Hallo zusammen,
gerade habe ich das Szenario „Operation FULMINATE“ aus dem Handler‘s Guide geleitet und muss darüber etwas schreiben.
Es handelte sich um das erste Szenario meiner neuen Delta-Green-Runde.
Die Agenten sind dabei Teil der Outlaws (ohne das zu wissen). Mit dabei waren ein Navy-SEAL, ein Pathologe vom CDC und ein Einsatzkoordinator vom SOCOM.
Die Agenten erhielten den Auftrag, das plötzliche Auftauchen eines seit fast vierzig Jahren verschwundenen Jungen im Yosemite-Nationalpark zu untersuchen (der Junge hatte weiterhin dasselbe Alter wie zum Zeitpunkt des Verschwindens). Sie fuhren daher mit einem Mietwagen von der Stadt Fresno zur Station, wo sich der Junge aufhielt. Dort stieß noch eine FBI-Agentin hinzu (die ich einbrachte, da der Spieler des FBI-Agenten der Gruppe erkrankt war).
An der Station angekommen bekamen die Agenten gerade mit, wie ein Park-Ranger die erschreckende Beobachtung eines zerfallenen, verrottenden Kindes vor dem Fenster der Station gemacht hatte. Der Ranger erlitt eine Panikattacke und wurde mit Alkohol und Medikamenten des Pathologen ruhig gestellt. Niemand sonst konnte die gleiche Beobachtung, wie der Ranger machen.
In der Station befanden sich insgesamt sechs Ranger und sechs Touristen, die wegen eines Sturmes Schutz gesucht hatten. Außerdem war der gesuchte Junge in der Station und wurde von den Rangern betreut. Sie warteten auf das FBI und die Eltern des Jungen, die spätestens am nächsten Tag eintreffen sollten.
Der Pathologe konnte die Park-Ranger überzeugen, den Jungen zu untersuchen und stellte fest, dass etwas mit ihm gemacht worden war, vermutlich übernatürliche Experimente. Außerdem berichtete der Junge von großen Männern und einer Höhle, in der er sich lange befand. Durch Zufalls entdeckte die Gruppe, wie der Junge ganz absonderlich auf Hitze reagierte: Er sonderte einen lebendigen, milchigen Schleim ab, der durch eine Ritze verschwand. Durch diesen Vorfall erfuhren die Agenten außerdem von seinen enormen Selbstheilungskräften.
Daraufhin beschlossen sie, den Jungen als übernatürliche Bedrohung einzustufen und zu beseitigen. Dafür versuchte der Pathologe die Ranger zu überzeugen, den Jungen schnellstmöglich in ein Krankenhaus zu fahren. Diese meinten aber, ein Rettungshubschrauber sei viel schneller. Nur durch die Manipulation des Funkmasten durch den Navy-SEAL konnte verhindert werden, dass Details zu dem Jungen weiter gefunkt wurden.
Durch den Funkausfalls ließen sich die Ranger doch überzeugen, den Jungen mit dem Auto zu fahren. Der Junge wiederum wollte nichts lieber, als mit seinen Eltern wiedervereint zu werden. Dadurch eskalierte die Situation, denn der Junge übte unbewusst seine Kräfte aus und tötete eine Rangerin. (Hier weiß ich nicht, ob ich die Spieler zu hart rangenommen habe, indem ich sie knallhart zum Handeln zwang und eine Eskalationsspirale in Gang setzte.)
Zwei andere Rangerinnen wurden Augenzeugen des Todes und erlitten Nervenzusammenbrüche. Die Touristen wollten wissen, was passierte und bedrängten die Agenten. Daher musste die FBI-Agentin eingreifen und ihre Autorität spielen lassen. Allerdings filmten und fotographierten die Touristen sie dabei. (War das so klug? Im Prinzip habe ich die Situation für die Agenten noch schlimmer gemacht.) Zwar konnten die Bilder nicht sofort ins Netz gestellt werden, befanden sich nun aber auf den Smartphones der Touristen. Währenddessen beschloss der Arzt, den Jungen in der Station mit einem Giftcocktail zu töten, den er dem Jungen mithilfe von Essen einflößte. (Hier reagierten die Spieler verständlich aber krass auf die Eskalation.)
Da auch die zwei Rangerinnen Zeugen des übernatürlichen Todes der anderen Rangerin geworden waren, beschlossen die Agenten widerwillig, auch sie töten zu müssen. Weil dies wiederum aus ihrer Sicht nicht funktionieren konnte, entschieden sie sich höchst widerwillig, auch alle anderen Ranger und Touristen sehr kaltblütig zu töten, um ihre Operation zu decken. Das ganze endete also in einem ziemlichen Blutbad und kostete die Agenten jede Menge geistige Stabilität. (Dies führe ich auch darauf zurück, dass ich den Spielern immer wieder gesagt habe, wie wichtig Delta Green die Geheimhaltung des Übernatürlichen und der eigenen Existenz ist.)
Die zweite Hälfte des Abends bestand dann nur noch daraus, zu überlegen, wie Spuren vernichtet oder manipuliert werden konnten, sodass die Agenten raus aus der Sache waren oder sich den Ermittlern zumindest ein schlüssiger Tathergang auftat. Die Details spare ich an dieser Stelle aus. Letztendlich führte das aber dazu, dass der Navy-SEAL wegen des GPS im Mietwagen am Tatort bleiben musste. Es wurde versucht zu inszenieren, dass er einen verrückt gewordenen Park-Ranger erschießen konnte, nachdem dieser in der Station Amok gelaufen war und die Station angezündet hatte.
Im Nachhinein betrachtet hätte mir schneller auffallen können, dass es in diesem Szenario ganz schön zur Sache gehen kann, auch gegen Kinder. Das hätte ich unbedingt im Vorfeld mit den Spielern besprechen müssen. Zwar überschritt das Szenario bei keinem der Spieler eine absolute Grenze, doch waren das zweite und dritte Drittel des Abends nicht gerade von Spielspaß sondern mehr von Krassheit geprägt. (Das will ich auch nochmal klarstellen: Weder meinen Spielern noch mir hat das richtig Spaß gemacht sich überlegen, wie die unschuldigen Zeugen getötet werden können und das ganze auch noch einem der Opfer in die Schuhe geschoben wird. Es war uns sehr wohl aber an der Konsequenz der Handlungen der Charaktere gelegen, und daher fühlte sich ab einem gewissen Zeitpunkt der Verlauf unvermeidbar an.)
Auch meinten die Spieler, bei den nächsten Malen bitte keine Kinder zu involvieren. Das sei kein grundsätzliches Tabu, sollte aber aus ihrer Sicht sehr sparsam eingesetzt werden.
Der Spielabend hat meines Erachtens nach einerseits gut gezeigt, wie Delta Green sein kann und vermutlich auch sein soll (moralische Dilemmata, Erfahrung des Scheiterns), fühlte sich im Nachhinein betrachtet aber zu krass an. Neben der moralischen Aspekte war auch der Spielaspekt, dass sehr viel Zeit für das nachträgliche Vertuschen der Operation draufging, problematisch. Hier entstand aus meiner Sicht ein Ungleichgewicht aus aktivem Teil der Spieler und dem reaktiven Teil. Ich hoffe, dass dieser erste Abend meinen Mitspielern und mir nicht die Lust an Delta Green verdorben hat.
Was denkt ihr? Was kann ich für das nächste Mal besser machen? War ich zu streng, habe ich zu stark eskaliert? Auf was sollte ich die Spieler noch hinweisen? Wie lässt sich vielleicht dieses Abrutschen in die Krassheit vermeiden?
Schöne Grüße
Tegres