Das war´s. Ich habe das Firefly Regelwerk durch.
Erstmal muss ich sagen, dass das Ding insgesamt doch sehr ungewöhnlich aufgebaut ist. Erst der Episoden-Guide. Der Leser bekommt jede Episode zusammengefasst und anhand irgendwelcher Geschehnisse entsprechende Regeln verklickert. Es folgen Ideen, wie man die Episode zu einer alternativen Handlung im eigenen Spiel verwursten kann. Das wohlgemerkt noch vor einer allgemeinen Einführung ins Setting und noch vor einer allgemeinen Einführung in die Würfelmechanismen. Dieser Episoden-Guide umfasst auch fast die Hälfte des gesamten Regelwerks!
Was mich auch irritiert, ist der Slang. In der Serie ist das amüsant, wenn die Typen so ein futuristisches Umgangsblabla sprechen. In einem Regelwerk hätte ich gern darauf verzichtet. Immerhin erschwert der Slang nicht unbedingt das Verständnis. Es ist immer klar wie Kloßbrühe, was gemeint ist.
Wenn man den Episoden-Guide erstmal hinter sich hat, merkt man, dass die Autoren auch pädagogisch denken können. Es werden zentrale Mechanismen wiederholt, es wird immer mal wieder darauf hingewiesen, worauf es besonders ankommt, was der werte Leser bis hierhin gelernt haben sollte, u. ä. Das ist schon ganz gut gemacht und man versteht wirklich schon relativ viel, wenn man das Regelwerk von vorne bis hinten durchackert. Ganz so kondensiert wie Fate ist das System dann allerdings nicht. Es bietet mehr Feinheiten und Extras, von daher habe ich gegen Ende der Lektüre doch ein wenig den Überblick verloren.
Ich habe mich dann auf die Suche nach einer Zusammenfassung gemacht und auch eine gefunden. Mit diesem
Firefly Cheat Sheet komme ich ganz gut zurecht und habe den Eindruck, dass ich das System spielen und eventuell auch leiten könnte.
Ein bisschen stellt sich mir die Frage, ob diese ganzen Regeln, die dem Geschehen dramatische Momente verleihen sollen, nötig sind... ob sie einen Gewinn für das Spiel darstellen. Das kann ich kaum beantworten. Ein bisschen stellt sich mir auch die Frage, ob das ein Science Fiction Regelwerk ist oder ein universelles System. Ich würde sagen, es ist eher ein Universalsystem, die Anpassung an ein Science Fiction Ambiente ist aber ganz gut gemacht. Sogar die Gretchenfrage der Science Fiction Rollenspiele ("Wie hältst du´s mit dem Raumkampf?") ist so geregelt, dass er recht flott durchführbar ist und sich nahtlos ins sonstige Regelwerk einfügt. Es ist auch nicht so, dass die Regeln außer dem Kampf nichts anderes mehr im Blick hätten. Man kann sehr gut auch zwischenmenschliche und andere Krisensituationen mit den Regeln abhandeln.
Bemerkenswert ist die Regelung des interstellaren Verkehrs: "How far and fast can you fly from one end of the ´Verse to the other? In the
Firefly television show,
Serenity (das Raumschiff der Protagonisten) moves at the speed of plot". Ich muss gestehen, das hat mir gefallen.
Vielleicht noch ein paar Worte zu Cortex Plus und Fate: Obwohl ich Fate gut finde und dem System einiges zu verdanken habe, bin ich letztlich mit dem System nicht so gut zurecht gekommen. Als ich angefangen habe Firefly zu lesen, spielte das keine Rolle. So nach und nach tauchen dann aber doch ein paar Parallelen auf und letztlich las ich auf dem Cortex Discord Channel, wie Cam Banks behauptete, Cortex Plus und Fate seien Systeme wie Bruder und Schwester. Mich würde sehr interessieren, ob irgendwo ein kundiger Mensch mal einen kompetenten Vergleich zwischen Cortex Plus und Fate verfasst hat. Gibt es so etwas zu lesen?
Je stärker die Parallelen wurden, desto öfter kamen mir jedenfalls Bedenken: Sollte ich das mal ausprobieren wollen, gäbe es dann ähnliche Probleme wie bei Fate? Noch kann ich das nicht so gut einschätzen, aber hier sind ein paar Punkte, die mich etwas beruhigen:
1. Charaktererschaffung: Mit den Distinctions und den Extras gibt es Bereiche, die ähnlich funktionieren wie die Charakteraspekte und die Stunts bei Fate. Immerhin hat Firefly aber ausführliche und sorgfältig gearbeitete Listen, die Hunderte von Beispielen enthalten. Wer kreativ sein will, bekommt Regeln zur Erschaffung eigener Distinctions und Extras, wer aber ohne großes Einarbeiten erstmal losspielen will, kann sich bequem einfach irgendetwas aus einer Liste aussuchen und fährt damit genauso gut.
2. Conditions und Assets: Die funktionieren ein wenig wie Konsequenzen und zusätzliche Aspekte. Ich habe aber den Eindruck, dass sie nur dann überhaupt ins Spiel kommen, wenn sie konkret für einen Wurf gebraucht werden können (es liegen beispielsweise keine Umgebungsaspekte nutzlos herum, weil niemand weiß, was er damit anstellen soll). Manchmal wirken sie über den einzelnen Wurf hinaus. Das wird man irgendwie vermerken müssen. Hält sich aber noch in Grenzen.
3. Plot Points: Sind so ähnlich wie Fate Punkte. Solange ich eine übersichtliche Aufstellung habe, wie sie Spieler und Spielleitung bekommen und auch wieder ausgeben können, soll´s mir Recht sein.
4. Es gibt einfach nur Handlungen! Kein "Vorteil erschaffen"! Niemand muss sich überlegen, in welche Kategorie von Handlung jetzt eigentlich gehört, was eine Figur da vorhat.
5. Es gibt kein "Reizen". Ein Spielleiter muss keinen Spieler zu etwas überreden, worauf er eigentlich keinen Bock hat. Die Spieler werden sich von selbst in solche Situationen bringen, weil ihnen sonst die Plot Points ausgehen (da liegt in meinen Augen die geheime Schönheit des Systems).
6. Der eigentliche Würfelmechanismus ist in meinen Augen ein etwas seltsames W4-W6-W8-W10-W12-Brimborium. Da finde ich die vier Fatewürfel eigentlich eleganter. Besonders wichtig ist mir das aber nicht. Ich kann´s akzeptieren, wie es ist.
Ach ja... das Beispielabenteuer: An zwei oder drei Punkten muss man die genauen Umstände etwas selbst konstruieren, die Zusammenhänge sind nicht immer sofort einleuchtend. Ansonsten bietet es einen schönen Einblick ins Setting, ist zwar relativ actionlastig, hat aber auch noch genügend Potential für verschiedenste andere Arten von Tätigkeiten. Gar nicht schlecht, fand ich.
Ich habe noch mehr Firefly Sachen zum lesen. Auch sie machen einen soliden Eindruck. Insgesamt überschlage ich mich hier nicht unbedingt vor Begeisterung, glaube aber, dass das eine Sache ist, die mit mir funktionieren könnte. Letztlich will ich ja auch nicht unbedingt Firefly spielen... aber die Option auf ein universell angelegtes, einigermaßen narratives Regelwerk im Science Fiction Ambiente, das sich flott eigenen Bedürfnissen anpasst, hat doch einen gewissen Reiz. Und um da irgendwie ´reinzukommen, ist ein Start mit Firefly vielleicht gar keine schlechte Idee.
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"River of Heaven" und "Other Worlds" habe ich inzwischen wieder verworfen. Ich habe ein paar Besprechungen gelesen, die so klangen, als sei das doch nichts für mich. Im Moment kümmere ich mich lieber um etwas anderes.
"Tiny Frontiers" werde ich mir aber noch anschauen. Ich habe es bereits auf dem Computer.