Hmja, es deutete sich schon früher an (siehe oben), aber inzwischen reift in uns immer mehr die Erkenntnis, daß D4 trotz all seiner enormen Stärken leider genau dort versagt, wo D3 zu glänzen beginnt: im Endgame. Das ist in D4 einfach nur bittere, fade Grütze, finde ich. Woran liegt es?
- Ab Level Mitte 70 würde man bei einem Trinkspiel nüchtern bleiben, bei dem man für ein tolles Beuteteil einen Schnaps trinken müßte. Wir schaffen seit fast 10 Leveln tonnenweise seltene, legendäre und inzwischen auch einzigartige Teile zum Verschrotter. Es gibt so viele Facetten bei der Beute, daß ein besserer Fund schon gar nicht mehr erwartet wird, wenn die Ausrüstung bereits gut ist. Klar, hin und wieder ist etwas dabei, aber das wird dann schon mit Feuerwerk gefeiert.
- Wichtige Unikate, die buildprägend sind, fallen gerne mal erst auf den ganz hohen Stufen, während man die halbe Bank voll mit Unikaten in achtfacher Ausführung für andere Klassen oder Builds hat. Es scheint überhaupt keinen steuernden Algorithmus zu geben, wie das damals bei den Legendären in WoW Legion der Fall war. Die anfängliche Freude über Unikate bei D4 ist zu einem Schulterzucken und Verschrotten geworden.
- Wenn, ja WENN man mal ein Teil findet, das höher und besser als ein vorhandenes sein könnte, dann hat es i.d.R. einen Affix, der nicht optimal ist. Wenn man dann beim Verzaubern kein Glück hat, wird der Mist so teuer, daß man es sich nicht mehr leisten kann. So wird die andere Hälfte der Bank also mit freudig erwarteten und mühselig erfarmten Gegenständen gefüllt, die einen miesen Affix haben, den man nicht brauchen, aber auch nicht zum Besseren verzaubern kann. Das System ist wirklich hart koreanisch inkl. Frustfaktor und kein Vergleich zu D3, wo man auch mal problemlos 20, 30 Versuche unternehmen kann. Wir sind nun wirklich Vielspieler und trotzdem ständig pleite wegen dieser dämlichen Verzauberungen.
- Der Weg zur 100 ist absurd zäh, weil es keine vielfältigen Quellen für EP mehr gibt. Also muß man in die Alpträume (8-10 pro Stufe), und die sind spielerisch eine Zumutung, weil Blizzard der Meinung ist, enge Gänge und Räume voller Elitemobs, die innerhalb von Sekunden all ihre Effekte raushauen, seien das Maß aller Dinge. Dazu kommen die Siegelaffixe, die man aus Mythisch Plus bei WoW übernommen hat, ohne dabei zu bedenken, daß man bei WoW im Team und mit viel Taktik spielt und genau diese Affixe dann gezielt ausspielen und bewältigen kann. Das geht bei D4 so nicht, wo es letztlich nur noch heißt: DPS und spring zwischen dem Bodengedöns hin und her.
Ich habe Szenen erlebt ... dazu fällt mir nichts mehr ein. Wenn ich durch ein Alptraumdungeon laufe, wo ich alles onehitte, und dann in einen Raum komme, der mit Elitemobs vollgestopft ist, die innerhalb von 2 Sekunden a) eine Mauer um mich wirken, b) die Nebelwand um mich wirken, c) Explosivflächen unter mir wirken, d) eine Eisfläche unter mir wirken und mich einfrieren, e) mich mit einem Initialangriff verwundbar machen, f) meine Heiltränke blockieren ... und mich dann blitzschnell kaputtmoschen, dann stimmt an diesem Design etwas nicht, denn das ist keine Ausnahme - und es macht schlich und einfach keinen Spaß. Ein vorsichtiger Safe Pull ist oft nicht möglich, weil man sofort von 2-3 Bodeneffekten förmlich verfolgt wird. Kiten funktioniert nicht, weil man ständig betäubt oder sonstwie stillgelegt wird. Tank & Spank kann man auch vergessen, weil man dann die geballte Ladung aller reingestopften Elites verpaßt bekommt.
Ich lief bei WoW Mythisch Plus auf hohem MDI-Niveau und Diablo 3 bisher in den 130ern, ich kenne mich also ein wenig in Dungeons und mit höheren Schwierigkeitsgraden aus und liebe diese Herausforderungen. Aber was ich im höheren D4 Endgame für einen absurden Mist erlebe, ist nichts weiter als eine armselig gestaltete Overgear-Spirale, an der man nicht einmal befriedigend arbeiten kann, weil das nötige Kram eben so selten kommt oder so teuer zu optimieren ist. Kein Wunder, daß die Leute im Handelschat Unsummen für optimale Gegenstände bieten. Schlechtes Design; ohne Frage.
Also, abgesehen von einigen Kritikpunkten hier und dort ist Diablo 4 für mich ein Meisterwerk und war die 1. Season ein Fest, aber ich muß inzwischen einschränken: bis ca. Stufe 80. Danach kommen eigentlich nur noch Alptraumdungeons, und die haben ihren Namen im Sinne von Alpträumen des Spieldesigns leider verdient. Einfach nur enge Gänge und Räume mit immer mehr Effektmobs vollstopfen und dann noch haufenweise weitere Nachteile auf die Spieler schmeißen, die darauf weder mit Ausrüstung noch mit Spieltaktik ausreichend reagieren können - nein, bitte so nicht.
Natürlich werden wir D4 noch weiter spielen, um die 100 zu erreichen, aber das Alptraumkonzept trägt für uns keinen Spielabend, wie es die Hohen Portale bei D3 können. Gut, daß es noch Baldur's Gate 3 und Diablo 3 gibt.