#9: Das Kind im Setting-Bonbonland
Okay, okay, ein "Blog" sollte gelegentlich auch mal einen neuen Eintrag enthalten. Aber durch den Lockdown und den zwischenzeitlichen Zusammenbruch meiner Runden (die eine pausierend, die andere komplett eingestellt) habe ich eben auch nicht mehr gespielt und hatte damit auch wenig zu erzählen. Inzwischen aber hat sich doch mal wieder was getan, daher hier ein Update - allerdings geht es (zum dritten Mal hintereinander) noch immer um das Thema "Settings".
Einer der Gründe, warum ich vor anderthalb Jahren auf "Savage Worlds" umgestiegen bin, war das Versprechen, dass man damit sehr viele verschiedene Settings bespielen kann. Nun, ich liebe Settings (auch viele verschiedene), und ich hasse es, für jedes davon neue Regeln zu lernen. Daher schien es naheliegend, mich auf ein Regelwerk einzuschießen, das ich ohne großen Aufwand an ganz viele Settings anpassen kann.
Was ich dabei leider übersehen habe ist, dass es eben doch mit Arbeit verbunden ist, Savage Worlds auf neue Settings anzupassen. Klar, wenn es ohnehin ein SaWo-Setting ist, ist die Sache einfach. Wenn man aber ein systemfremdes Setting klauen und "savagen" möchte, dann muss man Zeit und Arbeit investieren. Manchmal findet man einen Conversion Guide im Netz, mit viel Glück ist er für die SWADE, und ganz manchmal entspricht er sogar den eigenen Vorstellungen (überraschend oft aber nicht, habe ich festgestellt). Meist aber endet die Sache (zumindest bei mir) damit, dass ich die Conversion doch selbst basteln muss. Nicht alles auf einmal, Schritt für Schritt reicht, aber trotzdem. Zeit und Arbeit eben. Was bei mir leider beides beschränkte Ressourcen sind.
Was sich aber als noch viel schlimmer herausgestellt hat (und das ist eher mein persönliches Problem als eines von Savage Worlds): Damit, dass ich mir eingeredet habe, ich könne ja jedes Setting bespielen, habe ich mich ständig für neue Settings begeistert. Das klingt so cool, das auch, und schau mal da - ist das nicht geil? Früher gab es wenigstens noch die Limits "Geld" und "Platz", um Leute ohne Selbstbeherrschung am unkontrollierten Kaufen zu hindern, aber irgendwann hat die Menschheit PDFs und BundleOfHolding erfunden, und das war's dann für mich. "Kind im Bonbonland" ist mein Begriff für das, was in den letzten Jahren mit meinen Rollenspielanschaffungen passiert ist.
Ich habe letzte Woche mal Inventur gemacht. Über 130 spannende Settings liegen mittlerweile auf meiner Festplatte oder in meinem Bücherregal. In Worten: Einhundertdreißig. Klingt pathologisch? Ich habe da so einen Verdacht. Und vor allem hat es natürlich auch nicht funktioniert. Um ein Setting wirklich auszureizen (jedenfalls so, wie ich mir das vorstelle), muss man sich ja auch eine Zeitlang damit beschäftigen. Und je mehr Settings man rumliegen hat, zwischen denen man hin- und herhüpft, desto weniger kriegt man das hin.
Zwei Dinge haben mich letztlich gerettet. Das eine ist eine Tischrunde, die derzeit erfreulich stabil läuft und die auch gerne weiter ihre laufende Kampagne (ein Eigenbau namens "Wilde See") spielen möchte. Höflich, aber bestimmt. Nein, Weltengeist, wir brauchen gar nicht schon wieder was Neues. Wir sind sehr glücklich mit unseren Figuren, lass uns doch einfach damit weiterspielen. Manchmal braucht der Mensch andere Menschen, die ihn an Dummheiten hindern.
Für meine "sonstigen Rollenspielprojekte" (primär eine Gelegenheitsrunde, die gerade entsteht, plus gelegentliche Kurzgeschichten), habe ich dagegen die Zahl der Settings radikal reduziert. Besonders begeistert bin ich derzeit von Eberron, gerade weil ich mich damit endlich mal richtig intensiv auseinandergesetzt habe. Ich habe es in die Sommerferien mitgenommen. Ich habe Kurzgeschichten dazu geschrieben. Ich habe Romane dazu gelesen. Ich habe Kaufabenteuer durchgesehen. Ich habe sogar Let's Plays auf Youtube angeschaut. Und mit jedem solchen Baustein, der auch wieder was mit Eberron zu tun hat, wird mein inneres Bild des Settings konkreter, farbiger und detailreicher. Und nur so bekomme ich das, was ich mir von einem exotischen Setting eigentlich wünsche: Ein Gefühl für das Ganze, eine Welt, in die man wirklich eintauchen kann und die nicht nur aus ein paar mit breiten Pinselstrichen gezeichneten Klischees besteht. Jetzt freue ich mich darauf, damit erst einmal eine Weile zu spielen. Ausschließlich. Was ein völlig neues Gefühl ist. Drückt mir die Daumen.