Autor Thema: „Play to find out“ versus tiefgründige Story  (Gelesen 10384 mal)

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Offline KhornedBeef

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Re: „Play to find out“ versus tiefgründige Story
« Antwort #25 am: 29.09.2020 | 19:13 »
Ich kann nicht verstehen, dass hier Leute von "tiefgründig und vorbereitet" irgendwie auf "Kaufabenteuer" schließen :o
Wenn ich diese Attribute im Spiel forcieren will, dann bereite ich zu wenigstens 50% etwas ganz eigenes vor
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Re: „Play to find out“ versus tiefgründige Story
« Antwort #26 am: 29.09.2020 | 20:06 »
Die "Play to find out-Schiene (egal welcher Geschmachsrichtung) nennt sich bei Computerspielen "emergent narrative". Wer Spiele wie Papers Please oder Dwarf Fortress kennt und schätzt, weiss dass da sehr tiefgründige Geschichten entstehen. Das bedeutet natürlich nicht, dass da vollkommen ohne Vorbereitung vorgegangen wird. Normalerweise übernimmt dabei das zu Grunde liegende Regelwerk einen großen Teil der Vorbereitung. Deswegen besteht "Blades in the Dark" auch aus einem so verdammt großen Regelwerk.
Die Techniken für nicht interaktive Geschichten sind ehrlich gesagt nur bedingt für Spiele jedweder Art verwendbar. Das Potential, dass die Spieler Dir beabsichtigt oder unbeabsichtigt die Dramaturgie zerschiessen, ist sonst sehr hoch.
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Offline tartex

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Re: „Play to find out“ versus tiefgründige Story
« Antwort #27 am: 30.09.2020 | 10:07 »
Ich kann nicht verstehen, dass hier Leute von "tiefgründig und vorbereitet" irgendwie auf "Kaufabenteuer" schließen :o

Was wäre denn ein konkretes Beispiel für ein tiefgründiges Abenteuer? Also aus der Spielpraxis, nicht aus einem Kaufabenteuer - aber meinetwegen auch daraus.
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Offline Jiba

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Re: „Play to find out“ versus tiefgründige Story
« Antwort #28 am: 30.09.2020 | 10:12 »
Ja, was ist denn überhaupt „tiefgründig“? Fangen wir doch so an.
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“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

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Re: „Play to find out“ versus tiefgründige Story
« Antwort #29 am: 30.09.2020 | 10:18 »
Ich kann nicht verstehen, dass hier Leute von "tiefgründig und vorbereitet" irgendwie auf "Kaufabenteuer" schließen :o
Auf der anderen Seite habe ich festgestellt, dass im Gegensatz zu einer tiefgründigen, vorbereiteten Geschichte oftmals spannende Erzählbögen oder überraschende Wendungen fehlen und dass es seltener coole WTF-Momente gibt. Eine gut orchestrierte Dramaturgie kann meines Erachtens nicht spontan und durch Improvisation entstehen. Auch die meisten Drehbuchschreiber und Romanautoren grübeln sicherlich lange über ihre Geschichte und den darin enthaltenen Verwicklungen und Wendungen nach, statt auf ein „write to find out“ zu setzen.
Ich

@Jiba

Die Werte und Überzeugungen eines Charakters werden hart getestet und ändern sich vielleicht
« Letzte Änderung: 30.09.2020 | 10:21 von Lichtschwerttänzer »
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Offline First Orko

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Re: „Play to find out“ versus tiefgründige Story
« Antwort #30 am: 30.09.2020 | 10:23 »
Na ein paar Stichpunkte sind ja im Eröffnungsthread schon genannt:

* tiefgründigen vorbereiteten Geschichte
* spannende Erzählbögen
* überraschende Wendungen
* coole WTF-Momente gibt.
* orchestrierte Dramaturgie

Das ist also die Erwartungshaltung bzw. Wunschliste.
Und die These: Das geht nur mit Vorbereitung.
Und die Frage: Und wie schaffe ich das mit "Play to find out"?

---
Als erstes muss ich da selbst etwas zurückrudern, KhornedBeef hat nämlich völlig recht: Von Fertigabenteuern war nie die Rede, das habe ich nur reingedeutet (siehe Lichtschwertänzers Beitrag)

Okay. Trotzdem bleiben meine Positiverfahrungen mit improvisierter, tiefgründiger Geschichte mit überraschenden Wendung - das habe ich so am Tisch erlebt und z.T. interessanter umgesetzt als detailiert vorbereitete Plots.
Allerdings lebt auch eine gute Improvisation genauso von Vorbereitung! Nur die Vorbereitung ist zum Teil anderer Natur:

- das Setting kennen, bzw den Teil, in dem gespielt wird
- wahlweise oder ergänzend: Das Genre kennen oder erkennen, welches Genre die Welt abbildet
- Listen (Namen, Orte, Ereignisse) um stockender Kreativität im Spiel entgegenzuwirken. Wenn man genug Beispiele im Kopf hat (ein Repertoire) geht das auch irgendwann ohne, dann aber mit der Gefahr, sich zu wiederholen oder irgendwann nur selbst zu zitieren!
- die Spieler über ihre Charaktere, deren Motivation und Hintergründe abholen und die "Flags" nutzen, die sie der SL zur Verfügung stellen
- Geheimnisse einbringen und irgendwann auflösen
- improvisierte Elemente ins Spiel bringen und notieren/merken, um diese an geeigneter Stelle wieder aufzugreifen bzw. zu vertiefen (=>Kohärenz)

Überraschungen, Wendungen usw. entstehen bei PbtA-Spielen durch die Würfelergebnisse - sogar sehr viel expliziter als in vielen anderen Spielen, die in der Ergebnisauswahl oft binär sind (gelingt/gelingt nicht).
Die Aufgabe der SL ist es, aus den Ergebnisse nicht ständig neue Ereignisse zu kreieren, sondern auf Vorhandem aufbauen.
« Letzte Änderung: 30.09.2020 | 11:02 von First Orko »
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Re: „Play to find out“ versus tiefgründige Story
« Antwort #31 am: 30.09.2020 | 10:33 »
Die Werte und Überzeugungen eines Charakters werden hart getestet und ändern sich vielleicht

Wenn das unsere Maßgabe ist: Unsere vollkommen improvisierte Runde "Girl Underground" auf dem Tanelorn-Treffen im Februar hat das erreicht. Danke an meine tollen Mitspieler an dieser Stelle!
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Offline GornOfDagon

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Re: „Play to find out“ versus tiefgründige Story
« Antwort #32 am: 30.09.2020 | 10:43 »
Na ein paar Stichpunkte sind ja im Eröffnungsthread schon genannt:

* tiefgründigen vorbereiteten Geschichte
* spannende Erzählbögen
* überraschende Wendungen
* coole WTF-Momente gibt.
* orchestrierte Dramaturgie

Das ist also die Erwartungshaltung bzw. Wunschliste.
Und die These: Das geht nur mit Vorbereitung.

Danke, exakt so war es von mir gemeint. Nehmen wir doch mal als Beispiel aus Game of Thrones die
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, eine für die meisten Leser überraschende Wendung, ein großer WTF-Moment und der Auslöser für viele weitere Handlungsfäden. Eine solche Szene muss im Vorfeld sehr sauber geplant werden. Hier müssen Hintergründe der einzelnen Protagonisten, politische Intrigen und der Meta-Plot beachtet werden. Der Spannungsbogen ist perfekt aufgebaut. Meinen höchsten Respekt vor demjenigen, der so eine Szene improvisieren kann, weil zufällig die Würfel dahin gerollt sind.

Zusammengefasst aus meiner Erfahrung: Tiefgehende emotionale Szenen entstehen zumeist durch die Charaktere und die Immersion der Spieler. Überraschende und fesselnde Szenen entstehen zumeist aus der gut ausgedachten Geschichte. "Überraschend" in dem Zusammenhang heißt aber nicht "dem Zufall überlassen", sondern aufgrund der für die Spieler nicht vorhersehbaren Handlung.

Offline Lichtschwerttänzer

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Re: „Play to find out“ versus tiefgründige Story
« Antwort #33 am: 30.09.2020 | 10:55 »
Und jetzt haben die SCs (Stark) Vorbereitungen für sowas getroffen z.B. Geiseln, setzen Lord Walder die Klinge an den Hals, klären den Verrat vorher auf   oder verraten(Frey) den Plan, sowas ist seit der Nibelungen Not nicht gerade neu.

Nein so eine Bartholomäusnacht würde ich vorplanen, aber ich würde mich nicht in eine Käfig von Szene setzen und es wäre  nicht DEM geskriptet
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Offline KyoshiroKami

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Re: „Play to find out“ versus tiefgründige Story
« Antwort #34 am: 30.09.2020 | 10:59 »
Und jetzt haben die SCs (Stark) Vorbereitungen für sowas getroffen z.B. Geiseln, setzen Lord Walder die Klinge an den Hals, klären den Verrat vorher auf   oder verraten(Frey) den Plan, sowas ist seit der Nibelungen Not nicht gerade neu.

Nein so eine Bartholomäusnacht würde ich vorplanen, aber ich würde mich nicht in eine Käfig von Szene setzen und es wäre  nicht DEM geskriptet

Stimme ich voll und ganz zu. Das ist ja wie eine Zwischensequenz in einem Videospiel und so wie ich diverse Spielleiter einschätze, würde das genau so laufen. Die Spieler könnten nichts weiter beeinflussen. Bei einem PbtA würde man dann einfach schauen, wie die Szene sich generell entwickelt und was die Spieler damit machen.

Offline First Orko

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Re: „Play to find out“ versus tiefgründige Story
« Antwort #35 am: 30.09.2020 | 10:59 »
Zusammengefasst aus meiner Erfahrung: Tiefgehende emotionale Szenen entstehen zumeist durch die Charaktere und die Immersion der Spieler.

Das greift m.E. zu kurz. [für Spieler*in] emotionale Szenen entstehen wenn das, was dem SC passiert der Spieler*in nahegeht. Das kann nur dann funktionieren, wenn die SL die Werte des Spielers, welche dieser durch die SC widerspiegelt, angreift. Das kann man Immersion nennen, aber wie viele Andere hier finde ich den Begriff zu nebulös, um damit konrekt diskutieren zu können.

Worauf ich hinaus will: Das gezielte Hervorrufen von Emotionen beim Spieler ist eine Manipulation der Spieler*in (die seitens der SL SEHR verantwortungsvoll und in offenem, gegenseitigen Einvernehmen eingesetzt werden sollte!) - und als solches ein Softskill der SL, der neben dem steht, was im Spiel passiert.
Es ist sogar fast völlig egal, was im Spiel passiert: Wenn ich weiß, worauf die Leute am Tisch emotional abgehen, kann ich beinahe _alles_ im Spiel als Vehikel nutzen.

@Game of Thrones
Es spricht nichts dagegen, eine beliebige starke Szene aus der Serie an den Anfang einer Sitzung zu setzen (mitsamt den Hintergründen) - und dann weiterspielen, um herauszufinden, was passiert  ;)
« Letzte Änderung: 30.09.2020 | 11:02 von First Orko »
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Offline Crimson King

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Re: „Play to find out“ versus tiefgründige Story
« Antwort #36 am: 30.09.2020 | 11:03 »
Es hilft meines Erachtens und es ist bei PbtA auch nicht verboten, solche Pläne in petto zu haben,. Es hilft nicht, solche Pläne durchzudrücken, wenn die Spieler nicht so agieren, dass der Handlungsverlauf wie geplant erfolgen kann. Improvisation findet üblicherweise über einem Grundaufbau statt, den die SL auch beherrscht.
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

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Offline Jiba

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Re: „Play to find out“ versus tiefgründige Story
« Antwort #37 am: 30.09.2020 | 11:09 »
Es hilft meines Erachtens und es ist bei PbtA auch nicht verboten, solche Pläne in petto zu haben,. Es hilft nicht, solche Pläne durchzudrücken, wenn die Spieler nicht so agieren, dass der Handlungsverlauf wie geplant erfolgen kann. Improvisation findet üblicherweise über einem Grundaufbau statt, den die SL auch beherrscht.

Besser kann man's gar nicht sagen.  :d
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Offline tartex

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Re: „Play to find out“ versus tiefgründige Story
« Antwort #38 am: 30.09.2020 | 12:09 »
Danke, exakt so war es von mir gemeint. Nehmen wir doch mal als Beispiel aus Game of Thrones die
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
, eine für die meisten Leser überraschende Wendung, ein großer WTF-Moment und der Auslöser für viele weitere Handlungsfäden. Eine solche Szene muss im Vorfeld sehr sauber geplant werden. Hier müssen Hintergründe der einzelnen Protagonisten, politische Intrigen und der Meta-Plot beachtet werden. Der Spannungsbogen ist perfekt aufgebaut. Meinen höchsten Respekt vor demjenigen, der so eine Szene improvisieren kann, weil zufällig die Würfel dahin gerollt sind.

Lustigerweise sehe ich dieses Ereignis immer schon als die literarische Umsetzung eines Beinahe-TPKs. Das schöne daran ist ja das Zusammenhauen der bisherigen Handlungsfäden. Es ist eine krasse Disruption der Dramastruktur. Dass danach aus den Scherben was tolles gebaut wird, steht dann wieder auf einem anderen Blatt. Dass man sich danach ziemlich sicher ist, sich nicht auf die gewöhnten Strukturen verlassen zu können, allerdings schon noch auf demselben.
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Offline tanolov

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Re: „Play to find out“ versus tiefgründige Story
« Antwort #39 am: 1.10.2020 | 10:08 »
Play to find out (Wie ich es für diesen Beitrag verstehe): Entscheidende Aspekte der allgemeinen Spielwelt oder der konkreten Situation sind nicht fest gelegt, sondern werden erst während des Spiels von Spielern und SL gemeinsam entwickelt: Wer ist der Bösewicht oder Mörder? Wie stehen zwei wichtige NSCs zu einander? Spielt ein Auftraggeber fair, oder will er die SCs benutzen und verraten? Was soll eigentlich das "Abenteuer" sein? Das weiß anfangs nicht mal die SL.

hier will ich gleich gegensteuern: "play to find" out in Apocalypse World (wo es ja herkommt) heißt nicht das man alles ad hoc improvisiert oder jedes weltdetail inkl. beziehungsgeflechten auf würfelwürfen beruht. tatsächlich soll man in dem spiel ja sogar ex ante festlegen was passiert und wie sich die welt verändert. man soll das aber eben nur für den fall machen, das die spieler nicht in das geschehen eingreifen. auf dieser grundlange wird dann gespielt.
play to find out heißt lediglich, das es ex ante keinen plot gibt der die spielercharaktere beinhaltet. man spielt um herauszufinden was passiert. die art der vorbereitung und die erwartungshaltung des spielleiters ist unterschiedlich.

die unterschiede kurz im beispiel:

Grundlage:
Post-Apokylpase; Stadt mit Gewächshaus (Flavourtown); Gang in den Badlands (Hell-Rider); Hell-Rider wollen das Gewächshaus übernehmen

Erwartungshaltung / Vorbereitung

Standardansatz:
- Charaktere starten in Flavourtown
- Charaktere bekommen einen Incentive das Gewächshaus vor den Hell-Ridern zu beschützen
- Hell-Rider greifen das Gewächshaus an, Charaktere Verteidigen das Gewächshaus
- Charaktere bekommen einen Incentive den Anführer der Hell-Rider auszuschalten
- Charaktere töten den Anführer der Hell-Rider in seiner Festung


Play-To-Find-Out Ansatz:
- Hell-Rider geben eine Warnung ab, dass das Gewächshaus ab jetzt ihnen gehört
- Hell-Rider übernehmen das Gewächshaus
- Unruhen in Flavourtown aufgrund drohendem Nahrungsengpass


Bei Play to Find out lasse ich offen was die Charaktere machen werden. Genau das ist es was ich "herausfinde". Wenn die Charaktere Flavourtown verteidigen wollen ist das ok, wenn sie den Hell-Ridern beitreten wollen passt das auch und wenn sie nichts von beidem machen, dann gibts eben mehr Drama in Flavourtown. Erfolg/Misserfolg der jeweiligen Aktionen gibt dem ganzen dann noch mehr Variabilität.




Um dem TE noch zu antworten:
"tiefgründige Story" (wie genau man das auch definieren möchte) schließt sich damit nicht aus. Ich persönlich stehe sowieso immer auf Kriegsfuß mit der Idee das man bei einer 0815 Rollenspielsession eine objektiv hochwerte Story rausbekommen könnte. (objektiv hier als von Fachkundigen dritten bewertet). Ich benutze da immer gerne die Kochallegorie:

a) Wenn ich gutes essen will, dann komme ich nicht drum herum in ein gutes Restaurant zu gehen und das essen von Profis zubereiten zu lassen.
b) Wenn ich in einem familiären, informellen Kreis essen will, dann kann ich mich mit Freunden bei wem Zuhause treffen und einer Kocht.
c) Alternativ koche ich auch zusammen mit Freunden etwas gemeinsam.

bei a) habe ich mit weitem Abstand das beste Essen. Es ist aber auch am teuersten und hat ein fundamental anderes Flair als Option b) und c). Im Rollenspiel wäre das äquivalent ein Kaufabenteuer und man muss sich sogar fragen ob Rollenspiel überhaupt noch das richtige Medium ist und ein Film oder Buch nicht passender wäre.

bei b) wird das Essen objektiv gesehen nicht besonders sein (objektiv hier als von Fachkundigen dritten bewertet). Wahrscheinlich bin ich aber auch nicht wegen des Essens da, sondern wegen der Gesellschaft. Im Rollenspiel ist das Äquivalent der Spielleiter der mit einer Vorbereiteten Story an den Tisch kommt.

bei c) wird mein Essen objektiv gesehen das schlechteste sein, aber da wir es zusammen gemacht haben finden wir es subjektiv trotzdem toll. Dies deswegen da wir alles was wir selber machen nicht Objektiv bewerten. Im Rollenspiel ist das der gemeinschaftliche Ansatz bei dem die Story zusammen am Tisch erzählt wird. Da die einzigen Rezipienten der Story die Spieler sind, interessiert es auch niemanden das die Story objektiv ziemlich meh ist.
Daher ist das mein klarer Favorit.
« Letzte Änderung: 1.10.2020 | 10:29 von tanolov »

Offline Xemides

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Re: „Play to find out“ versus tiefgründige Story
« Antwort #40 am: 1.10.2020 | 10:24 »
- das Setting kennen, bzw den Teil, in dem gespielt wird
- wahlweise oder ergänzend: Das Genre kennen oder erkennen, welches Genre die Welt abbildet
- Listen (Namen, Orte, Ereignisse) um stockender Kreativität im Spiel entgegenzuwirken. Wenn man genug Beispiele im Kopf hat (ein Repertoire) geht das auch irgendwann ohne, dann aber mit der Gefahr, sich zu wiederholen oder irgendwann nur selbst zu zitieren!
- die Spieler über ihre Charaktere, deren Motivation und Hintergründe abholen und die "Flags" nutzen, die sie der SL zur Verfügung stellen
- Geheimnisse einbringen und irgendwann auflösen
- improvisierte Elemente ins Spiel bringen und notieren/merken, um diese an geeigneter Stelle wieder aufzugreifen bzw. zu vertiefen (=>Kohärenz)

So gehe ich auch bei vorbereiteten Abenteuern vor ;-).

Nur das ich lieber fertige Settings benutze.
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Offline GornOfDagon

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Re: „Play to find out“ versus tiefgründige Story
« Antwort #41 am: 1.10.2020 | 11:08 »
Ich persönlich stehe sowieso immer auf Kriegsfuß mit der Idee das man bei einer 0815 Rollenspielsession eine objektiv hochwerte Story rausbekommen könnte.

Wenn ich einen 08/15 Film sehe, schalte ich ab, da ich meine kostbare Freizeit damit nicht vergeuden möchte. Dasselbe gilt für RPG, da möchte ich kein 08/15. Das muss jedesmal rocken. Ansonsten ist es einfach ein lockeres Sit-In mit Freunden (wie Small Talk) und das ist nicht meins. Ich weiß, dass ich mich damit häufig unter Druck setze und auch oft enttäuscht/frustriert vom Tisch aufstehe. Aber dennoch: Ein Spiel ist nur dann gut, wenn es ernsthaft gespielt wird.

Mir gefällt auf jeden Fall deine Interpretation vom "Play to find out" und das Beispiel...

Offline Ninkasi

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Re: „Play to find out“ versus tiefgründige Story
« Antwort #42 am: 1.10.2020 | 11:13 »

Standardansatz:
- Charaktere starten in Flavourtown
- Charaktere bekommen einen Incentive das Gewächshaus vor den Hell-Ridern zu beschützen
- Hell-Rider greifen das Gewächshaus an, Charaktere Verteidigen das Gewächshaus
- Charaktere bekommen einen Incentive den Anführer der Hell-Rider auszuschalten
- Charaktere töten den Anführer der Hell-Rider in seiner Festung


Play-To-Find-Out Ansatz:
- Hell-Rider geben eine Warnung ab, dass das Gewächshaus ab jetzt ihnen gehört
- Hell-Rider übernehmen das Gewächshaus
- Unruhen in Flavourtown aufgrund drohendem Nahrungsengpass


Bei Play to Find out lasse ich offen was die Charaktere machen werden. Genau das ist es was ich "herausfinde". Wenn die Charaktere Flavourtown verteidigen wollen ist das ok, wenn sie den Hell-Ridern beitreten wollen passt das auch und wenn sie nichts von beidem machen, dann gibts eben mehr Drama in Flavourtown. Erfolg/Misserfolg der jeweiligen Aktionen gibt dem ganzen dann noch mehr Variabilität.

Passende Erklärung. Bei dem Play-to-find-out-Ansatz lässt es sich halt auch besser ergebnisoffen Leiten. wo dann die angesprochene Variabilität ins Spiel kommt.

@ (rote) Hochzeitbeispiel:
Ich kann mir zwei Wege im Play-to-find-out-Ansatz vorstellen:

Ich bereite einen Hochzeitsplot vor. Ein Freund der Gruppe heiratet und ein Feind plant auf der Hochzeit ein Attentat.
Und dann schauen was passiert, wie die Spieler handeln und wie die Würfel fallen.

oder improvisiert, eventuell über vorhandene Zufallstabellen:

würfel: Also ihr erhaltet eine Einladung von einem Freund.
würfel: Es ist eine Hochzeitseinladung.

dann weiß ich vielleicht aus meinen Vorbereitungen oder Spielerfahrung, dass der Freund Mafiabeziehungen pflegt oder improvisiere / erwürfel diese Beziehung und alles nimmt seinen Lauf.

Beides kann befriedigende Geschichten an den Tag bringen, immer stark von der Tagesform der SL und Spieler abhängig.
Und in der Praxis mische ich da auch etwas.
Überraschende Wendungen gibt´s genügend. Das liebe ich mittlerweile als Spielleitung, ich möchte nicht im Vorfeld wissen, wie die Geschichte verläuft.

Offline bobibob bobsen

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Re: „Play to find out“ versus tiefgründige Story
« Antwort #43 am: 1.10.2020 | 11:32 »
Zitat
Ein Spiel ist nur dann gut, wenn es ernsthaft gespielt wird.

Was meinst du denn damit.

Das ernsthafte Themen bespielt werden?
Das sich alle Mitspieler ernsthaft (intensiv) mit dem Spiel beschäftigen (Regeln, Welt, etc)?
Das alle Mitspieler konzentriert bei der Sache sind?


Offline Isegrim

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Re: „Play to find out“ versus tiefgründige Story
« Antwort #44 am: 1.10.2020 | 11:47 »
@ tanolov:

Ich wollte damit definieren, auf welche Fragestellung sich meine dann folgende Aussage bezog, und wie ich den Thread opener verstanden habe. Debatten über Begriffsdefinitionen find ich ermüdend, daher bezieh dich bitte auf meine eigentliche Aussage.
"Klug hat der Mann gehandelt, der die Menschen lehrte, den Worten auch der Anderen Gehör zu schenken."  Euripides

Offline GornOfDagon

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Re: „Play to find out“ versus tiefgründige Story
« Antwort #45 am: 1.10.2020 | 11:50 »
Das sich alle Mitspieler ernsthaft (intensiv) mit dem Spiel beschäftigen (Regeln, Welt, etc)?
Das alle Mitspieler konzentriert bei der Sache sind?

Geht jetzt ein bisschen am Thema vorbei, aber kurz zur Antwort: jepp, beides trifft es schon ganz gut, gemeint ist:
  • wenn alles ins Lächerliche gezogen wird, z.B. durch Slapstick & Loonies
  • wenn die nötige Ernsthaftigkeit fehlt: "Egal, ist doch nur ein Spiel"
  • wenn zuviel Ablenkung vorherrscht, z.B. durch Smartphones oder Regelbuchgeblättere

Offline tanolov

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Re: „Play to find out“ versus tiefgründige Story
« Antwort #46 am: 1.10.2020 | 12:13 »
Geht jetzt ein bisschen am Thema vorbei, aber kurz zur Antwort: jepp, beides trifft es schon ganz gut, gemeint ist:
  • wenn alles ins Lächerliche gezogen wird, z.B. durch Slapstick & Loonies
  • wenn die nötige Ernsthaftigkeit fehlt: "Egal, ist doch nur ein Spiel"
  • wenn zuviel Ablenkung vorherrscht, z.B. durch Smartphones oder Regelbuchgeblättere

das hat jetzt aber alles nichts mit play to find out zu tun.

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Re: „Play to find out“ versus tiefgründige Story
« Antwort #47 am: 1.10.2020 | 12:21 »
So gehe ich auch bei vorbereiteten Abenteuern vor ;-).

.... Tadaaa!!!  :cheer:
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Re: „Play to find out“ versus tiefgründige Story
« Antwort #48 am: 1.10.2020 | 19:19 »
Man kann übrigens auch als Gruppe eine Spielrunde intensiv vorbereiten, machen wir bei den Drama-Runden auf dem Tanelorn-Treffen regelmäßig. D.h. die Annahme, die bei vielen hier so mitschwingt, dass intensives Vorbereiten und "Orchestrieren" gleichbedeutend sei mit Spieler-Entmachtung und SL-Diktatur, ist überhaupt gar nicht zwingend. Ebenso wenig ist es in Entweder-Oder, sondern es ist ein Kontinuum zwischen Improvisation und Vorbereitung. Die Vorstellung einer Spielrunde, in der alles "genau wie geplant" passiert, ist doch lebensfremd, in jeder (vernünftigen, jedenfalls) Spielrunde wird zu einem gewissen Grad improvisiert. Blades in the Dark & Co. sind halt relativ improvisationslastig und auch meiner Erfahrung nach relativ beliebig. Ich kann daher sehr gut nachvollziehen, dass die Plots, die dabei rauskommen, als wenig tiefgründig und wenig interessant empfunden werden. Für mich war das Ergebnis bei guter Vorbereitung in fast allen Fällen besser: Glaubwürdigere und besser durchdachte Charaktere und Settings, mitreißendere Dramaturgie, darauf aufbauend auch bessere Dialoge, bessere Konflikte, bessere in-game dynamisch ausgespielte Szenen, und auch originellere Inhalte. Wohingegen ich es bei pbtA oft so empfinde, dass es eine halbgare Mischung aus platten Klischees und ständigen "überraschenden" Wendungen ist, die aber nicht sinnvoll vorbereitet und daher unglaubwürdig und bedeutungslos sind.
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Offline Maarzan

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Re: „Play to find out“ versus tiefgründige Story
« Antwort #49 am: 1.10.2020 | 19:25 »
D.h. die Annahme, die bei vielen hier so mitschwingt, dass intensives Vorbereiten und "Orchestrieren" gleichbedeutend sei mit Spieler-Entmachtung und SL-Diktatur, ist überhaupt gar nicht zwingend.

Der Knackpunkt ist ja, WAS da vorbereitet wurde und die damit einhergehend oft verbreitete SL-Einstellung: jetzt habe ich mir so viel Mühe gegeben (letztlich als AUTOR, nicht als SPIEL-Leiter), dass müsst ihr jetzt als Spieler auch anerkennen - und gefälligst auf Linie parieren.
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