Ich bin noch am Anfang.
Mein erster Eindruck: Wer das PHB hat, wird sich vielleicht ärgern, dass die ersten beiden Bücher – Adventurers und Grimoire – zu gefühlt 90% den gleichen Inhalt haben. Nur eben in zwei wirklich dicken Büchern statt in einem. Dazu sehen die Bücher auf dem ersten Blick zwar wirklich schön aus, aus dem zweiten und dritten Blick finde ich das Layout aber alles andere als praktikabel. Eher wie ein wilde Zettelsammlung, die von drei oder vier verschiedenen Designern mit unterschiedlichen Vorlieben gestaltet wurde.
Das mag nur mein ästhetisches Empfinden sein, daher gleich weiter zum Inhalt: Zur Spielwelt Eana erfährt man nicht viel, das kommt erst in späteren Büchern. Es scheint mir die klassische Kitchen Sink-Fantasywelt zu sein, allerdings mit weniger raffinierten Twists als sie z.B. Splittermond bietet. Was diese Regelversion hingegen bietet, ist eine Fülle an Optionen. Es gibt zahllose Stellschrauben für Optionalregeln, die allesamt mit unterschiedlichen Symbolen versehen sind (z.B. Gritty, Dark, Mystery und Intrigue). Da es ein gutes Dutzend Symbole sind, ist es leider auch hier nicht so übersichtlich wie in der Theorie.
Die hohe Modalität ist auf der einen Seite ein Gewinn und es sind echt gute Ideen dabei. Auf der anderen Seite denke ich immer mehr, dass die Franzosen hier eigentlich eine D&D5.1 entwickelt haben, dem zufällig noch eine generische Fantasywelt anhängt, von der ich durch die Optionalität ein noch unschärferes Bild vermittelt bekomme.
Man kann in der Tat sehr Low Fantasy spielen, da man in der Welt ›erwacht‹ sein muss, um zaubern zu können. Ansonsten hat man nur ein theoretisches Wissen darüber. Das bedeutet z.B., dass auch ein Warlock oder Wizard zu Spielbeginn nicht zwingend zaubern kann. (Außer, man entscheidet sich dafür.) Wenn man einen gnädigeren Pfad wählen möchte, erhalten potentiell magische Klasse andere Vorzüge bis sie erwacht sind – oder sind im Gritty-Modus einfach echt mies dran. Das wirkt beim Lesen alles gut durchdacht und erweitert die Möglichkeiten für ein D&D-Setting, in der Magie wirklich etwas Seltenes ist. Hiermit lassen sich tatsächlich klassische Geschichten spielen, in denen der Magier im Laufe der Geschichte erst zum Magier wird.
Gleichzeitig bietet das Grimoire trotzdem mehr Spielmöglichkeiten für Magie. So sind Corruption und Madness Möglichkeiten, (magischen) Horror ins Spiel zu bringen, und die Geomagic kann Magie zu einem schwer berechenbaren Unterfangen machen, wenn man sich in Gebieten schwacher oder starker Magie auffällt. Da sie ebenfalls optional sind, kann ich nicht ganz beurteilen, wie sehr sie zur DNA des Setting gehören (sollen).
Der Scholar hat es mir allerdings wirklich angetan, den würde ich gerne mal spielen (und ich bin auch kein großer D&D-Freund). Soweit ich es mit meinem rudimentären D&D-Kenntnissen sehen kann, haben auch bekannte Klasse kleinere Modifikationen bekommen. Zusätzlich wurden die Feats überarbeitet, es gibt ein modulares System für freie Backgrounds und mehr.
Irgendwie fühlt es sich an, als könnte es eher mein D&D sein als das herkömmliche – hätte das Buch nur ein besseres Layout! Dass hier zwei Bücher auf über 700 Seiten nur ein wenig mehr vermitteln als das PHB auf knapp 300 ist ein fetter Minuspunkt. Dieses Mehr ist allerdings durchaus einen Blick wert und kann eine echte Bereicherung sein.
Da mir zu dem für mich Wichtigsten aber noch viel fehlt – nämlich der Welt und dem Hintergrund –, ist meine Meinung gerade eher ambivalent. Für Kenner ist es ein teure Investition für einen durchaus lohnenden Steinbruch an Möglichkeiten. Für Leute, die mit mehr Möglichkeiten in D&D einsteigen wollen, ist es vielleicht die bessere Wahl.
Hilft das für einen ersten Überblick? Was interessiert dich noch?