Das neue Joan of Arc für 5e - das ist D&D mit kräftig abgefeilter Seriennummer. Ist in den Staaten bereits auf Englisch erschienen, durch die Pandemie wird es bei uns in Europa anscheinend leider verzögert - es soll sich aber nur noch um Wochen handeln.
Man spielt im europäischen Spätmittelalter, kann sich dabei zwischen 4 Niveaus von Fantastik entscheiden - Niveau 0 ist dabei frei von allem Übernatürlichen, auf Niveau 3 prügelt man sich mit Satan oder bekommt auch schon mal ne Stippvisite von den 4 apokalyptischen Reitern. Im Grundbuch gibt es 3 skizzenartig umrissene Kampagnenhintergründe: a) Kreuzzug gegen die Hussiten, b) Fall von Konstantinopel, c)100-jähriger Krieg. Die obligatorische Version von "so lebten sie im Mittelalter" ist natürlich auch wieder dabei, wobei ich die Hintergründe und eingeflochtenen Vigneten sehr nett anders als bei vergleichbaren deutschen Produkten fand. Es ist auch wirklich gut und kenntnisreich geschrieben. Wie bei D&D üblich gibt es natürlich auch ein Bestiarium in welchem Werte für Satan, den Antichristen, den Leviathan oder ähnliche Abenteuerpunkte-Lieferanten zu finden sind, aber auch dankenswerterweise und für Dich wohl interessant überraschend viele menschliche Gegner - so beispielsweise wahnsinnige Pestkranke, welche wie Zombie-Horden über die Helden herfallen können - klingt dämlich, aber in der Spielwelt wird der mittelalterliche Aberglaube als Erklärung verwendet, nämlich dass diese Kranken aufgrund ihrer seelischen Schlechtigkeit mit ihrem Unglück zu Recht geschlagen wurden und sich womöglich deswegen feindlich verhalten. Dadurch wird die Situation wieder ein bisschen komplexer.
Alle typischen D&D-Aspekte werden dem mittelalterlichen Schauplatz angepasst, hier mal eine kurze Übersicht:
Der wichtigste Aspekt des Spiels ist der Fokus auf die Glaubenswelt des mittelalterlichen Menschen. Drei wichtige Spielwerte zwischen 1 und 7 Punkten sind Glaube, Aberglaube und Pragmatismus. Das funktioniert wieder mal im Prinzip wie Schicksalspunkte in vielen anderen Spielen: Man kann sich oder auch seiner Gruppe mit einem geopferten Punkt Vorteile verschaffen; etwa der gläubige Hauptmann der seinen fanatischen Untergebenen ein situativ passendes "Für Gott und König Heinrich!" zubrüllt, worauf die guten Christen in der Truppe (Glaube auf 1 oder höher) sofort einen Bonus im Kampf erhalten. Ein anderes Beispiel ist eine Name-der-Rose-Situation, in welcher der mittelalterliche Doctore über die Leiche eines grausigen Ritualmordes gebeugt einen Punkt Pragmatismus aufwendet, um mit mehr wissenschaftlicher Kühle das zu Sehende bewerten zu können - wieder bekommt er für die folgende Würfelprobe nach Ermessen des Meisters einen Bonus. Die Punkte kann man dann durch eine Rast wiedererlangen.
Wenn man in einem der 3 Attribute einen Wert von 7 erlangt, erreicht man einen exaltierten Zustand der Transzendenz: Der Gläubige wird zum Heiligen und erhält Kampfboni für sich und seine Truppe, der Abergläubige wird zur verdammten Seele und konfrontiert seine Gegner mit der Schwärze ihrer Seele, der Pragmatiker wird zum Weisen und versteht alle Absichten seines jeweiligen Gesprächspartners bereits im Ansatz.
Alignment wird über Verdamnispunkte ausgedrückt: Ulkig ist dabei dass man das Alignment nicht nur wie sonst bei D&D über gute/schlechte Taten verändert, sondern auch über das Kaufen von Ablassbriefen, Buße tun sowie die Beichte. Mit 1-3 Punkten ist man gut, mit 4 -10 Punkten neutral, mit allem darüber natürlich böse. Weiterhin gibt es noch für besonders prinzipienfeste Mitspieler noch eine zusätzliche Bonusmöglichkeit für Würfelproben in Form von sogenannter Inspiration (der Meister entscheidet dann situativ ob es was gibt). Es gibt auch finstere Hexenrituale oder christliche Reliquien und Predigten, welche Boni bringen können.
Joan of Arc hat noch viele andere Aspekte wie ein interessantes Massenkampfsystem, für welches man keine Miniaturen benötigt, aber das Wichtigste um einen Eindruck von dem Spiel zu bekommen ist, glaube ich, gesagt.
Die Eleganz von Joan of Arc ist sicherlich, dass der Spielleiter nie dazu gezwungen ist mit Magie irgendetwas zu erklären: Alle vermutlich übernatürlichen Ereignisse können mit dem Aberglauben des mittelalterlichen Menschen begründet werden. Es gibt wie gesagt Werte den Teufel, aber man muss ihn ja nicht auftreten lassen.