Das hat jetzt ein bißchen gedauert. Ich war die letzten Wochen etwas übermüdet.
Also, warum der Aufwand mit den Konfliktregeln? Bei Mouse Guard dreht sich alles um Konflikte. Die Spieler müssen mit ihren Figuren etwas wollen und für ihre Beliefs und Goals kämpfen mit allem, was so ne Maus hat. Und der Spieler arrangiert NPCs und die Umwelt so, daß er auf diese Flags drückt, und zwar, indem er massiv Widerstand leistet, gegen die Spieler angehen können. Damit das klappt, müssen die Regeln den SL zum einen einschränken; sonst überrollt er die Patrouille entweder einfach oder er muß sich ums Gleichgewicht sorgen und künstlich zurückstecken. Zum anderen brauchen die Spieler die Möglichkeit, von sich aus ein Ziel zu setzen und das dann durchzukämpfen, und zwar gegen Antagonisten, die ebenfalls aktiv ihre Ziele verfolgen und dafür kämpfen.
Anders gesagt, der Autor von Mouse Guard glaubt an den ehrlichen Konflikt als entscheidende Spaßquelle im Rollenspiel. Das ist eine Sache, bei der ich absolut mitgehe. Ein ehrlicher Konflikt erfordert zwei Grundvoraussetzungen: Beide antagonistische Parteien müssen etwas wollen und sich richtig reinknien, und es darf kein derart steiles Machtgefälle zwischen den Seiten geben, wie man es beim traditionellen Spielleiter mit Allgewalt hat.
Es gibt Spiele, die regeln das anders, z.T. aus anderen Gründen: Bei einem Dungeoncrawl kann man den gewissermaßen den Antagonismus aus der Büchse eines Moduls beziehen und sich als SL etwa mittels der Kampfregeln auf die Durchführung konzentrieren ("das hab ich mir net ausgedacht, da, hier stehts im Abenteuer"). Das ist eine Möglichkeit, die Aspekte der Spielleiterrolle zu trennen. Unkown Armies trennt diese Rollen explizit: Der SL setzt seinen Antagonistenhut bei der Vorbereitung auf, im Spiel muß er dann andere Prioritäten verfolgen (das muß ich mir aber nochmal näher anschauen). Andere Spiele haben challenge ratings oder Punktebudgets, um das Machtgefälle anzugleichen.
Mouse Guard hat feste Prozeduren, die zu bestimmten Arten von Konflikten führen, und die Konflikte selbst werden als formalisierte "Arena" abgehandelt, in der beide Parteien gleich mächtig sind (nicht unbedingt ihre Figuren im Spiel, aber die Parteien am Tisch schon). Der Spielleiter gibt all seine Sonderbefugnisse ab. Die Regeln sind für alle gleich und der Spielleiter reguliert auch keine Schwierigkeiten, wie bei den Skills. Die ganze Fiktion, die er ja fast nach Belieben kontrolliert, wird für die Dauer des Konflikts hintenan gestellt: Keine Konfliktpartei kann mehr Fiktion erzeugen/erzählen, als sie sich mechanisch erkämpft hat. Die Arena wird abgesteckt und dann wird der Konflikt nach den Regeln ausgetragen; sozusagen "ausgeboxt", und zwar von beiden Seiten, so gut sie können. Man kann als Spielleiter voll durchziehen: Beide Seiten hauen sich nach Kräften auf die fiktive Fresse. Das finde ich ziemlich gut und sehr reizvoll.
Das Interessante daran sind eigentlich die Ergebnisse der Konflikte. Bei den einfachen Skillproben gibt es nur ja/nein, Erfolg oder nicht, und als Spielleiter hat man immer noch die Kontrolle über Mißerfolge. Aber Konfliktergebnisse sind für beide Parteien oft unvorhersehbar: Durch erzwungene Kompromisse zwischen den explizit formulierten Konfliktzielen ergeben sich oft dramatische und unvorhergesehen Wendungen, die dem Spiel einen großen Reiz verleihen können. Anders gesagt: Mit Skills kann eine Seite etwas erreichen, das sie möchte. Mit Konflikten können beide Seiten etwas erreichen, das keiner will und das allen wehtut. Konflikte machen das Spiel unvorhersehbar, gefahrenvoll, chaotisch und damit für mich reizvoll. Und weil sie nicht auf Kämpfe beschränkt sind, machen sie das Spiel auch sehr vielseitig.
Ich sage nicht, daß die Konfliktregeln von Mouse Guard perfekt sind oder daß man sie mögen muß. (Tatsächlich können sie am besten das, was die drei Konfliktsysteme des Mutterspiels Burning Wheel leisten: Streitgespräche und Kämpfe, nah wie fern. Bei anderen Konfliktarten kann es manchmal bei der Fiktion etwas hakeln.) Aber sie erreichen das Designziel auf nicht-langweilige Weise und sie sind funktionell. Und für das, was sie leisten, finde ich sie nicht zu kompliziert. Bei anderen Spielen vermisse ich sie oder ein vergleichbares Konfliktsystem oft.