Gegenfrage: wie müßte ein Setting aussehen, das glaubhaft "unpolitisch" sein oder zumindest so wirken soll? Gibt's das eigentlich überhaupt?
Genau darauf wollte ich mit meinen Fragen hinaus.
Intern ist erst einmal jedes Setting in irgendeiner Form politisch bzw. hat politische Aspekte.
Das kann höchstens dort anders sein, wo man den Rahmen und die Zahl der Personen sehr stark begrenzt - muss es aber immer noch nicht bzw. ist es auch dann nicht automatisch. Selbst Robinsonaden sind bisweilen hoch politisch.
Das bedeutet aber nicht, dass jedes Setting dann auch nach außen, sprich bis an den Spieltisch, politisch ist; oder eben nur, wenn man der Meinung ist, alles und jedes sei politisch.
Da wäre dann die Frage, was der Autor mit dem Werk wohl bezweckt hat (und an der Stelle kommen viele schon nicht über den Flachköpper hinaus, dem Autor die Ansichten eines Charakters 1:1 zu unterstellen), wenn es überhaupt eine wirklich klare Aussage gibt (und die nicht Satire ist...usw.).
Schnell erreicht das den Punkt, wo es viel mehr darum geht, was man sehen
will.
Und selbst wenn ich jemand anderen so weit bringen kann, dass er die Gesichter in der Strukturtapete auch sieht - wenn eine notwendige Voraussetzung ist, dass ich sie sehen will, dann kann ich schon nicht mehr guten Gewissens behaupten, dass sie wirklich da sind.
Ja, man kann auch als Setting-Autor nicht nicht kommunizieren.
Aber: "Ein Freund ist jemand, mit dem man schweigen kann" - weil das Schweigen dann nicht unangenehm ist und nichts reininterpretiert wird.
Mit Unsicherheiten klar kommen und (auch eigene!) Ambivalenzen einfach mal stehen lassen können ist da schon der deutlich verträglichere Weg, als alles auf die Spitze interpretieren zu müssen.
Wo Vermi das als "brutal und absurd" bezeichnet, sage ich: Das ist ungesund und wenig sozialverträglich. Nicht umsonst finden die härtesten Grabenkämpfe da statt, wo es drum geht, wer unter den Erleuchteten auch
hinreichend erleuchtet ist. Alle anderen sind da aber schon längst ausgestiegen und man spielt wohl schon nur noch explizit als ("nach außen") politische Rollenspiele angelegte Sachen.
Wenn man ganz klassisch politisch unkorrektes Zeug als Eskapismus spielen will und von PC-Kram frei sein will, dann müsste man die Mitspielenden danach auswählen, dass sie auf keiner Ebene irgendwelche Marginalisierungserfahrungen haben oder Minderheiten angehören.
Ganz entschieden nicht.
Man muss sie "nur" danach auswählen, ob sie sich daran stören, wenn das im Spiel vorkommt. Und da sind die Zahlenverhältnisse auf einmal ganz andere.
Jeder kann sich an irgendwas stören und man könnte sich dann stundenlang drüber die Köpfe einschlagen, was davon denn nun wie berechtigt ist, wessen Interesse wo überwiegt etc. pp.
In der Praxis erlebe ich das so gut wie nie und da, wo es aufkommt, ist es mit ein paar Sätzen erledigt.
Und weil ich zum
ace spectrum auch was sagen "darf":
Da ist mir schon gar nicht klar, warum man das überhaupt als Kategorie aufmacht.
Vielleicht bin ich zu pragmatisch, vielleicht ist das Fell zu dick, aber ich muss schon lange überlegen, wann das überhaupt mal wirklich Thema war, geschweige denn wo ich da eine Diskriminierungserfahrung reindeuten sollte.
Aber Hauptsache Vernetzung, Awareness und "A-Pride/Ace Pride"
, statt damit zufrieden zu sein, dass man als Betroffener (
) trivial einfach seine Ruhe haben kann, wenn man das nur will.
Und im nächsten Schritt könnte man dann merken, dass das auch der Maßstab für den Rest ist:
Die anderen so ihr Ding machen lassen, wie man seins macht und einfach mal nicht alles gleich auf sich selbst beziehen und krumm nehmen.
Was dann immer noch bzw. trotzdem nicht geht, geht halt nicht - aber man darf und sollte sich immer die Frage stellen, ob man den jeweiligen Affen nicht doch selbst auf dem Rücken reingetragen hat. Gerade dann, wenn man ungefragt für andere spricht. Und man muss sich eigentlich nicht mehr fragen, wenn die, für die man spricht, vollkommen fiktiv sind und obendrauf keine direkte Verbindung nach außen haben (sprich: SC-Status).
Abseits des Rollenspiels kann es auch nicht Ziel sein, dass jeder alle anderen total toll findet in ihrer Individualität und besonderen Identität, sondern dass alle sich gegenseitig so "positiv egal" sind (also: sich wie oben erwähnt freundschaftlich anschweigen können), dass jeder machen kann, was er für richtig hält. Alles andere ist utopisch - und wo der Weg mit den voll guten Absichten hin führt, ist ja bekannt.