Lappen oder einen paranoiden Ermittler spielen soll. Ersteres wäre nicht als SC zu gebrauchen. Letzteres durchaus  :)

Offline Der Läuterer

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Re: Verrückt aber spielbar?
« Antwort #5 am: 2.09.2019 | 13:17 »
Sind NSC wie Joseph Curwen, Ephraim/Asenath Waite, und die Whateley-Familie "getriebene leere Hüllen, die nur noch funktionieren"?
Die Crux ist, dass die Genannten allesamt NSCs sind.
Und DIE dürfen laut Regelwerk auch wahnsinnig sein.
Ein wahnsinniger Char wird automatisch zum NSC und dem Spieler aus der Hand genommen.

Und ja, das ist einer der wiederkehrenden Gründe, aus denen die CoC-Definition und -Handhabung von "Wahnsinn" für mich nicht wirklich taugt.
Das kann ich gut nachvollziehen.
Hintergrund einer solchen Regelung ist vermutlich, dass der Wahnsinnige nicht länger Gruppen-tauglich ist, da er fixe Ideen verfolgt und gänzlich in seine Paranoia, Manien, Phobien etc. versinkt.
Aber das ist nur eine Theorie.
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Offline Der Läuterer

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Re: Verrückt aber spielbar?
« Antwort #6 am: 2.09.2019 | 13:17 »
Bei unserem Cthulhu unterstütze ich das Spielen verrückter Chars durch die Spieler, soweit es geht immer, da ich es als bereichernd für das Setting empfinde. Sei es drum. Das ist aber Geschmacksache.

Tatsache ist, dass ein normaler Spieler (also kein ausgebildeter Schauspieler) kaum dazu in der Lage sein wird, einen Verrückten kontinuierlich glaubhaft zu spielen. Das ist m.M.n. rollenspieltechnisch kaum durchzustehen.

Und genau an dieser Stelle komme ich immer etwas ins Straucheln.

Einerseits habe ich es gerne, dass meine Spieler ihre Chars auch dann noch weiterführen, wenn sie schon over-the-edge sind. Das macht Laune und passt ins Konzept.
Andererseits - und da finde ich die Original Regel absolut stimmig - werden die Chars immer (innerhalb eines gewissen Rahmens) vernünftig handeln, solange sie von den Spielern geführt werden. Zumindest in meinen Runden bleiben die Chars stets Gruppen-tauglich.

Wobei wir jetzt zum nächsten Problem Punkt kommen.

Nichts ist für mich (innerhalb einer Kampagne) schlimmer, als eine Gruppe von Einzelgängern - Sonderlingen - Nonkonformisten, die nicht zusammenarbeiten können/wollen, sondern vielleicht sogar gegeneinander intrigieren und sich das ganze Spiel in Gruppen-internen (Interessens) Konflikten aufreibt.

Wenn die Chars jedoch realitätsnah dargestellt werden würden, dann müssten die Spieler sie eben genau so spielen.

Alles läuft somit auf einen (faulen) Kompromiss hinaus.
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Re: Verrückt aber spielbar?
« Antwort #7 am: 2.09.2019 | 13:26 »
bin ja noch nicht tief in der CoC-Welt drin, deshalb beantworte ich das allgemeiner
Genau die Beobachtungen von Aussenstehenden/Neulingen können für Veteranen wahre Augenöffner werden.

Wobei der Spass an der Darstellung für mich ebenso viel wiegt, wie Glaubwürdigkeit und Realismus.


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Re: Verrückt aber spielbar?
« Antwort #8 am: 2.09.2019 | 13:48 »
[/size]Das kann ich gut nachvollziehen.
Hintergrund einer solchen Regelung ist vermutlich, dass der Wahnsinnige nicht länger Gruppen-tauglich ist, da er fixe Ideen verfolgt und gänzlich in seine Paranoia, Manien, Phobien etc. versinkt.
Aber das ist nur eine Theorie.


Ich sag's mal so: aus meiner Sicht basiert die CoC-Idee von "Wahnsinn" hauptsächlich auf einer kleinbürgerlich-engen Definition von "Normalität", und wer dieser Standardnorm nicht genügt, wird dann eben schnell als seltsam, verdächtig, verrückt, oder sonstwie negativ abgestempelt. Das ist nun zwar keine ganz seltene Praxis (Lovecraft & Co. benutzen selbst genug "merkwürdige Typen" als Figuren, und natürlich gibt's auch ausreichend unschöne Vorbilder aus der realen Geschichte noch mindestens des späten 20. Jahrhunderts), hat aber mit der geistigen Gesundheit des so Abgestempelten im eigentlichen Sinn nicht viel zu tun -- nach dem CoC-Prinzip müßte eigentlich selbst so was wie Rockmusik zumindest bei der ach so leicht verführbaren Jugend zu Stabilitätsverlusten führen.

Offline Der Läuterer

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Re: Verrückt aber spielbar?
« Antwort #9 am: 2.09.2019 | 14:07 »
Gestige Stabilität auf einer Skala messen zu wollen, ist ohnehin gewagt. Und ehrlich gesagt finde ich den Umgang mit Geisteskrankheiten an der Stelle nicht mehr zeitgemäß. Was heißt denn die Null bei geistige Stabilität?
Ja. Vielleicht ist das Konzept wirklich überholt.
Das Ganze ist ein Modell. Eine Simulation. Die Madness Meters aus Unknown Armies sind zwar differenzierter, aber schlussendlich auch nichts anderes.

Dass man den Alltag nicht mehr bewältigen kann? Dass man nur noch kichernd vor sich hin brabbelt? Wenn das nicht der Fall ist, warum ist der Charakter dann unspielbar?
Hier würde ich unterscheiden.

Wahnsinn ist ka auch nicht gleich Wahnsinn. Es ist schon ein Unterschied ob ich einen sabbernden Lappen oder einen paranoiden Ermittler spielen soll. Ersteres wäre nicht als SC zu gebrauchen.
Und zwar zw. jemandem, der nicht mehr handlungsfähig ist und jemandem, der verrückt handelt.
Jemand, der sabbernd und inkontinent, in Embryonalhaltung, in einer Ecke hockt, ist raus.
Aber jemand, der wie der Joker/Twoface agiert und verrückte Dinge tut, ist drin.

Das ist in etwa so, als würde sich ein Char ein paar Kugeln einfangen.
Drei Bauchschüsse und der Char ist ums Eck; drei Streifschüsse und es geht weiter.

Fate Accessibility Toolkit
??? Okay. Das schaue ich mir mal an.

Also kurz, nein, ich hätte kein Problem damit, einen Charakter mit gestiger Stabilität 0 zu spielen, was das heißt, sollte man dann aber mir überlassen.
Wobei wir bei meinen Problemen zum Umgang mit dem Wahnsinn wären.
« Letzte Änderung: 2.09.2019 | 14:47 von Der Läuterer »
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Tegres

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Re: Verrückt aber spielbar?
« Antwort #10 am: 2.09.2019 | 14:10 »
Gestige Stabilität auf einer Skala messen zu wollen, ist ohnehin gewagt. Und ehrlich gesagt finde ich den Umgang mit Geisteskrankheiten an der Stelle nicht mehr zeitgemäß.
Ich sag's mal so: aus meiner Sicht basiert die CoC-Idee von "Wahnsinn" hauptsächlich auf einer kleinbürgerlich-engen Definition von "Normalität", und wer dieser Standardnorm nicht genügt, wird dann eben schnell als seltsam, verdächtig, verrückt, oder sonstwie negativ abgestempelt.
Die Menge an geistiger Stabilität ist genauso eine unrealistische Abstraktion wie Trefferpunkte. Ich finde das überhaupt nicht gewagt oder "kleinbürgerlich". Es ist einfach ein Spielmechanismus.

[...] -- nach dem CoC-Prinzip müßte eigentlich selbst so was wie Rockmusik zumindest bei der ach so leicht verführbaren Jugend zu Stabilitätsverlusten führen.
Hä?

Um zur Ausgangsfrage zurückzukommen:
Im Grundregelwerk selbst findet sich wiederum eine schöne Beschreibung dessen, was passiert, wenn ein Charakter auf 0 STA fällt: Nein, er wir kein brabbelndes Wrack, sondern ist einfach geistig so gebrochen, dass er jeglichen Antrie, auf weitere Abenteuer zu gehen, verliert. Vielleicht geht er in psychiatrische Behandlung, vielleicht zieht er sich still und einsam in sein Privatleben zurück. Vielleicht ebben die erlittenen Traumata irgendwann ab, aber die Erinnerung an das erlebte Grauen wird immer so überwältigend sein, dass er sich nicht weiter mit dem Mythos beschäftigen will.
Das brabbelnde Wrack finde ich übrigens als Beschreibung eines 0-STA-Charakters tatsächlich im Rahmen von Pulp-Runden durchaus angemessen (bei denen ja nun wirklich kein Anspruch an eine realistische Darstellung), in normalen Runden hingegen nicht.
Ich würde aufgrund der Beschreibung SCs mit 0 STA also nicht weiterspielen. Dies hat auch den gamistischen Grund, dass es für die Spieler ja irgendeine FGorm von Risiko geben muss, nämlich ihren Charakter wegen Tod oder Wahnsinn zu verlieren. Dieses Risiko ist natürlich hinüber, wenn man den Charakter dann doch noch weiterspielt. Vor allem könnte er sich nun mit deutlich weniger Risiko Mythosbegegnungen stellen, da er ja keine STA mehr einbüßen könnte. Den Charakter mit 0 STA würde ich also allein schon aus dem Grund ablehnen, dass es für die anderen Spieler unfair wären. Des Weiteren wäre der Charakter aufgrund seines Wahnsinns viel zu unberechenbar, als dass es für die anderen Charakter und Spieler Sinn machen würde, diesen mitzunehmen.

Bei NSCs mit 0-STA sehe ich das so: Diese sind in so tiefe Sphären des Mythos abgetaucht, dass ihr Verstand keinen menschlichen Denkmustern mehr gehorcht.
Es besteht also aus meiner Sicht zunächst ein Unterschied zwischen SCs mit 0 STA und NSCs mit 0 STA. Ehemalige SCs mit 0 STA können sich natürlich als NSCs anbieten, die trotz oder wegen des Wahnsinns, den sie erlebt haben, doch noch weiter in Mythoswerken lesen etc. und dadurch endgültig wahnsinnig werden.
Übrigens: Sind NSCs mit 0 STA nicht auch eine Art Mythoswesen?

Bezüglich Geisteskrankheiten kann ich zur weiteren Cthulhu-Lektüre Cthulhu NOW und Dementophobia empfehlen, die deutlich über das, was im Grundregelwerk dazu steht, hinaus gehen.
« Letzte Änderung: 2.09.2019 | 14:19 von Tegres »

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Re: Verrückt aber spielbar?
« Antwort #11 am: 2.09.2019 | 14:31 »
Hä?

Du hast die 50er/60er Jahre weder erlebt noch dich ansonsten besonders mit ihren (pop)kulturellen gesellschaftlichen Normen befaßt, richtig? ;)

Andere Beispiele, die mir so einfielen, wären die Einstufung von nicht standardgemäß-heterosexueller Orientierung als Geisteskrankheit, der angebliche verderbliche Einfluß von Rollenspielen während der "Satanic Panic" drüben in den USA in den 80ern, oder meinetwegen auch die "Gewaltverherrlichung" durch Videospiele. Die Stabilitätsregeln von Call of Cthulhu spiegeln aus meiner Sicht gerade diese Art von meist erzkonservativem Verfolgungswahn ironischerweise sehr gut wieder, indem sie aus allem, was nicht hinreichend "genormt" ist, sofort eine Bedrohung für den Verstand des Einzelnen und für die Menschheit als Ganzes machen.

Tegres

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Re: Verrückt aber spielbar?
« Antwort #12 am: 2.09.2019 | 14:38 »
Ich finde das einfach eine Überinterpretation. Lass uns aber gerne per PN weiterdiskutieren.

Offline Der Läuterer

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Re: Verrückt aber spielbar?
« Antwort #13 am: 2.09.2019 | 15:05 »
nach dem CoC-Prinzip müßte eigentlich selbst so was wie Rockmusik zumindest bei der ach so leicht verführbaren Jugend zu Stabilitätsverlusten führen.
Die Frage hier sollte lauten: Was glaubt man, könnte zu geistigen Störungen führen, und was ist tatsächlich nachweisbar.

Vor der Eröffnung der ersten Eisenbahnstrecke Nürnberg-Fürth, wurden Schwangere von einigen Ärzten davor gewarnt, dass die hohe Geschwindigkeit - 30 km/h - zu einer Fehlgeburt würde führen können.
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Re: Verrückt aber spielbar?
« Antwort #14 am: 2.09.2019 | 15:11 »
Zitat von: Der Läuterer link=topic=112213.msg134789772#msg134789772
  Wobei wir bei meinen Problemen zum Umgang mit dem Wahnsinn wären.

Und da würde ich bei Cthulhu eben gerne differenzierter rangehen. Wenn man jetzt sagt, dass jemand brutaler Gewalt ausgesetzt war, ist das etwas völlig anderes, als wenn man einem Mythoswesen begegnet. Wenn mir das passiert und ich gegen den Mythos kämpfen will, dann bin ich vielleicht bei Stabilität 0 nicht raus. Ich muss vielleicht nicht mal zum Gegner der Gruppe werden. Vielleicht steigere ich mich einfach nur extrem in diesen Konflikt, leide unter Depressionen, Angststörungen und PTSS.

Ich würden diesen Charakter auch nicht übertrieben und grotesk spielen wollen. Das wäre respektlos gegenüber Leuten mit echten psychischen Erkrankungen. Man kann da auch vieles einfach beschreiben und andeuten, was in dem Charakter gerade vorgeht.

Und zu deiner Frage nach dem Fate Accessibility Toolkit: Das ist ein Fate Quellenband, in dem erläutert wird, wie köperliche und geistige Erkrankungen/Behinderungen am Spieltisch sowohl von Spielerseite als auch Charakterseite aufgegriffen werden können. Sowas hat mir bei Cthulhu irgendwie immer gefehlt. Da Lovecraft durchaus fragwürdige Ansichten in Bezug auf was normal ist vertrat, würde ich mir da auch beim Rollenspiel Cthulhu inzwischen mehr Gedanken machen.
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Offline Der Läuterer

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Re: Verrückt aber spielbar?
« Antwort #15 am: 2.09.2019 | 15:36 »
Ich würden diesen Charakter auch nicht übertrieben und grotesk spielen wollen. Das wäre respektlos gegenüber Leuten mit echten psychischen Erkrankungen.
Sorry. Aber das ist doch ein Scherz, oder?
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Re: Verrückt aber spielbar?
« Antwort #16 am: 2.09.2019 | 15:38 »
Und da würde ich bei Cthulhu eben gerne differenzierter rangehen. Wenn man jetzt sagt, dass jemand brutaler Gewalt ausgesetzt war, ist das etwas völlig anderes, als wenn man einem Mythoswesen begegnet.
Für eine Differenzierung der Ursache des Verlusts an geistiger Stabilität lohnt ein Blick auf FHTAGN/Delta Green bzw. Unknown Armies. Bei ersterem wird zwischen "Gewalt", "Hilflosigkeit" und "Übernatürlichem" unterschieden. Bei den ersten beiden Sachen können Abhärtungen entstehen, die weitere Stabilitätsverluste aus diesen Quellen verringern. Bei "Übernatürlichem" geht das nicht (man kann sich nicht an die fremdartige Natur des Mythos gewöhnen). Bei Unknown Armies gibt es zusätzlich noch "Identität" und "Isolation" und man kann gegen alle Wahnsinns-Quellen abgehärtet werden.

Nochmal etwas allgemeiner zum Thema Darstellung von Wahnsinn: Aus meiner Sicht ist "Hollywood-Wahnsinn" vollkommen ok (genauso, wie "Hollywood-Gewalt"). Ich habe gar nicht das Bedürfnis, echte Geistesstörungen am Spieltisch darzustellen. Zum Einen bin ich zwar ein halbwegs vernünftiger "method actor", aber für realistische Geisteserkrankungen fehlt mir doch ein wenig schauspielerisches Talent. Zum Anderen soll der Spielabende ja auch Spaß machen, und die Themen Depression oder posttraumatische Belastungsstörung sind nicht gerade die spaßigsten Themen.
Die Darstellung von "Hollywood-Wahnsinn" muss nicht in Slapstick ausarten, aber Klischees dürfen aus meiner Sicht gerne verwendet werden. Diese können dafür ja gerne an anderer Stelle gebrochen werden.
Für mich persönlich ist Rollenspiel einfach das falsche Medium, um mich ernsthaft mit echten psychischen Erkrankungen auseinanderzusetzen. Also probier ich dies gar erst nicht am Spieltisch. Deswegen ein Kommentar hierzu:
Ich würden diesen Charakter auch nicht übertrieben und grotesk spielen wollen. Das wäre respektlos gegenüber Leuten mit echten psychischen Erkrankungen.
Mit einer übertriebenen Darstellung wird doch keine Abwertung von Menschen mit psychischen Krankheiten betrieben. Die meisten Rollenspieler sind einfach keine Schauspieler und müssen zwangsläufig overacten, damit gewisse Aspekte ihres Charakters in der Hektik und Länge eines Spieleabend sowie der Unaufmerksamkeit ihrer Mitspieler nicht untergehen.

Und zu deiner Frage nach dem Fate Accessibility Toolkit: Das ist ein Fate Quellenband, in dem erläutert wird, wie köperliche und geistige Erkrankungen/Behinderungen am Spieltisch sowohl von Spielerseite als auch Charakterseite aufgegriffen werden können.
Wie wird denn die Verknüpfung von Charakter und Spieler dort regeltechnisch umgesetzt?

Sowas hat mir bei Cthulhu irgendwie immer gefehlt.
Frage aus Neugierde: Was hat dir genau gefehlt?

Da Lovecraft durchaus fragwürdige Ansichten in Bezug auf was normal ist vertrat, würde ich mir da auch beim Rollenspiel Cthulhu inzwischen mehr Gedanken machen.
Ich finde nicht, dass man dies unbedingt machen muss. Ja, als Fan von Lovecraft (wie ich einer als DLG-Mitglied bin) sollte man über die problematischen Ansichten von Lovecraft bescheid wissen und sie nicht unter den Teppich kehren. Als stinknormaler Rollenspieler halte ist das nicht für notwendig, schließlich beschäftigt man sich mit dem Rollenspiel und das ist als solches verhältnismäßig wertneutral. Wenn man sich darüber hinaus noch mit den Hintergründen beschäftigt, umso besser, aber ich denke, man kann den Leuten auch den ganz "unschuldigen Spaß" am Hobby lassen.
« Letzte Änderung: 2.09.2019 | 15:56 von Tegres »

Offline Caranthir

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Re: Verrückt aber spielbar?
« Antwort #17 am: 2.09.2019 | 15:39 »
Sorry. Aber das ist doch ein Scherz, oder?

Ganz und gar nicht, aber vielleicht willst du das noch ein bisschen näher ausführen. 
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Re: Verrückt aber spielbar?
« Antwort #18 am: 2.09.2019 | 15:44 »
Nochmal etwas allgemeiner zum Thema Darstellung von Wahnsinn: Aus meiner Sicht ist "Hollywood-Wahnsinn" vollkommen ok (genauso, wie "Hollywood-Gewalt"). Ich habe gar nicht das Bedürfnis, echte Geistesstörungen am Spieltisch darzustellen. Zum Einen bin ich zwar ein halbwegs vernünftiger "method actor", aber für realistische Geisteserkrankungen fehlt mir doch ein wenig schauspielerisches Talent. Zum Anderen soll der Spielabende ja auch Spaß machen, und die Themen Depression oder posttraumatische Belastungsstörung sind nicht gerade die spaßigsten Themen.
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Für mich persönlich ist Rollenspiel einfach das falsche Medium, um mich ernsthaft mit echten psychischen Erkrankungen auseinanderzusetzen. Also probier ich dies gar erst nicht am Spieltisch.

Dem kann ich mich voll und ganz anschließen.
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Re: Verrückt aber spielbar?
« Antwort #19 am: 2.09.2019 | 15:58 »
Ich würden diesen Charakter auch nicht übertrieben und grotesk spielen wollen. Das wäre respektlos gegenüber Leuten mit echten psychischen Erkrankungen. Man kann da auch vieles einfach beschreiben und andeuten, was in dem Charakter gerade vorgeht.
Sorry. Aber das ist doch ein Scherz, oder?
Ganz und gar nicht, aber vielleicht willst du das noch ein bisschen näher ausführen.
Meinen Senf dazu habe ich oben ergänzt.

Offline Der Läuterer

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Re: Verrückt aber spielbar?
« Antwort #20 am: 2.09.2019 | 16:03 »
Ganz und gar nicht, aber vielleicht willst du das noch ein bisschen näher ausführen.
Okay. Kurz OT. Persönlich empfinde ich das völlig überzogen.

Dann dürfte ich, weder als SL noch als Spieler, Verletzungen auch nicht mehr bildhaft darstellen.
Ein blutüberströmter Verletzter, taumelnd und strauchelnd, um Hilfe rufend, bis seine Stimme bricht und er zusammen sackt, während seinen Körper ein letztes Zucken durchläuft, bevor der Körper still liegt? Lass ich das dann auch weg, aus Respekt vor Gestorbenen und Sterbenden?

Das Ganze geht sehr in die Richtung des Rauchers, der sich das Rauchen abgewöhnen will, und sich vom 'rauchenden Hobbit' im Rollenspiel getriggert fühlt.
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Re: Verrückt aber spielbar?
« Antwort #21 am: 2.09.2019 | 16:13 »
Ich schlage vor, dass wir den Thread nicht dahingehend eskalieren lassen sollten. Ich denke mal, die Positionen sind klar.

Für mich ging es hier speziell im Cthulhu und wie man dort im Spiel noch SC spielen kann, die systemtechnisch eigentlich unspielbar sind. Für mich ist das gerade als Neu-Cthulhu-Spieler sehr interessant.
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Re: Verrückt aber spielbar?
« Antwort #22 am: 2.09.2019 | 16:23 »
Okay, dann hier nochmal kurz worum's mir geht. Mir war das früher auch nicht so klar, aber ich denke, man sollte das immer aus Sicht der Betroffenen sehen. Es gibt da zwei Ebenen: Einmal die Spieler am Spieltisch. Wie gehen die grundsätzlich mit psychischen Problemen um? Gibt es da vielleicht sogar jemanden, den das betrifft? Falls ja, sollte man eine Stimmung aufbauen, in der sich so jemand sicher fühlt. Bevor jemand jetzt aufschreit, dass es das nicht gibt, ich hatte schon ao jemanden in einer Runde. Die Spielerin hat extrem eingschüchtert auf Gewaltbeschreibungen reagiert (war nicht mal schlimm, eben aus meiner Sicht). Ich bin kein Psychologe, aber mir gingen da die Alarmleuchten an.

Dann die zweite Ebene: Wie werden psychische Probleme ausgespielt? Habe ich jetzt jemanden in Runde, der oder die vielleicht Depressionen hat oder unter ADHS leidet, könnte das nicht gut ankommen, wenn man diese Probleme völlig überzogen darstellt, nur weil man eben kein guter Schauspieler ist. Kann man das nicht gut rüberbringen, sollte man es lassen und beschreiben, wie sich die Figur verhält.

Im erwähnten Toolkit wird schlicht darauf hingewiesen, dass Leute mit psychischen Problemen eben nicht "verrückt" und "total durchgeknallt" rüberkommen müssen. Das sind erstmal auch nur Menschen. Und bei Cthulhu finde ich es dann eben nicht super gelöst, wenn man dem einen Zahlenwert verpasst und sagt: "So, jetzt ist es aus bei dir, du drehst durch und bist nicht mehr spielbar". Das fand ich zum Beispiel bei Delta Green auch schöner gelöst, wo man den Kontakt zu seiner Familie oder Freunden als Standbeine der geistigen Stabilität verliert.

Sorry, wollte den Faden nicht entführen, wobei es eigentlich um genau die oben erwähnte Fragestellung geht.
Lese: Fate of Cthulhu, Fate Horror Toolkit, Dragon Age RPG, The Expanse RPG

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Spielerin von Rapunzel in Märchenkrieger Los!: "Das schaffe ich, ich hab lange Haare!" ;)

Tegres

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Re: Verrückt aber spielbar?
« Antwort #23 am: 2.09.2019 | 16:25 »
Ist doch alles in Ordnung. :)
Dass man gerade bei Cthulhu über mögliche Trigger im Vorfeld sprechen sollte, sehe ich genauso.

Und jetzt :btt:

Offline Der Läuterer

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Re: Verrückt aber spielbar?
« Antwort #24 am: 2.09.2019 | 16:49 »
Sorry, wollte den Faden nicht entführen, wobei es eigentlich um genau die oben erwähnte Fragestellung geht.
Alles gut. Und etwas OT tut keinem weh.

Nur aufgrund von political correctness würde ich einem Barbar auch kein Kunstfell über die Schultern legen, nur um nicht mit PETA in Konflikt zu geraten, um dann festzustellen, dass mir Umweltaktivisten den Plastikmüll in den Meeren zur Last legen.
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