Ein erster Eindruck zu **Mythic Britain & Irland** für Vaesen.
Das PDF hat ca. 140 Seiten, eine Hälfte Hintergrund, die andere mit drei Abenteuern. Die Stretchgoals (z.B. neue Archetypen) müssen noch eingearbeitet werden.
Überraschend finde ich, dass das Vorwort mit Januar 2020 unterzeichnet ist, d.h. das Buch schon knapp zwei Jahre alt ist!
Die ersten 20 Seiten des ersten Kapitels fassen kurz Wissenswertes über das UK und insbesondere London zusammen, das man auch in der Wikipedia recherchieren könnte. Eine Seite beschreibt beispielsweise das für uns doch inzwischen recht ungewohnte Geldsystem. Eine andere halbe Seite bietet optional drei Stände an, die man aber auch weglassen kann, wenn man sich als Spieler durch gesellschaftliche Zwänge dieser Zeit zu eingeschränkt fühlt. "Diese Zeit" ist übrigens die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, 1880 ± 20 Jahre, was IIRC etwas später als in Schweden ist, wo es ganz grob Mitte des 19. Jahrhunderts hieß. Vielleicht wollte man explizit den Krimkrieg ausklammern – oder einfach die "gewohnte" spätviktoranische Zeit von Holmes, Babbage, Darwin oder Sir Kelvin haben. An "Crunch" findet man in diesem Kapitel eigentlich nur auf Seite 26 und 27 eine Tabelle mit NSC-Stats (allerdings ohne weitere Beschreibung).
Nett finde ich, dass Lady Lovelace erwähnt wird.
Aber auch Mr. Boole wäre sicherlich ein interessanter Zeitgenosse.
Wusstet ihr, dass der Mensch, nach dem wir den Datentyp für Wahrheitswerte bezeichnen, die Nichte des Menschen, nach dem der höchste Berg der Welt benannt wurde, geheiratet hatte? Oder das seine Tochter einen gewissen Wilfrid Michael Voynich geheiratet hat? Ja, das war _der_ Voynich. Die Welt ist klein.
Zurück zum PDF. Es listet auf einer Seite noch einige Geheimgesellschaften und hat außerdem ein paar Seiten mit mysteriösen Orten und dann beginnt auf Seite 39 das zweite Kapitel mit der Gründungsgeschichte der Gesellschaft.
In den UK nennen sie sich Appollonier und residieren im Rose House in London, wo es mysteriöses Faktotum und Buttler namens Hawkins den Laden schmeißt. Danach folgen dann drei leere Seiten mit Platzhaltern. Vielleicht kommen da noch etwas mehr Infos. Oder Bodenpläne?
Im dritten Kapitel werden die Stars des Buchs, die Väsen, vorgestellt: Banshee (ihr wisst schon, Todesfeen), Hund (der mörderischen Hound of Baskervill Art), Glaistig (männerfressende Jungfrau, die sich in eine Ziege verwandeln kann), Hag (hässliche alte Hexe), Knockers (das Koboldbergleute, die geheimnisvoll klopfen), Leprechaun (die einem bei Nethack immer das Gold stehlen), Nuckelavee (im Prinzip Zentauren), Pixie (kleine gemeine geflügelte Feen), Pooka (große gemeine gestaltwandelnde Feen) und Selkie (Meerfrauen, ob sie jung sind, weiß ich nicht) vorgestellt. Außerdem werden ein paar bereits im Regelbuch beschriebene Väsen in den passenden Kontext gesetzt.
Und dann sind wir auf Seite 74 im zweiten Teil des Buchs angelangt, wo das erste Abenteuer beginnt. Ich finde übrigens gut, dass die jeweils eine "Inhaltswarnung" haben und man entscheiden kann, ob man Kindstot und Verstümmelungen wirklich als Thema in einem Abenteuern haben möchte. Noch besser wäre aber, wenn es Alternativen im Text gäbe, um diese Stellen zu entschärfen. Das scheint leider nicht der Fall zu sein. Das erste Abenteuer umfasst übrigens 22 Seiten, das zweite dann 20 Seiten und das dritte noch einmal 40 Seiten. In den anderen beiden Abenteuern geht es dann auch "nur noch" um Tod, Gewalt, Drogenmissbrauch und Gräueltaten. Rollenspielalltag halt.
In der Vignette zum Abenteuer (Titelbild wäre ein zu großes Wort) sieht man übrigens immer das Väsen um das es geht. Einerseits nett für die SL, andererseits aber auch sehr einfach beim flüchtigen Durchblättern zu sehen und dann ist ein Teil der Spannung schon mal weg. Zumindest hat man als Spieler hoffentlich nicht auch schon gelesen, wie man so ein Väsen dann erfolgreich bekämpft.
Apropos gelesen: Alles gelesen habe ich noch nicht (insbesondere nicht die Abenteuer, denn man weiß ja nie…) aber das Buch gefällt mir soweit sehr.
Ich muss mir jetzt nur noch überlegen, wie ich Herrn Boole mit Herrn Wheatstone zusammenbringe und sie dann erkennen lasse, wie man 60 Jahre vor Zuse mit Hilfe der Boolschen Algebra und elektromechanischen Relais (die wurden bereits 1835 von einem Amerikaner erfunden, aber von Wheatstone für die Telegraphie in England benutzt) einen elektromechanischen Computer bauen kann. Dann Gastauftritt von Lady Lovelace. Mir doch egal, wenn sie damit zufällig einen Geist in der Maschine wecken.
Ich möchte endlich mal in einem Rollenspiel realistisch einen Computer erfinden können Wheatstone ist jedenfalls denke ich exzentrisch genug. So hat er mit seinem Freund Baron Playfair (was für ein Name!) zum Spaß kryptografische Nachrichten ausgetauscht. Kryptografie war deren Hobby. Nach diesem Freund bezeichnete er dann auch die dabei erfundene _Playfair_ Verschlüsselung, die 1854 vom britischen Militär erstmals im Krimkrieg eingesetzt wurde. Eines der wichtigsten Probleme der damaligen Zeit, Ebbe und Flut vorauszusagen, könnte man mit einem Computer jedenfalls lösen. Tatsächlich wurde zu ungefähr dieser Zeit in England dafür eigens ein Analogcomputer erfunden, ein digitaler wäre aber viel zuverlässiger. 1884 wurde übrigens auch die Hollerith-Lochkarte erfunden, aber wieder in den USA. Da Wheatstone an Telegrafen gearbeitet hat, denke ich eher an Lochstreifen zur Datenspeicherung.
Ach echt jetzt?! Ihr werdet es mir nicht glauben, dass ich das bis eben nicht wusste, aber eben dieser Mensch hat das tatsächlich die Lochstreifen-Kodierung für Morsecode erfunden und sowohl Maschine auch auch Verschlüsselung sind nach ihm benannt. Perfekt…