Es wird ja viel über die Vorteile von linear und Glockenkurve, einzel oder Pool, explodierend oder nicht diskutiert. Letztlich macht das alles aber keinen sehr großen Unterschied auf das Spielerlebnis. Hier ein paar Typen, die sich wirklich unterscheiden wie Nacht und Tag.
Würfel-mal-auf-SystemeBeispiele: Mehr als ich zählen kann.
Dies ist wahrscheinlich die größte Gruppe. Für gewöhnlich kann die SL sagen, dass ein Spieler würfeln soll und legt dazu Fertigkeiten - oder wie sie auch heißen mögen -, sowie nach mehr oder weniger ausführlichen Richtlinien Schwierigkeiten fest. Nach dem Wurf wird zwischen mindestens zwei Ergebnissen "Erfolg" und "Fehlschlag" unterschieden. Es kann auch mehrere Abstufungen geben. Dabei ist es für gewöhnlich an der SL auszulegen, was diese bedeuten.
Mit anderen Worten in der allgemeinsten Form, kann die SL Fertigkeit, Schwierigkeit und Effekte für die einzelnen Erfolgsgrade relativ frei festlegen. In Abwesenheit irgendwelcher Richtlinien dazu - das kommt häufiger vor als man meinen könnte -, ist dieses System nichts anderes als ein Zeitgewinn für SL sich zu überlegen, was als nächstes passieren soll. "Ich mach das und das." - "Äh, OK. Würfel mal auf…"
Entscheidungskarten-SystemeBeispiele: Itras By, Engel
Hierbei handelt es sich um eine abgespeckte und transparente Version der vorherigen Kategorie. An geeigneten Stellen, z.B. wenn ein Charakter etwas riskantes tut, wird eine Karte vom Stapel aufgedeckt. Diese kann entweder mit Antworten wie "Ja!", "Nein!", "Ja, aber…" usw. beschriftet sein oder mit quasi tarot-haften Motiven. Die beteiligten Spieler sollten dann die Antwort in ihre folgende Beschreibung verarbeiten. Da es keine Möglichkeit gibt, den Mechanismus an sich zu modifizieren, lassen sich Umstände, Kompetenzen oder ähnliche Parameter nur über ein Verständnis umsetzen, ob nun aufgedeckt werden soll oder nicht. Die Systeme wirken daher sehr konsensual.
Forgeianische Stake-SystemeBeispiele: The Pool, Primetime Adventures
Bei diesem Typ wird bevor gewürfelt wird zunächst eine Intention geklärt. Dies kann durchaus eine kurze Diskussion bedeuten, zum Beispiel könnte beim Heranrücken eines orkischen Kriegstrupps der Paladin erklären, dass er die Orks zurückschlagen will. Nach einer genaueren Erklärung könnte dies heißen, den Orks so eine Lektion zu erteilen, dass sie die Dorfbewohner auch in Zukunft in Ruhe lassen. Wenn der Wurf fehlschlägt, ist die Aktion also nicht nachhaltig. Im gleichen Zug könnte der Knappe die Intention haben, sich vor der zuschauenden Dorfbevölkerung nicht lächerlich zu machen. Die beiden Intentionen werden unabhängig verhandelt und die Abwicklung beschließt für gewöhnlich die Szene. Daher ist diese Methode für kleinteilige Action-Sequenzen nur bedingt geeignet.
Pick-a-Fight-SystemeBeispiele: Dogs in the Vineyard, With Great Power
Bei dieser Gruppe erklärt ein Spieler, dass sein Charakter eine Auseinandersetzung mit einem anderen Charakter beginnt. Die Beteiligten versuchen sich dann nach bestimmten Regeln über mehrere Runden hinweg in ihren Ergebnissen zu überbieten, wobei sie Ressourcen (z.B. Würfel oder Handkarten) verbrauchen. Bei den genannten Spielen gibt es Möglichkeiten durch In Kauf Nehmen von Problemen weitere Würfel bzw. Karten zu bekommen. Der Konflikt endet, wenn ein Spieler nicht mehr mithalten kann oder will. Systeme dieses Typs benötigen in Reinform Sonderregeln, wenn mehr als zwei Spieler beteiligt sind, und fassen letztlich alles als Konflikt auf. Im Zweifelsfalls wird eine Handlung also als Konflikt gegen die Natur modelliert.
Doch-das-soll-nicht-geschehen-SystemeBeispiele: Polaris, SEUCOR
Bei dieser Variante dient Würfeln gewissermaßen als Stopp-Schild. Wenn sich ein Spieler entscheidet zu würfeln, wird das ansonsten mehr oder weniger freie Spiel-Gespräch unterbrochen und mit einem Würfelwurf festgestellt, ob die zuletzt gemachten Eingaben so stattfinden oder nicht. Bei Polaris diese Option in eine Reihe mit anderen Stopp-Schildern gestellt, so dass man die Wahl hat, ob man z.B. würfeln oder Resourcen ausgeben will. Wird diese Methode stringent eingesetzt, macht sie aus dem Spiel eine geregelte Diskussion über die Beschaffenheit und den Fortgang der Fiktion.
Zustand-der-Welt-SystemeBeispiele: Durance, Kingdom
Bei diesen Spielen werden Würfel oder andere Marker weniger für den Erfolg einzelner Handlungen, sondern für die erzählerische Spannung, den Zusammenhalt der bespielten Community oder ähnliche quasi atmosphärische Gegebenheiten. Zu bestimmten Anlässen darf oder muss dann jemand z.B. einen Spielstein bewegen oder einen ausliegenden Würfel würfeln. Die Position der Spielsteine oder ausliegende Augenzahl der Würfel gibt dann bis zur nächsten Änderung der gesamten Gruppe mehr oder weniger explizit Auskunft, wie die Situation oder Umgebung dargestellt werden soll. Mehr tun sie nicht.
Move-SystemeBeispiele: PbtA
Hierbei handelt es sich um ein Würfel-mal-auf-System, dem praktisch alle Freiheitsgrade verloren gegangen sind, d.h. es gibt nur eine relativ beschränkte Auswahl von Moves, auf die überhaupt gewürfelt werden kann. Jeder Move hat dabei einen fest definierten Trigger und findet statt, wenn ein Spieler mit seinem Charakter den Trigger erfüllt. Der Move erklärt dann, was gegen welche Schwierigkeit gewürfelt werden soll und was im Erfolgsfall passiert, d.h. all die Entscheidungen, die bei Würfel-mal-auf-Systemen zumindest teilweise der SL obliegen. Bei Aktionen, die keinen Move auslösen, hat die SL ohne Umweg direkt zu entscheiden. Da die Menge der Moves eingeschränkt ist, muss das Spiel einem relativ engen Sujet folgen.
MischformenNatürlich gibt es zwischen diesen Typen Mischformen.
- Der Jenga-Turm in Dread ist ein relativ vager Zustand-der-Welt-Marker und das Ziehen entspricht einer Entscheidungskarte mit "Sterben!" oder "Weiter Leben!"
- Defy Danger in Dungeonworld bringt Würfel-mal-auf ins Move-System.
FragenWie nennt man Systeme wie Fiasko oder Conquer the Horizon, wo man sukzessiv Würfel aus der Mitte nimmt oder verteilt, so dass erstens das Spiel endet, wenn der Vorrat alle ist, und zweitens sich aus der Verteilung eine Art Endergebnis entwickelt?
Ist Capes ein Das-soll-nicht-Geschehen (weil ich anderen Leuten Goals unterschieben kann), Zustand-der-Welt (aber die Karteikarten werden ja am Ende der Szene abgeräumt) oder Pick-A-Fight (aber die Kontrahenten finden sich eher, als dass ich einen nominiere). Irgendwas anderes? Gibts vergleichbares?
Hab ich irgendwas vergessen?