Aus meinem Umfeld kann ich berichten:
- Wie schon gesagt, fängt man Leute durch einen leidenschaftlichen Werbebericht mit Parallelen, die sie kennen und mögen. Seien es Star Wars, Star Trek, Harry Potter, Herr der Ringe, Superheldenkram usw. usf.: Irgendwas davon kennt und mag jede/r, und das ist dann die beste Grundlage für einen Spielstart. Später kann man das dann für die verbleibenden Interessierten auffächern und breiter auswälzen, aber man kann ziemlich auf die Nase fallen, wenn man "das total bekannte" DSA auspackt und die Leute damit nicht befeuern kann.
- Das System sollte nicht zu kompliziert sein, muß aber auch kein komplett abgespeckter Gammelrumpf werden. Die Leute waren nach etwas Anfangszurückhaltung sehr interessiert daran, zu verstehen, was ihre vorbereiteten Chars denn so alles können - auch regeltechnisch. Allerdings gab es wenig Interesse daran, diese Regeln dann auch situativ perfekt anwenden zu können. Sprich: Sie wollten mit zunehmenden Spaß ihre Chars genauer verstehen, brauchten aber trotzdem ständig die verständnisvolle Hilfe der SL. Wie mein befreundeter Mathelehrer mir dann mal steckte: "Meine Schüler sind keineswegs dumm, aber sie wollen nur noch die Beweisergebnisse und konkreten Anwendungen wissen. Die umständlichen Beweise und Herleitungen interessieren die meisten nicht."
- Es ist besser, erst einmal in einem gut gemachten Vortrag die Grundlagen des Rollenspiels, der Spielwelt und der Charaktere anregend zu erläutern, als ungeduldig so schnell wie möglich loszuspielen mit ahnungslosen Spielern. Wichtig ist dabei auch, daß man sehr viele Chars vorbereitet, weil man erstaunt ist, daß gerade heutige Jugendliche viele Dinge schon aus den Onlinespielen kennen und schnell konkrete Vorstellungen haben, was sie gerne spielen wollen. Ich war z.B. überrascht, als ein Mädchen gleich darum bat, eine elfische Waldläuferin mit guten Kampfeigenschaften und Charisma spielen zu können. Sie verband das dann mit einer Figur aus ihrem Lieblingscomputerspiel (das ich peinlicherweise gar nicht kannte).
- Wie auch mit erfahrenen Rollenspielern, so kann man auch mit jugendlichen Neulingen Leute in Runden haben, die Grenzen austesten wollen und auch gezielt mal stören, alles verulken und letztlich nicht wirklich wegen des Rollenspiels am Tisch sitzen. Da sollte man schon gezielter eingreifen, Verhaltensweisen erläutern und auch mögliche In-Game-Konsequenzen bestimmter Handlungen mal theoretisierend vorwegnehmen. Wie das pädagogisch am besten zu machen ist, können die Lehrer hier deutlich besser beurteilen.
- Es ist zwar hilfreich, auf Produkte zurückzugreifen, die für Anfänger gemacht sind, aber man sollte sich nicht der Hoffnung hingeben, daß die Leute mit etwas Spaß und Erfahrung dann automatisch anfangen, sich das Zeug selbst zu kaufen und sich freudig einzulesen. Ich hatte Runden voller begeisterter und motivierter Spieler/innen, die keine Sekunde daran dachten, sich selbst ein Regelwerk, Weltband oder eine Einsteigerbox zu kaufen. Nicht mal die PDF wurden online irgendwie gesaugt und illegal kopiert oder so. Nix! Solch eine Kauflust kann vorkommen, ist aber mEn nicht die Regel. Es bringt daher auch wenig, die Jugendlichen in diese Richtung zu stoßen. Es ist besser, wenn man sich nach einiger Zeit mal anschaut, wer von den Spieler/innen auch als SL geeignet wäre (und dazu Lust hätte), um dann eine lockere Individualberatung zu starten. Es ist mEn erfolgreicher, die Jugendlichen subtil zu locken, als seien das dann ihre Ideen, als sie etwas zu euphorisch in eine Richtung zu schubsen.
Unter dem Strich bin ich rückblickend erfreut, daß es auch heute noch unter Jugendlichen viele Interessenten für das Tischrollenspiel gibt und daß diese Leute auch längere Zeit motiviert bei der Stange blieben. Gleichzeitig sah es auf der SL-Seite enttäuschend aus; das scheint ein Schritt zu sein, den fast niemand von ihnen gehen wollte. So kann ich auch nicht sagen, daß sich das Rollenspiel in diesen Kreisen schön verselbständigte, wie es bei uns damals der Fall war. Die "Meisterei" mit all ihren Mühen und Notwendigkeiten UND auch Reinfällen ist offenbar kein Traumjob des Nachwuchses.