Grundsätzlich ist eine gesunde Portion Misstrauen seitens der Spieler (pardon: der Charaktere) ja nicht verkehrt und in einigen Fällen wohl auch berechtigt oder zumindest angebracht. Dass Spieler es aber in der Hinsicht auch übertreiben können, und sich die "gesunde Portion" in ein paranoides Misstrauen verwandelt, hatte ich leider auch schon ab und zu. Und ja, sowas kann einen als SL schon nerven, ich kann dich da schon verstehen.
Ein Fall an den ich mich erinnere: Ich habe eine Runde WHFRP2nd geleitet, wo die SCs einen Mordfall in einer Burg untersuchen sollten. Der Mord war auf der kleinen Theaterbühne der Burg passiert. Bei der Untersuchung des Tatorts habe ich dann u.a. beschrieben, dass es einen großen,
lilafarbenen Vorhang gibt, der die Bühne verdeckt. Der Vorhang unterteilt sich in 2 Hälften, die jeweils mit einer Kordel an der linken-und rechten Wandhälfte bedient werden (ganz klassisch also). Als die SCs ankommen, ist der Vorhang geschlossen. Nach ein paar Gesprächen will SC2 in den hinteren Bereich der Bühne, dazu kurz den Vorhang aufheben, und dann durchgehen.
SC1 zu SC2: " Du willst WAS machen?"
SC2: " Kurz den Vorhang aufheben, durchgehen und dann schauen, was hinter der Bühne ist".
SC1: " Bist du verrückt?! Du kannst doch nicht den Vorhang aufheben!"
SC2 (sichtlich irritiert): "...äh...warum...nicht?"
SC1: " Der Vorhang ist aus
lila Stoff!"
SC2: "Ja...und?!"
SC1: " Der ist
lila. Der ist garantiert verseucht bzw. vom Chaos korrumpiert! Das ist ein Zeichen des Bösen..."
Welche Methoden gibt es dazu präventiv und aktiv?
Also ich denke präventiv da was vorab zu machen oder dagegen vorzugehen wird schwierig. Im Vorhinein zu sagen: "Hey, ihr könnt allen netten NSC trauen und allen fiesen NSC nicht trauen" wäre zu einfach und würde sicherlich auch dem ein-oder anderen Setting nicht gerecht werden. Klar gibt es da Ausnahmen, wie z.B. 7teSee, wo die Welt ja schon bewusst schwarz/weiß gehalten ist. Aber im Normalfall finde ich es gut, wenn eben nicht alles so ist, wie es scheint bzw. der Schein trügt. Mir persönlich würde da auch irgendwo die Spannung fehlen: Kann man dem Typen trauen oder nicht? Und manches Mal erlebt man ja auch eine Überraschung oder unvorhergesehene Wendung- all das würde wegfallen.
Aktiv kann man dagegen schon eher vorgehen. Man kann :
- es outgame ansprechen (nach dem Spiel). Finde ich aber eher nicht so prickelnd (was diesen Punkt anbelangt), weil ich finde, dann sind die Spieler entsprechend "vorgewarnt" und sie agieren dann in Zukunft nicht mehr so unvoreingenommen oder misstrauisch wie zuvor; auch entsprechend "naives" Verhalten (was zu den Charakteren evtl. passen würde) entfällt dadurch ggf. und verhindert dadurch spannende, lustige, dramatische oder auch komische Situationen. Sprich: Ich sehe hierbei ein bisschen die Gefahr, dass die SC in ein stereotypes Verhalten(smuster) abdriften, wenn sie auf NSCs treffen und nicht mehr individuell darauf reagieren.
- ingame "dagegen" vorgehen. Bei mir haben sich zwei Arten bewährt:
a) Man geht auf der paranoiden Schiene einfach mit. Lässt auch die anderen NSCs dementsprechend agieren...und irgendwann wird das Ganze (ingame)so übertrieben und ins Lächerliche gezogen, dass es dem Spieler bzw. Charakter irgendwann auffällt
b) Man schlägt gleich den Contra-Kurs ein: NSCs reagieren entsprechend, à la " Der Typ ist so paranoid, mit dem will ich nix mehr zu tun haben/ dem verkaufe ich nichts mehr/ etc. " Das bringt Spieler & Charakter unweigerlich irgendwann zum Nachdenken über ihr Verhalten, und ob das nicht vielleicht ein bisschen übertrieben paranoid ist.
Mit a) habe ich aber die besseren Erfahrungen gemacht, da gab es eindeutig häufiger komische Momente und Situationen zum Lachen.
Die Outgame-Lösung würde ich wohl nur dann wählen, wenn a) und b) nicht zum Erfolg führen- ich habe das aber selten bis nie gebraucht in solchen Fällen. Da hatten a) oder b) eher eine "heilende" Wirkung.
Was man hiervon natürlich abtrennen muss, ist, wenn SCs einen entsprechenden Nachteil haben oder sich z.B. eine Geisteskrankheit eingefangen haben-aber ich denke hierum geht es nicht.
Ich denke allgemein kommt es auch hier einfach auf die richtige Dosis an. Ich würde zu Anfang es tatsächlich eher stereotyp halten, und dann mit fortschreitender Dauer auch mal die eine oder andere Überraschung einbauen (Verräter z.B.). Die Spieler&Charaktere sollten einfach auch selbst ein wenig die Erfahrung und Entwicklung (durch)machen, wem sie in der jeweiligen Spielwelt trauen können-und wem nicht. Oder wem sie eher vertrauen können und wem sie eher misstrauen sollten. Das wiederum ist, finde ich, aber ein Teil des Spiels bzw. gehört zum Spiel mit dazu und sollte dementsprechend nicht schon von Vorneherein klar festgelegt sein.
Und auch wenn das vielleicht einige hier nicht gerne lesen, aber: Die meisten Spieler in meinen Runden, die zu so einer übertriebenen Paranoia neigen, sind Shadowrun-Spieler. In einem der seltenen Fälle, in denen ich die outgame-Lösung mal gewählt habe (weil ich da gleich 3 Spieler von dieser Sorte hatte) habe ich mal nachgefragt und da hieß es als Erklärung nur: " Ja in Shadowrun bzw. unserer Shadowrun-Runde ist das so bzw. muss man seinen Charakter so spielen, sonst..." Ähnliche Aussagen habe ich dann auch in anderen Runden von anderen SR-Spielern gehört. Und komischer Weise nicht von Leuten, die Cthulhu oder so spielen, von denen ich das eher erwartet hätte.