[...snip...] Die meisten wirklich erfolgreichen Indie-Rollenspiele der letzten 10? 15? 20? Jahre bewegen sich imho in eine bestimmte Richtung: WEG von der Simulation von – vor allem kämpferischen – Situationen und Settings, HIN zur Simulation eines anderen Mediums, üblicherweise einer TV-Serie, eines Films oder eines Romans.[...snip...]
Ich störe mich immer sehr an dem Begriff der Simulation, weil ich mit diesem einfach so gar nichts anfangen kann. Ich habe früher super gerne Flugsimulatoren oder Silent Hunter I bis V bis zum Umfallen gezockt oder Simcity oder andere Wirtschaftssimulationen. Insoweit möchte ich für mich in Anspruch nehmen, ein Gefühl dafür zu haben, was eine Simulation ist, was sie will und ggf. auch kann. Ich habe in den vergangenen 30 Jahren noch nie ein Rollenspiel gespielt, das sich für mich auch nur im Ansatz wie eine Simulation eines Genres anfühlte, mit einer Ausnahme ggf: Fiasko. Ich kann mir nicht helfen, aber ich halte (und das ist meine höchstsubjektive oder einfach nur komplett ignorante Meinung) einfach die Vorstellung, mittels MERS (oder womit auch immer!) den Herrn der Ringe, das Silmarillion oder den Hobbit
simulieren zu wollen - und sei es nur des
flavors her - für eine vollkommen abstruse Idee. Ein Rollenspiel ist keine Simulation eines Romans/Films. Ron Edwards meint mit
Simulation in seiner Formulierung der GNS auch glaube ich etwas anderes, als einen bestimmten Roman zu simulieren.
Als Kinder sind wir im Wald rumgesprungen und aus Stöckern Lichtschwerter gemacht und uns vorgestellt, Jedi-Ritter zu sein, ja. Trotzdem würde ich niemals auf die Idee kommen, wir hätten versucht Star Wars zu
simulieren. Wir hatten die Filme gesehen und waren begeistert und wollten in unserer Fantasie das Gesehene im Film als Kulisse für unser Spiel im Wald nutzen. Ein wenig sehe ich mich heute noch so, wenn wir zwar nicht mehr im Wald mit Stöcken, sondern drinnen am Tisch mit Würfeln spielen.
Ich glaube, was mich am Begriff der Simulation beim Rollenspiel stark stört, ist, dass beim Rollenspiel (so wie ich es kenne und Spiele) Individuen und deren Emotionen im Mittelpunkt stehen. Ich glaube, das ist für die meisten Rollenspiele ein zentrales Element. Individuen und deren emotionaler Haushalt lassen sich weder physikalisch noch sonst mathematisch oder statistisch beschreiben. Im Wald mit dem Laserschwert ging es mir darum, nachzufühlen, ein großer Held (Jedi) zu sein. Mein Gewinn in der Aktivität lag in der Emotion, nicht im Erkenntnisgewinn über das Leben der Jedi.
Ich glaube dies ist auch der wesentliche Punkt, den pbta von D&D (bzw. klassischen Rollenspielen) unterscheidet. Klassische Rollenspiele weisen meiner Meinung nach zwei wichtige sich jedenfalls teilweise bedingende Komponenten auf: Zum einen lassen sie sich steril, also vollkommen frei von Emotionen spielen ohne an Funktionalität einzubüßen. Zum anderen weisen sie eine mehr oder minder stark ausgeprägte Nähe zu Brettspielen auf. Ich möchte (vielleicht kühn) behaupten, dass
Dungeon World vielleicht nicht per se emotionaler als D&D sein muss, es läd aber vielleicht eher zur emotionalen Investition ein, als letzteres. Eine oft über
Dungeon World getätigte Aussage ist:
Dungeon World fühlt sich nicht an wie D&D, sondern wie das Gespräch
nach der D&D Runde, und ich finde, dass es das in der Tat ganz gut trifft. Emotional aufgeladene Erinnerungen bleiben länger präsent.
Ich habe lange in einer D&D Runde gespielt und meinen Charakter wirklich geliebt. Ich muss auch gestehen, den Kämpfen bisweilen habe etwas abgewinnen können. Ich kann mich aber nicht daran erinnern, irgend einmal aufgrund einer regeltechnischen Gegebenheit eine emotionale Verbindung zur Geschichte oder zu meinem Charakter gespührt zu haben (Außer wenn ich mich mal wieder über die doofen Regeln geärgert hatte
). Wir hatten vor einiger Zeit eine Savage Runde. Ich könnte zum Verrecken keine regeltechnisch vorgegebenen oder durch Würfelwürfe erzeugte Widrigkeiten mehr nennen. Ich kann mich aber noch sehr frisch und bildlich an den Ingame-Streit erinnern (der auch ein wenig ins Outgame schwappte leider), den mein Charakter mit einem anderen SC hatte.
Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Ich glaube, dass Indie-Spiele weniger eine Reaktion auf D&D (SR, DSA, wattauchimma) sind, sondern einerseits weg von Brettspiel, hin zu Regeln, welche die emotionale Seite des Tabletop Rollenspiels einbeziehen. Denn die emotionale Vielfältigkeit ist es letztlich, was Rollenspiele als Unterhaltungsform so einzigartig macht. Darum fühlt sich mE ein Rollenspiel auch immer anders an, als ein Computerspiel (Auch wenn Online-Spiele da ggf. nah rankommen mögen).