Ich würde da deutlich differenzieren.
1. Transparenz, was den Hintergrund des Reviews angeht, sollte in meinen Augen absolut selbstverständlich sein – hat jemand das Buch nur überflogen? Einmal schnell durchgelesen (und vielleicht einzelne Teile ausgelassen)? Komplett durchgearbeitet? Vorbereitet? Bespielt? Dreimal mit verschiedenen Gruppen bespielt? Einen Teil davon als One-Shot gespielt? Ausgeschlachtet? Etc.
Ist aber natürlich nicht selbstverständlich, leider!
2. That being said, Rollenspieler haben unterschiedliche Bedürfnisse, selbst bei Kampagnenbüchern. Wenn ich mir ein Kampagnenbuch bspw. nur kaufe, weil ich das Setting mag und mehr darüber lesen will, habe ich nichts von einem Review, das sich ausgiebig über die Balance auslässt. Genau genommen brauche ich nicht mal einen Reviewer, der die Kampagne gespielt hat; viel wichtiger ist, dass er ein gutes Gespür für das Setting und den Schreibstil hat. Wenn ich das Buch nur ausschlachten will, liegt der Fokus wieder ganz woanders.
Deshalb lieber Transparenz! Dann kann ich selbst einschätzen, ob mir das Review was bringt.
Und falls an dieser Stelle jemand sagen will, dass Kampagnen gespielt werden sollten: Das bringt mir nichts, wenn ich sie nicht spielen werde. *shrug* Und da das für viele Leute gilt, gibt es auch große, diverse Zielgruppen für mannigfaltige Herangehensweisen, was Reviews angeht.
Schlussfolgerung!
Das Problem ist in meinen Augen nicht, dass Reviewer ihre Kampagnenbücher nicht spielen. Das Problem ist viel eher, dass wir ein seltsames, vollkommen unpraktikabel formalisiertes Verständnis von Reviews haben. Reviews sollen irgendwie a) immer schnell erscheinen und b) ein vollständiges Bild der Kampagne, wie sie streng by the book gespielt wird, abgeben. Das ist aber nicht nur unrealistisch, sondern auch kompletter Humbug, weil gerade im Rollenspielbereich keine zwei Gruppen gleich spielen und keine zwei Käufer dieselben Ansprüche haben. Das merkt man imho auch an dem absoluten WAHNSINN, dass Reviewer immer noch Prozentwertungen, Punktverteilungen mit Objektivitätsanspruch und ähnlichen Bullshit ans Ende ihrer Texte packen.
tl;dr – Reviews sollten klarmachen, wie und mit welchen Zielen der Reviewer an das Projekt herangegangen ist, ob es die entsprechenden Anforderungen erfüllt hat, und, wenn man besonders gut ist, welche Ziele man damit vielleicht stattdessen verfolgen könnte. Damit kann ich als Leser dann auch wirklich was anfangen und bin nicht einfach nur frustriert, wenn mein Eindruck ein komplett anderer ist.