Aber ist theoretische Auseinandersetzung mit einem Thema nicht immer ein "Riesenaufwand"? Wie wollen wir denn überhaupt Aufwände im Game Design und in der Spielkultur bewerten?
Im Zweifel immer an der Zielsetzung.
Zunächst wollte die Forge typische Spielprobleme lösen und hat sich später sogar stellenweise zu der Haltung verstiegen, man könne "zwingend" spaßige Spiele entwerfen.
Letzteres hat natürlich nie funktioniert und ersteres haben andere locker aus dem Handgelenk gelöst, ohne sich über Dutzende Seiten gegenseitig vollzulabern.
Ein eindeutiges und trennscharfes Kriterium, wann man konkret die Bodenhaftung verloren hat, kann ich dir nicht nennen. Man erkennt es, wenn man es sieht und im Vergleich mit anderen erfolgreichen (oder auch mit anderen, erfolgreichen) Ansätzen erkennt man es ein gutes Stück früher.
Unten dazu gleich mehr.
Hier nur noch: Freilich denkt man auf einem Problem bisweilen viel und lange herum, um am Ende vor einem sehr einfachen Ergebnis oder gar einer Lösung zu stehen, wo man aber ohne den vorherigen Aufwand nicht angekommen wäre. Aber auch da hat es die Forge nicht so recht geschafft, ihre Arbeit zu destillieren.
Die paar Aphorismen, die als Ergebnisse der Forge-Arbeit gelten können, musste man sich zum einen mühsam aus den Texten ziehen und zum anderen kamen sie vergleichsweise früh in Diskussionen auf, die dann noch ewig weiter liefen, weil niemand das Ergebnis bewerten konnte oder wollte und den Cut gesetzt hat.
Die Forge war eine Abkehr von den komplizierten, eierlegenden Wollmilchsau-Rollenspielen der 90er. Modernes Game Design (zum Beispiel bei der OSR) kann begriffen werden, als eine Aufarbeitung der Forge.
Ich gehe mit, wenn wir sagen: Sie war
eine Abkehr. Aber sie war nicht
die Abkehr und dementsprechend ist auch nicht jedes Rollenspiel, das sich explizit von den Dickschiffen der 90er abgrenzt, ein Produkt der Forge.
Das gilt auch ganz entschieden für die geänderten Produktionsbedingungen und -möglichkeiten, welche die Indie-Szene erst ermöglicht haben.
Natürlich hat alles einen gewissen Einfluss, was irgendwie halbwegs präsent ist, aber genau deswegen (und hier ist jetzt o.g. "unten") schlage ich da öfter über die Stränge, wenn es um einen Rückblick auf die Forge geht:
Man hat dort nämlich ganz hervorragend verstanden, sich als die eine Anlaufstelle für Rollenspieltheorie zu präsentieren, an der kein Weg vorbei geht und die bis heute alles und jedes prägt.
Und das hat zumindest ein Ron Edwards sehr früh bewusst und gezielt betrieben, wenn man mich fragt.
Wenn ich bei der Reaktion darauf hier und da mal etwas unfair werde und tatsächliche Ergebnisse in Abrede stelle, liegt das daran, dass mir diese Nummer damals so massiv gegen den Strich ging und das bis heute tut, wenn einer aus dem alten Forge-Zirkel das mal wieder auspackt.
Diese Theorien gucken selten nach links oder rechts und beziehen sich kaum auf den theoretischen Unterbau der Medienwissenschaften, der Game Studies, der Psychologie oder auch nur der Videospiel-Game-Design-Theorien.
...
Um da voranzukommen ist tatsächlich noch mehr theoretische Arbeit nötig, als sich die Forge gemacht hat, denn es würde voraussetzen, dass man mitunter auch einfach eingespielte Modelle bestimmter anderer Wissenschaften anerkennt und für die Rollenspieltheorie fruchtbar macht.
Das würde ich gerade umgekehrt formulieren wollen:
Es ist doch
weniger Arbeit, wenn ich feststelle, dass es schon fertige Modelle und große Erfahrungsschätze aus verwandten Disziplinen gibt und ich die mit sehr wenig Aufwand übernehmen kann.
Gerade da, wo es um andere, teils eng verwandte Spielformen geht, stellt man fest, dass die alle ohne ihre Variante der Forge ausgekommen sind und bis heute auskommen - und dass entsprechende Ansätze als das belächelt werden, was sie sind.
Speziell im Brettspielbereich gehört es zum guten Ton, einem befreundeten Designer mal gehörig auf die Bremse zu treten, wenn er sich in Dingen verrennt, die für das Spiel letztlich unbedeutend sind.
Genau das hätte die Forge öfter mal gebraucht.
Aber ich glaube, dass die Forge-Community auch ein Zusammenschluss aus ganz unterschiedlichen Meinungen zum Hobby gewesen sein dürfte. Denen eine vollkommen gemeinsame Agenda zu unterstellen, das ist schon gewagt.
Anfangs war sie das - aber wie sich das Ganze recht schnell verengt hat und zu einem selbstreferentiellen Elfenbeinturm wurde, das konnte man damals live beobachten.
Die Ergebnisse und die (Wieder-)Auffächerungen in den Meinungen kamen vor allem da, wo Leute gesagt haben: Ich habe hier alles rausgezogen, was es zu holen gibt; war schön mit euch, aber ich geh jetzt mal ein Spiel machen.
Und denen hat man dann noch nachgerufen: Wenn du Erfolg hast, denk immer dran, dass du es ohne uns nie so weit gebracht hättest.