Autor Thema: Improvisieren vs. Illusionismus  (Gelesen 62201 mal)

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Offline tartex

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Improvisieren vs. Illusionismus
« am: 2.11.2020 | 19:33 »
Ich bereite als Spielleiter eigentlich immer nur die nächste Session vor - was dann manchmal natürlich versehentlich auch 2-5 Sessions sein können.

Auf diese Art und Weise verhindere ich meiner Ansicht nach Locations und NSCs vozubereiten, die dann doch nicht angespielt werdene, und aus Konsequenz daraus verhindere ich auch Railroading.

So weit, so gut. Allerdings stellt sich mir im Moment (mache übrigens gerade für ein paar Monate Pause vom Leiten) die Frage, ob Improvisieren nicht irgendwie mit Illusionismus verwandt sein kann.

Sagen wir: die Session endet an einer mysteriösen Tür. Wenn ich jetzt bis zur nächsten Session nach der Rule of Cool darüber brüte, was sich da dahinter befindet, und nach Rule of Cool entscheide, ist das nicht dasselbe, wie ein Spielleiter, der zwei Möglichkeiten anbietet,  aber schon vorher festgelegt hat, dass beide Spielerentscheidungen denselben Ausgang haben?

In Extremfällen habe ich für One Shots auch schon ganze Dungeons improvisiert. Da wusste ich als Spielleiter genauso wenig, was hinter der nächsten Tür lag, wie die Spieler. (Wobei ich allerdings Spielerideens und Freakrolls einbaute. Bei nichtlocationbasierten Abenteuern kommt das Improvisieren übrigens eigentlich kaum verwerflich vor.)
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Pyromancer

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Re: Improvisieren vs. Illusionismus
« Antwort #1 am: 2.11.2020 | 19:38 »
Der Unterschied liegt in deiner Intention, Spieler-Entscheidungen zu entwerten oder eben nicht.

Offline tartex

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Re: Improvisieren vs. Illusionismus
« Antwort #2 am: 2.11.2020 | 19:39 »
Der Unterschied liegt in deiner Intention, Spieler-Entscheidungen zu entwerten oder eben nicht.

Und das Gegenteil von gut ist gutgemeint.  8]
« Letzte Änderung: 2.11.2020 | 19:41 von tartex »
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Offline SeldomFound

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Re: Improvisieren vs. Illusionismus
« Antwort #3 am: 2.11.2020 | 19:42 »
Naja, wenn du von vorne herein davon ausgehst, dass etwas Cooles hinter der Tür sein muss, dann schließt du etwas vorrangig trauriges, erschreckendes oder lustiges aus.

Aber du lässt dir definitiv mehr Freiheiten als etwa bei einer "dahinter ist ein Oger / kein Oger"-Dichotomie.



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Offline Crimson King

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Re: Improvisieren vs. Illusionismus
« Antwort #4 am: 2.11.2020 | 19:43 »
Sagen wir: die Session endet an einer mysteriösen Tür. Wenn ich jetzt bis zur nächsten Session nach der Rule of Cool darüber brüte, was sich da dahinter befindet, und nach Rule of Cool entscheide, ist das nicht dasselbe, wie ein Spielleiter, der zwei Möglichkeiten anbietet,  aber schon vorher festgelegt hat, dass beide Spielerentscheidungen denselben Ausgang haben?

Wenn du dir bis zur nächsten Session überlegst, was hinter der Tür ist, bietest du keine zwei Möglichkeiten an. Die Spieler können natürlich immer noch entscheiden, die Tür nicht zu öffnen. Das ist der springende Punkt: Illusionismus schafft an Anschein von Entscheidungsfreiheit. Solange du die Spieler mit selbsterdachten Fakten konfrontierst, ihre Entscheidungen bezüglich dieser Fakten aber respektierst, ist alles paletti.
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Online Maarzan

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Re: Improvisieren vs. Illusionismus
« Antwort #5 am: 2.11.2020 | 19:46 »
Für mich sehen da ein paar Grundgedanken etwas seltsam aus.
Einmal ist es nicht die Vorbereitung, welche dann das Railroaden nahelegt, sondern die Art der Vorbereitung, was und wie du vorbereitest.

Die Gegend und die Leute in deinem Setting generell zu gut kennen und die Strukturen und Muster nach denen diese Region lebt zu kennen, erlaubt es auch entsprechend gekonnt zu improvisieren.

Primär bis ausschließlich besondere "Starelemente" oder gar schon Plots vorbereitet zu haben, ist hingegen die Vorlage zum Railroaden.

Letztendlich ist das Leitbild (die "Spielverfassung"), unter welcher diese Entscheidung getroffen wird das Entscheidende - und ob es dasselbe Leitbild ist, welches mit den Spielern ausgehandelt oder vorab versprochen worden ist. 



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Offline Jiba

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Re: Improvisieren vs. Illusionismus
« Antwort #6 am: 2.11.2020 | 19:52 »
Primär bis ausschließlich besondere "Starelemente" oder gar schon Plots vorbereitet zu haben, ist hingegen die Vorlage zum Railroaden.

Letztendlich ist das Leitbild (die "Spielverfassung"), unter welcher diese Entscheidung getroffen wird das Entscheidende - und ob es dasselbe Leitbild ist, welches mit den Spielern ausgehandelt oder vorab versprochen worden ist.

Was ist denn so ein "Starelement"?

Also letzten Endes ist es schon eine Typfrage. Denn eine SL, die ihren Spieler:Innen die Entscheidung lassen will, wie sie auf die Welt reagieren wird ihren "Plot" natürlich offener vorbereiten als eine SL, die das nicht möchte. Es sei denn in deiner Definition von Plot nach sind unverrückbare Plotstationen essenziell und unaufhaltsam.
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Offline tartex

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Re: Improvisieren vs. Illusionismus
« Antwort #7 am: 2.11.2020 | 19:57 »
Naja, wenn du von vorne herein davon ausgehst, dass etwas Cooles hinter der Tür sein muss, dann schließt du etwas vorrangig trauriges, erschreckendes oder lustiges aus.

Ich finde traurig und erschreckend ziemlich cool.

Rule of Cool meint etwas anderes.
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Re: Improvisieren vs. Illusionismus
« Antwort #8 am: 2.11.2020 | 20:01 »
Der Unterschied liegt in deiner Intention, Spieler-Entscheidungen zu entwerten oder eben nicht.

Das dieser Bullshit immer auch auftaucht. Ich kann nicht mehr. Niemand will jemals, dass die Mitspielenden keinen Spaß haben! Oder, wenn ihr das von den Leuten an eurem Spieltisch glaubt, dann solltet ihr dringend die Gruppe wechseln. Ich mein, wie kommt man auf so einen Schwachsinn? Was habe ich davon irgendwessen Entscheidungen zu "entwerten"? Was immer das sein mag.

ES GIBT KEIN RAILROADING!

Es gibt nur das Gefühl, gerailroadet zu werden. Das bedeutet, dass jemand die eigenen Eingaben nicht hinreichend gewürdigt sieht. Das kann aus ganz verschiedenen Gründen passieren.

- Die anderen haben es nicht erkannt, dass die betreffende Person Wert auf diese Information legt.
- Die anderen fühlen sich unsicher und wissen nicht, wie sie darauf eingehen sollen.
- Die anderen haben nach ihrer Ansicht total passend reagiert.

Egal wie, es hilft nicht, zu sagen: "Das ist aber Railroading!" - Damit hilft man niemandem.

Ich mein, das wird hier doch schon neurotisch. Bin ich vielleicht eine schlechte SL, wenn ich improvisiere? Sagt mal, merkt ihr noch die Einschläge?! Nein, du bist bös, denn du hast ja keien böse Absicht. Nein, du machst nichts schlechtes, denn hinter der Tür, war ja schon immer was Cooles? Was? Die Tür gibts nicht. Den Raum hinter der Tür gibts noch weniger, solange die Tür nicht offen ist.

Du kannst ganz beruhigt sein: Nur was gesagt ist, ist gesagt. Und nach zwei Wochen Spielpause häufig auch schon wieder vergessen.

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Re: Improvisieren vs. Illusionismus
« Antwort #9 am: 2.11.2020 | 20:09 »
Was ist denn so ein "Starelement"?

Also letzten Endes ist es schon eine Typfrage. Denn eine SL, die ihren Spieler:Innen die Entscheidung lassen will, wie sie auf die Welt reagieren wird ihren "Plot" natürlich offener vorbereiten als eine SL, die das nicht möchte. Es sei denn in deiner Definition von Plot nach sind unverrückbare Plotstationen essenziell und unaufhaltsam.

Ein Lieblingselement des SLs, welches ganz besonders viel Aufmerksamkeit und oft zu Lasten des Rests des Settings bekommt - leicht auch mal in Richtung MmarySues und PetNSCs abdriftend.

Und Plot benutze ich hier als wenigstens grob vorausgeplante Handlungsabfolge, welche so auch umgesetzt werden soll. Typischerweise dann aus "künstlerischen" Ambitionen so gestaltet.

Das dieser Bullshit immer auch auftaucht. Ich kann nicht mehr. Niemand will jemals, dass die Mitspielenden keinen Spaß haben! Oder, wenn ihr das von den Leuten an eurem Spieltisch glaubt, dann solltet ihr dringend die Gruppe wechseln. Ich mein, wie kommt man auf so einen Schwachsinn? Was habe ich davon irgendwessen Entscheidungen zu "entwerten"? Was immer das sein mag.

Der "Bullshit "taucht auf, weil es SLs gibt, die diesem Bullshit durchziehen und sich im Namen der "besseren Geschichte" über die Beteiligungsrechte ihrer Mitspieler erhaben fühlen und besser wissen, was gut für diese ist.

Natürlich sollte man da die Gruppe wechseln, aber dazu gehört halt auch ein gewisses Bewusstsein, dass so ein SL-Stil nicht "alternativlos" ist - wozu genau die klare Benennung und Verurteilung  eines solchen Spielleiterverhaltens im Forum gehört.
"Unverdorbenen" Anfängern kann so ein SL halt effektiv noch alles erzählen, da sie ja noch keine eignen Erfahrungen haben und letztlich allgemein in der Situation auf seinen Wissensvorsprung angewiesen sind.
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Re: Improvisieren vs. Illusionismus
« Antwort #10 am: 2.11.2020 | 20:13 »
Nein, nein. Du missverstehst. Zeig mir jemanden, der sagt: "Natürlich setze ich mich im Namen einer besseren Geschichte über die Beitiligungsrechte meiner Mitspieler hinweg." - Oder von mir aus: "... ignoriere ich, was die doofen Spieler sagen." Bitte zeig mir so jemanden. Ich behaupte, solche Leute gibt es nicht.

Und wenn du dich gerailroadet fühlst, sollst du natürlich nicht die Gruppe wechseln, sondern ihr sollt darüber reden, was da in der Kommunikation schief gelaufen ist.

Online Maarzan

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Re: Improvisieren vs. Illusionismus
« Antwort #11 am: 2.11.2020 | 20:16 »
Nein, nein. Du missverstehst. Zeig mir jemanden, der sagt: "Natürlich setze ich mich im Namen einer besseren Geschichte über die Beitiligungsrechte meiner Mitspieler hinweg." - Oder von mir aus: "... ignoriere ich, was die doofen Spieler sagen." Bitte zeig mir so jemanden. Ich behaupte, solche Leute gibt es nicht.

Und wenn du dich gerailroadet fühlst, sollst du natürlich nicht die Gruppe wechseln, sondern ihr sollt darüber reden, was da in der Kommunikation schief gelaufen ist.

Was soll diese verdrehte Logik sein? Danach gäbe es auch keine Betrüger, weil keiner den "Handel" mit so einem Eingeständnis beginnt.

Wir haben doch wohl genügend Beispiele gehabt, wo Leute so ein Verhalten verteidigt haben.
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Offline KhornedBeef

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Re: Improvisieren vs. Illusionismus
« Antwort #12 am: 2.11.2020 | 20:20 »
Nein, nein. Du missverstehst. Zeig mir jemanden, der sagt: "Natürlich setze ich mich im Namen einer besseren Geschichte über die Beitiligungsrechte meiner Mitspieler hinweg." - Oder von mir aus: "... ignoriere ich, was die doofen Spieler sagen." Bitte zeig mir so jemanden. Ich behaupte, solche Leute gibt es nicht.

Und wenn du dich gerailroadet fühlst, sollst du natürlich nicht die Gruppe wechseln, sondern ihr sollt darüber reden, was da in der Kommunikation schief gelaufen ist.
Es gibt doch sogar Kaufabenteuer, in denen sinngemäß steht "ja hier kannst du die Gruppe etwas herumlaufen lassen, aber sorg dafür, dass sie mit X zu Y gehen." Bumms keine Alternativen. Wenn jemand mit so etwas SLen lernt, dann kannst du das anders nennen, aber ist das Ergebnis nicht genau das, was die anderen meinten?
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Pyromancer

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Re: Improvisieren vs. Illusionismus
« Antwort #13 am: 2.11.2020 | 20:21 »
Nein, nein. Du missverstehst. Zeig mir jemanden, der sagt: "Natürlich setze ich mich im Namen einer besseren Geschichte über die Beitiligungsrechte meiner Mitspieler hinweg." - Oder von mir aus: "... ignoriere ich, was die doofen Spieler sagen." Bitte zeig mir so jemanden. Ich behaupte, solche Leute gibt es nicht.

Doch, solche Leute gibt es, inklusive den wortwörtlichen, im persönlichen Gespräch "von Spielleiter zu Spielleiter" gebrauchten Begriff der "doofen Spielern".

Tegres

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Re: Improvisieren vs. Illusionismus
« Antwort #14 am: 2.11.2020 | 20:29 »
Was habe ich davon irgendwessen Entscheidungen zu "entwerten"? Was immer das sein mag.
Machtgefühl. Manche SLs finden sich halt selbst sehr geil und müssen das raushängen lassen.

Auch manche Abenteuer finden sich selbst zu geil, und sagen "egal, ob die Spieler sich so oder so entscheiden, die Folge ist immer X", auch wenn diese Beschränkung in der Situation gar keinen Sinn ergibt. Das ist eine Entwertung von Spielerentscheidungen. Und das gibt es leider.

Zum eigentlichen Frage: Improvisieren findet nicht im luftleeren Raum statt. Ein Weg zu improvisieren ist die Beantwortung der Frage "Was sind sind die in der bespielten Welt plausiblen Konsequenzen der Entscheidungen und die Handlungen der Charaktere?" Und solange die Entscheidungen und die Handlungen der Charaktere Konsequenzen haben, und den weiteren Verlauf des Abenteuers verändern (im Gegensatz zum Illusionismus, wo sie das nicht tun), ist es kein Illusionismus.

Offline flaschengeist

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Re: Improvisieren vs. Illusionismus
« Antwort #15 am: 2.11.2020 | 21:09 »
Ich vermute, 1of3 wollte ausdrücke, dass kaum jemand sich mit dem Vorsatz an den Spieltisch setzt, anderen mal so richtig den Abend zu versauen. Aber wie ihr alle richtig ausgeführt habt, braucht es diesen Vorsatz gar nicht. Es langt, wenn ich einen Spielstil präferiere, der mit meinen Mitspielern kaum kompatibel ist aber das in meiner "Meisterrolle" entweder nicht sehen will oder nicht sehen kann 
Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann (frei nach Antoine de Saint-Exupéry). Ein Satz, der auch für Rollenspielentwickler hilfreich ist :).
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Re: Improvisieren vs. Illusionismus
« Antwort #16 am: 2.11.2020 | 21:21 »
Zum Türenbeispiel würde ich sagen: einfach nur festzulegen, was hinter der Tür ist, ist kein Illusionismus. Das ist einfach nur der normale Job der Spielleitung, die schließlich genau dasselbe auch schon Wochen vorher getan haben könnte, nur in diesem Fall halt quasi auf den letzten Drücker.

Illusionismus wäre es dagegen, wenn die Spielleitung nach getaner Arbeit entscheiden würde, daß die Spieler das Resultat auf keinen Fall verpassen sollen und die Tür daher auf jeden Fall bei der ersten Gelegenheit aufspringen würde -- völlig egal, ob die SC sie tatsächlich zu öffnen versuchen, einfach nur Tür sein lassen wollen, oder es sich vielleicht sogar in den Kopf setzen, sie mit geeigneten Mitteln zusätzlich zu verbarrikadieren.

Offline KhornedBeef

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Re: Improvisieren vs. Illusionismus
« Antwort #17 am: 2.11.2020 | 21:32 »
Nein, das wäre Railroading
 ~;D
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Offline ArneBab

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Re: Improvisieren vs. Illusionismus
« Antwort #18 am: 2.11.2020 | 21:46 »
"Was sind sind die in der bespielten Welt plausiblen Konsequenzen der Entscheidungen und die Handlungen der Charaktere?" Und solange die Entscheidungen und die Handlungen der Charaktere Konsequenzen haben, und den weiteren Verlauf des Abenteuers verändern (im Gegensatz zum Illusionismus, wo sie das nicht tun), ist es kein Illusionismus.
Das sehe ich auch so.

Wenn du für den nächsten Spielabend überlegst „was könnte tolles hinter einer Tür dieses Dungeons sein?“ und dabei völlig ignorierst, was die SCs gemacht haben, sondern eigentlich deinen Plot für dein Buch/Spiel/wasauchimmer baust, dann könnte das Illusionismus sein (und auch nur dann, wenn deine Gruppe nicht weiß, dass du eigentlich nur
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ErikErikson

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Re: Improvisieren vs. Illusionismus
« Antwort #19 am: 2.11.2020 | 21:47 »
Illusionismus ist, wenn du einen Plan hast, was passiert, und es dann so hinbiegst, das es passiert. Wann du das entscheidest ist, egal. Wenn du dir hinter der Tür eine coole begegnung mit einem Oger baust, und du dann dafür sorgst, das sie die Tür auch öffnen und die begegnung abziehen, ist es illusionismus. Der Unterschied ist kaum wahrnehmbar, weil ja jeder das wahrscheinlichste Ereignis vorbereitet. Beim illusionismus gibts du halt einen mehr oder weniger deutlichen Stubs in die richtige, deine, Richtung. umso stärker der Schubs ausfällt, umso mehr betreibst du railroading.

Wenn die Spieler da zB. die Tür zum oger nicht öffnen wollen, würde ein illusionimus SL dem gierigen zwergenspieler z.B. sagen. "Ohh, ich hab gerade gut für dich gewürfelt. Du bemerkst durchs Schlüsselloch, das hinter der Tür ein Diamant funkelt".
« Letzte Änderung: 2.11.2020 | 21:50 von ErikErikson »

Offline ArneBab

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Re: Improvisieren vs. Illusionismus
« Antwort #20 am: 2.11.2020 | 21:48 »
Ich vermute, 1of3 wollte ausdrücke, dass kaum jemand sich mit dem Vorsatz an den Spieltisch setzt, anderen mal so richtig den Abend zu versauen.
Es gibt Leute, die machen Dinge, um anderen den Tag zu versauen. Ich kannte einen an der Schule, der anderen die Bücher versteckt hat und sich dann gefreut hat, dass es ihnen schlecht ging. Aber das sind zum Glück nur wenige. Sie könnten zwar bei Neu-Runden stärker vertreten sein (weil ihre Runden nicht lange halten), aber es dürften insgesamt nur sehr wenige sein.
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Offline ArneBab

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Re: Improvisieren vs. Illusionismus
« Antwort #21 am: 2.11.2020 | 21:53 »
Illusionismus ist, wenn du einen Plan hast, was passiert, und es dann so hinbiegst, das es passiert. Wann du das entscheidest ist, egal. Wenn du dir hinter der Tür eine coole begegnung mit einem Oger baust, und du dann dafür sorgst, das sie die Tür auch öffnen und die begegnung abziehen, ist es illusionismus. Der Unterschied ist kaum wahrnehmbar, weil ja jeder das wahrscheinlichste Ereignis vorbereitet. Beim illusionismus gibts du halt einen mehr oder weniger deutlichen Stubs in die richtige, deine, Richtung. umso stärker der Schubs ausfällt, umso mehr betreibst du railroading.
Und wenn sie schon beim letzten Mal entschieden haben, dass sie die Tür öffnen wollen, kannst du Illusionismus ausschließen.

Selbst wenn du übrigens einen Schubs in die Richtung geben solltest, ist es noch nicht unbedingt Illusionismus, denn „Ihr öffnet die Tür“ ist schließlich das einzige, für das du einen gut vorbereiteten Spielabend leiten könntest. Sollten sie doch auf andere Gedanken kommen, kannst du auf drei Arten reagieren: „dann halt nicht“ ⇒ leite ein schlecht vorbereitetes Abenteuer, „es war die nächste Tür“ (o.ä.) ⇒ Illusionismus, „ich habe vorbereitet, dass ihr in die Tür geht, deswegen wäre es toll, wenn wir das so machen können. Wieso habt ihr es euch anders überlegt?“
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Offline Der Läuterer

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Re: Improvisieren vs. Illusionismus
« Antwort #22 am: 2.11.2020 | 22:48 »
Im Prinzip sind die Begriffe Illusionismus und Railroading bereits Irreführungen der Spieler an sich, da diese niemals wissen können, ob sie in dieser oder jener Szene handlungsfähig sind oder vom SL nur am Nasenring durch die Manege geführt werden.

Und für den SL ist es eine Hypothek, einerseits dem Plot zu folgen, andererseits aber auch immer die Ideen der Spieler zu berücksichtigen.

Ein Szenario ist für mich nichts weiter als ein Handlungsrahmen, in dem sich die Spieler mit ihren Chars austoben können - ein Sandkasten, in dem alles zulässig ist, was das System erlaubt.

Wichtige Knotenpunkte stehen zwar fest, sind jedoch eher Richtlinien und können nach Art der Handlungen der Chars durchaus variieren. Das ist wie bei Schrödingers Katze.
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Offline Der Läuterer

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Re: Improvisieren vs. Illusionismus
« Antwort #23 am: 2.11.2020 | 22:52 »
Von mir werden Ideen der Spieler gerne aufgegriffen. Ich warte aber auch ab. Ich reize. Ich locke. Ich verführe. Aber ich bremse eigentlich nie. Ein 'Nein!' gibt es bei mir kaum.

Das Spiel muss fliessen und sich entfalten können. Mitunter muss man das Ganze etwas dirigieren und in eine gewisse Richtung lenken.

Wenn man immer wieder die Ideen der Spieler mit in den Plot einbindet, kommt der Gedanke an Illusionismus oder Railroading gar nicht erst auf.

Was passiert, geschieht erst dann, wenn es passiert.
Es ist immer frisch und unverbraucht. Und was nicht zum Plot passt, wird passend gemacht. Die Spieler müssen ihr Spiel nicht dem Szenario anpassen, sondern das Szenario passt sich den Spielern und ihren Ideen an. Es passt sich ihren Entscheidungen und Handlungen an.

Die Spieler brauchen keine Einschränkungen und Reglementierungen; sie brauchen Raum und Luft zum Atmen.

Das Prinzip lautet 'leben und leben lassen'.

Zu einem gelungen Spiel gehört es M.M.n., dass die Spieler Willens sein müssen, die Geschichte anzunehmen und mit dem SL zusammen zu entwickeln und voran zu treiben.

Beide Seiten müssen aktiv partizipieren, denn ich, als SL, möchte auch überrascht werden.
Das Spiel sollte eine Dynamik entwickeln - ein hin und her werfen des Spielballs.

Nicht zu unterschätzen ist das gegenseitige Vertrauen. Ich vertraue meinen Spielern, dass sie ihre Freiheiten und Möglichkeiten, die ich ihnen einräume, nicht über Gebühr strapazieren. Andererseits lasse ich, zugunsten der Spieler, auch gerne mal fünf gerade sein.

Ich gehe auf die Spieler ein und greife ihre Interessen und Anregungen auf. Ich lasse ihre Befürchtungen wahr werden, selbst wenn das Abenteuer etwas anderes vorsieht.

Ich greife gerne Kleinigkeiten auf. Anregungen, Ideen und Interessen der Chars, welche die Spieler äussern. Das spornt an. Das Ganze wird dann schon fast zum Selbstläufer.
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Offline flaschengeist

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Re: Improvisieren vs. Illusionismus
« Antwort #24 am: 2.11.2020 | 22:56 »
Es gibt Leute, die machen Dinge, um anderen den Tag zu versauen. Ich kannte einen an der Schule, der anderen die Bücher versteckt hat und sich dann gefreut hat, dass es ihnen schlecht ging. Aber das sind zum Glück nur wenige. Sie könnten zwar bei Neu-Runden stärker vertreten sein (weil ihre Runden nicht lange halten), aber es dürften insgesamt nur sehr wenige sein.

Deswegen schrieb ich "kaum". Antisoziale Persönlichkeitsstrukturen gibt es natürlich, zum Glück aber relativ selten.

@Tartex
Ich würde gerne bei dir spielen, so wie du deinen Leitstil beschreibst. Bei einem SL, der von vorneherein einen Plot fixiert und die Gruppe "durchpeitscht", hingegen nicht.

Edit:
Es ist immer frisch und unverbraucht. Und was nicht zum Plot passt, wird passend gemacht. Die Spieler müssen ihr Spiel nicht dem Szenario anpassen, sondern das Szenario passt sich den Spielern und ihren Ideen an. Es passt sich ihren Entscheidungen und Handlungen an.

Das klingt ebenfalls super. Viele SLs nach meinem Geschmack hier, wie es scheint  :d
« Letzte Änderung: 2.11.2020 | 23:00 von flaschengeist »
Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann (frei nach Antoine de Saint-Exupéry). Ein Satz, der auch für Rollenspielentwickler hilfreich ist :).
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