Autor Thema: Tipps und Gedanken zu Rollenspielübersetzungen  (Gelesen 2199 mal)

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Achamanian

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Da ich mich ja oft über die schlechten Rollenspielübersetzungen beklage, dachte ich mir: Ich lege mal einen Thread für allgemeinere Gedanken und Fachsimpeleien zum Thema an, der im besten Falle auch als Ressource beim Übersetzen von Rollenspielen etwas taugt.

Kurz vorweg: Ich bin da zwar einerseits beruflich vom Fach; andererseits weiß ich aber aus Erfahrung, dass man sich beim Thema Übersetzungen oft einbildet, aus dem Gefühl heraus Bescheid zu wissen, nur um dann festzustellen, dass man in Wirklichkeit völlig daneben liegt. Von daher erhoffe ich mir von dem Thread hier auch selbst Erkenntnisse.

Außerdem kann ich nur die Englisch-Deutsch-Perspektive beisteuern – aber vielleicht können ja andere mit interessanten Problemstellungen aus anderen Sprachen aufwarten.

Achamanian

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Re: Tipps und Gedanken zu Rollenspielübersetzungen
« Antwort #1 am: 27.11.2020 | 18:27 »
So, erstes Thema: You.
In aus dem englischen übersetzten Rollenspielen lese ich oft Sätze wie: „Um eine Strige zu töten, braucht ihr eine Waffe aus Meteoreisen.“
Das geht schon irgendwie – aber schön ist es m.E. nicht. Das „you“ ist in dem Fall im Englischen keine konkrete Ansprache (z.B. der Leserin), sondern ein Platzhalter, mit dem man allgemeine Aussagen trifft. Auf Deutsch entspricht dem das „man“. Der Tipp dazu lautet: Wenn das „you“ nicht ganz klar eine konkrete Ansprache ist, immer auch probeweise „man“ einsetzen. Wer das man aus Gründen der Gendergerechtigkeit vermeiden möchte (ich selbst halte es für eher unproblematisch), kann sich auch mit Passivkonstruktionen behelfen: „Um eine Strige zu töten, wird eine Waffe aus Meteoreisen benötigt.“ Ein bisschen umständlicher, aber m.E. immer noch besser als eine Formulierung mit „du“ oder „ihr“.
Es gibt auch auch Fälle, wo man mit „du“ oder „ihr“ gut fährt: „For this game, you need only pen, paper and a six-sided die“ funktioniert bestens als: „Für dieses Spiel braucht ihr nur Bleistift, Papier und einen sechsseitigen Würfel“, weil da tatsächlich Leserinnen und Leser angesprochen werden. „Für dieses Spiel braucht man nur Bleistift, Papier und einen sechsseitigen Würfel“ ist als Allgemeinaussage allerdings genauso korrekt.

Offline ArneBab

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Re: Tipps und Gedanken zu Rollenspielübersetzungen
« Antwort #2 am: 27.11.2020 | 19:26 »
„Um eine Strige zu töten, wird eine Waffe aus Meteoreisen benötigt.“
Was wäre diese Form?
„Eine Strige zu töten erfordert eine Waffe aus Meteoreisen.“
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Achamanian

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Re: Tipps und Gedanken zu Rollenspielübersetzungen
« Antwort #3 am: 27.11.2020 | 19:43 »
Was wäre diese Form?
„Eine Strige zu töten erfordert eine Waffe aus Meteoreisen.“

Ich würde sagen, das wäre einfach eine noch elegantere Lösung! (Wie das in der Schulgrammatik heißt, muss wer anders sagen, die habe ich während des Studiums komplett zugunsten sperriger Linguistik vergessen ...).

Offline ArneBab

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Re: Tipps und Gedanken zu Rollenspielübersetzungen
« Antwort #4 am: 27.11.2020 | 20:02 »
Ich würde sagen, das wäre einfach eine noch elegantere Lösung!
*happy* :-)

Ich habe aufgehört, mich über Übersetzungen aufzuregen, nachdem ich Robins Laws übersetzt habe. Es ist eine wahnwitzige Arbeit, schön zu übersetzen, und obwohl ich ewig dran saß und die Texte über Jahre hinweg mehrfach überarbeitet habe, hatte ich am Ende noch blöde Fehler drin. Im Nachhinnein würde ich sagen: Eine Übersetzung braucht genausoviel Lektorat wie ein komplett selbstgeschriebener Text.
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Offline 1of3

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Re: Tipps und Gedanken zu Rollenspielübersetzungen
« Antwort #5 am: 27.11.2020 | 20:36 »


Wie das in der Schulgrammatik heißt, muss wer anders sagen, die habe ich während des Studiums komplett zugunsten sperriger Linguistik vergessen ...

Wie soll das schon heißen? Infinitiv als Subjekt? Ansonsten ist Meteoreisen nötig, um Strigen zu töten. In Deutsch darf es da auch gern Plural sein.

Ansonsten bin ich ich nicht sicher, was wir jetzt tun sollen. Mehr Beispiele bringen? Prinzen gehen regelmäßig schief. Vampire ist da in guter Gesellschaft.

Sehr ungelenk fand ich auch die deutsche Übersetzung von DnD 4e. Ausbreitung statt Burst klingt ungeheuer dynamisch. Oder waren Ausbreitungen jetzt Blasts? Ich konnte mir das nie merken?

Offline General Kong

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Re: Tipps und Gedanken zu Rollenspielübersetzungen
« Antwort #6 am: 27.11.2020 | 20:46 »
Schwierig ist es bei Übersetzungen eben, wenn man sich vom Originaltext lösen MUSS, damit sich das Ganze am Ende eigentlich so anhört, als sei es in d #er Übersetzungssprache geschrieben. Das muss das Ziel sein.

Aber: Ist man da nicht vorsichtig, so überfährt man Nuance. Und manches Mal steckt da in der einen Sprache (egal ob Ursprungs- oder Zielsprache) ein "Mehr" oder ein "Weniger" an Bedeutung. Wurschtelt man da nun umständlich herum, verzichten man da nun drauf (soll's se doch das Original lesen!) oder was?

Meine Meinung: Die Übersetzung ist nicht eine einfache Übertragung, sondern eine Eigenlesitung des Übersetzers - eine Interpretation des Urtextes, die ihn dem Sinn nach in die Zielsprache überführt. Wortspiele gehören angepasst (oder weggelassen, wenn sie nicht funktionieren), Anspielungen kultureller Art durch ein Equivalent ersetzt, wenn sie nicht zum Inhalt selber gehören.

Lese ich eine deutsche Übersetzung, die ich praktisch aus dem Stand heraus rückübersetzten kann, dann hat der Übersetzer seinen Job nicht getan. Und man komme mir nicht mit "Aber im Rollenspiel arbeiten nur Luet für kleines Geld und Fans blabla..." - nun: Mein Geld wird doch auch gerne genommen. Oder darf ich jeden 10 Euro aus der Monopolyschachtel nehmen?

Zumal: Die Übersetzungen des deutschen Mythras sind z.B. sehr gut! So gut, dass ich die den Originalen vorziehe. Und die achen das nebenher.

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Offline ArneBab

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Re: Tipps und Gedanken zu Rollenspielübersetzungen
« Antwort #7 am: 27.11.2020 | 20:56 »
Meine Meinung: Die Übersetzung ist nicht eine einfache Übertragung, sondern eine Eigenlesitung des Übersetzers - eine Interpretation des Urtextes, die ihn dem Sinn nach in die Zielsprache überführt. Wortspiele gehören angepasst (oder weggelassen, wenn sie nicht funktionieren), Anspielungen kultureller Art durch ein Equivalent ersetzt, wenn sie nicht zum Inhalt selber gehören.
Das sehe ich auch so. Ich sehe allerdings auch, dass das für Übersetzende, die v.a. übersetzte Bücher lesen verdammt schwierig ist. Ich kenne bisher nur zwei Fantasybücher, bei denen mir die Sprache voll und ganz gefällt (es sind nicht meine Texte, leider — ich weiß inzwischen, was möglich ist, und ich kann das noch nicht). Wer ständig Übersetzungen liest, hat es schwer, ein Gefühl dafür zu bekommen, was im Deutschen möglich ist. Oft kommen die (laut einer befreundeten Ex-Übersetzerin) hauptsächlich aus Übersetzungsprogrammen und erhalten nur noch Feinschliff oder Übersetzungen von unklaren Wörtern durch Menschen. Dadurch sind größere Anpassungen an die andere Kultur und die Muster der anderen Sprache kaum möglich.
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Achamanian

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Re: Tipps und Gedanken zu Rollenspielübersetzungen
« Antwort #8 am: 27.11.2020 | 21:02 »
Eine Übersetzung braucht genausoviel Lektorat wie ein komplett selbstgeschriebener Text.

Denke ich auch, nur lektoriert man die Übersetzung natürlich mit Schwerpunkt auf dem sprachlichen Schliff und kann umfassendere inhaltliche Fragen außer acht lassen.
Ich habe einmal einen übersetzten Rollenspieltext (nach-)lektoriert, und das mache ich tatsächlich nie wieder. Es war deutlich mehr Arbeit, als selbst zu übersetzen, einfach, weil man da immer mit zwei Texten (Original und Übersetzung) arbeitet und sich nicht nur Fragen muss, wie man dem Original gerecht wird, sondern auch, wie man der Übersetzung gerecht wird.


Ansonsten bin ich ich nicht sicher, was wir jetzt tun sollen.


Ach, alle was sie Lust haben oder eben nicht. Ich sammle hier eigentlich nur meine Gedanken, hoffentlich konstruktiver, als wenn ich hier und dort in anderen Threads zu dem Thema rumrante wie sonst ...

Achamanian

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Re: Tipps und Gedanken zu Rollenspielübersetzungen
« Antwort #9 am: 27.11.2020 | 21:05 »
Zweites Thema:
Idiomatische Wendungen: Auf Englisch gibt‘s z.B. die locker-flockige Wendung: „to ruin someone‘s style“, wie in: „A knife in the back will certainly ruin her style.“ Das mit „Ein Messer im Rücken wird ihr sicher den Stil ruinieren“ zu übersetzen, ist nicht besonders elegant (habe ich aber in etwa der Form schon mehrmals in Romanen und Rollenspielen gelesen).

Im Allgemeinen halte ich es so: Wenn Wendungen auftauchen, die bei einer wörtlichen Übersetzung im Deutschen nicht idiomatisch (geläufig) klingen, dann suche ich immer nach Alternativen, die inhaltlich in etwa das Gleiche aussagen. Das gilt auch und insbesondere, wenn die Wendungen zur Charakterisierung einer Figur dienen und z.B. mehrfach von ihr verwendet werden. Gerade dann geht es nämlich oft nicht darum, welches Bild genau die Figur verwendet, sondern darum, in welchem Register (gehoben, ordinär, amtlich) eine Figur spricht, und die Register werden in verschiedenen Sprachen oft durch inhaltlich ganz unterschiedliche Formulierungen angezeigt.

Wenn man herausfinden will, ob eine Wendung in der Ausgangssprache geläufig ist, googelt man sie am besten einfach in einigen Varianten, dann findet man das schnell raus. Sollte man keine oder fast keine weiteren Beispiele für sie im Internet finden, darf man davon ausgehen, dass sie nicht geläufig ist und übersetzt (wenn's passt) eher wörtlich. Findet man viele Beispiele, dann spricht das dafür, im Deutschen eine inhaltlich abweichende, aber idiomatische und vom Register her passende Formulierung zu suchen.

Im obigen Beispielfall: „Ein Messer im Rücken dürfte ihr die Tour gehörig vermasseln.“

Offline General Kong

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Re: Tipps und Gedanken zu Rollenspielübersetzungen
« Antwort #10 am: 27.11.2020 | 21:18 »
Eben. Im Deutschen "vermasselt man die Tour" oder "wirf jemandem Stöcke zwischen die Beine" oder "bringt jemanden aus dem Tritt". Was soll "den Stil ruinieren" Da sein? Ziehe ich da jemandem eine gelbe Krawatte zum orangenen Hemd an oder passt das Täschchen nicht mehr zum Kleid?

Grauenvoll so etwas! Genau das meinet ich mit "Ich kann das so rückübersetzen".

Gruselig find eich in Filmen auch das ständige "Ja, Sir!" - egal, ob die beim Militär sind oder im MIttelalter auf einer Burg oder sonstwo.
Je nach Setting und Genre sollte es "Jawohl!" oder "Ja, (mein) Herr!" heißen. Und nur selten "Yessir!"

Oder wenn überall Ritter herumreiten oder Adelige, die dann auch in Spanien mit "Sir Gonzalo" angesprochen werden.  ::)
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Offline Antariuk

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Re: Tipps und Gedanken zu Rollenspielübersetzungen
« Antwort #11 am: 27.11.2020 | 21:35 »
Zweites Thema:
Idiomatische Wendungen: Auf Englisch gibt‘s z.B. die locker-flockige Wendung: „to ruin someone‘s style“, wie in: „A knife in the back will certainly ruin her style.“ Das mit „Ein Messer im Rücken wird ihr sicher den Stil ruinieren“ zu übersetzen, ist nicht besonders elegant (habe ich aber in etwa der Form schon mehrmals in Romanen und Rollenspielen gelesen).

Ich wurde gerufen? >;D

Im obigen Beispielfall: „Ein Messer im Rücken dürfte ihr die Tour gehörig vermasseln.“

Siehe Sig 8]
Kleiner Rollenspielstammtisch: Plus 1 auf Podcast

"Ein Zauberer mag noch so raffiniert sein, ein Messer im Rücken wird seinen Stil ernsthaft versauen." - Steven Brust

Offline 1of3

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Re: Tipps und Gedanken zu Rollenspielübersetzungen
« Antwort #12 am: 27.11.2020 | 21:42 »
Anspielungen kultureller Art durch ein Equivalent ersetzt, wenn sie nicht zum Inhalt selber gehören.

Da wird es nun schwierig. Ich finde es schon gut, wenn in Animes die -sans und -chans durchgezogen werden. Und Homer macht in hexametrischer Übersetzung einfach mehr Spaß, auch wenn niemand so reden würde.

Es kommt halt drauf an, was man von einem Text will. Verständlichkeit in der Zielsprache ist nur eines von mehreren konkurrierenden Zielen.

Nun ist aber eben die Frage, was ein Rollenspiel eigentlich für ein Text ist. Bei einem puren Gebrauchstext ist die Zielsprache natürlich maßgeblich. Wie die Bedienungsanleitung auf Koreanisch lautet, interessiert nicht. Aber so ist es ja nicht. Oder nicht nur. Rollenspiele wollen auch irgendwie Stimmung vermitteln und einige machen auch einfach Spaß zu lesen. Da möchte man vielleicht auch den Stil der Vorlage zumindest für bestimmte Passagen einfangen.   

Offline Rhylthar

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Re: Tipps und Gedanken zu Rollenspielübersetzungen
« Antwort #13 am: 27.11.2020 | 21:47 »
Zitat
Denke ich auch, nur lektoriert man die Übersetzung natürlich mit Schwerpunkt auf dem sprachlichen Schliff und kann umfassendere inhaltliche Fragen außer acht lassen.
Naja, nur, wenn der Lektor nicht auch den Auftrag hat, auch auf "Regelkonformität" zu achten. Dann muss man sich nämlich schon um inhaltliche Fragen kümmern, wobei es natürlich nicht um Ergänzungen geht, sondern dass es "inhaltlich präzise/konform und angepasst" ist. Wird umso schwieriger, je weniger der Übersetzer mit dem Regelsystem vertraut ist.
“Never allow someone to be your priority while allowing yourself to be their option.” - Mark Twain

"Naja, ich halte eher alle FATE-Befürworter für verkappte Chemtrailer, die aufgrund der Kiesowschen Regierung in den 80er/90er Jahren eine Rollenspielverschwörung an allen Ecken wittern und deswegen versuchen, möglichst viele noch rechtzeitig auf den rechten Weg zu bringen."

Für alle, die Probleme mit meinem Nickname haben, hier eine Kopiervorlage: Rhylthar.

Offline Maarzan

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Re: Tipps und Gedanken zu Rollenspielübersetzungen
« Antwort #14 am: 27.11.2020 | 21:49 »
Im obigen Beispielfall: „Ein Messer im Rücken dürfte ihr die Tour gehörig vermasseln.“

Da liegt ja gerade eine Menge Euphemismus mit drin:

"Ein Messer im Rücken dürfte ihr den Tag vermiesen".
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Achamanian

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Re: Tipps und Gedanken zu Rollenspielübersetzungen
« Antwort #15 am: 27.11.2020 | 22:08 »
Da wird es nun schwierig. Ich finde es schon gut, wenn in Animes die -sans und -chans durchgezogen werden. Und Homer macht in hexametrischer Übersetzung einfach mehr Spaß, auch wenn niemand so reden würde.

Es kommt halt drauf an, was man von einem Text will. Verständlichkeit in der Zielsprache ist nur eines von mehreren konkurrierenden Zielen.

Nun ist aber eben die Frage, was ein Rollenspiel eigentlich für ein Text ist. Bei einem puren Gebrauchstext ist die Zielsprache natürlich maßgeblich. Wie die Bedienungsanleitung auf Koreanisch lautet, interessiert nicht. Aber so ist es ja nicht. Oder nicht nur. Rollenspiele wollen auch irgendwie Stimmung vermitteln und einige machen auch einfach Spaß zu lesen. Da möchte man vielleicht auch den Stil der Vorlage zumindest für bestimmte Passagen einfangen.

Ich würde da bei Rollenspielen fast immer auf den Gebrauchstextcharakter pochen und Verständlichkeit und Lesefluss in der Zielsprache an erste Stelle setzen (und Verständlichkeit beschränkt sich nicht auf: "Man versteht ja, was gemeint ist"). Klar, in Einzelfällen kann es gute Gründe geben, andere Prioritäten zu setzen.

So was wie die -sans sind ja noch mal was anderes - der werden Handlungsorte und -kontexte markiert, das finde ich völlig richtig. Wenn ein Buch in New York spielt, wird bei mir ein Mr. Lee auch nicht zum Herrn Lee.

Achamanian

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Re: Tipps und Gedanken zu Rollenspielübersetzungen
« Antwort #16 am: 29.11.2020 | 10:28 »
So, und eine Rollenspielwendung bei der ich immer noch am überlegen bin, wie sie sich gut übertragen lässt: Your Game May/Will Vary
Ein Prinzip, das man als „Dein Spiel wird anders sein“ übersetzen könnte – aber ganz ehrlich, das gefällt mir nicht. Hier kann ich die Gründe nicht genau benennen; vielleicht hat es etwas mit den collective nouns (https://english.lingolia.com/de/grammatik/nomen/collective-nouns) im Englischen zu tun, also mit der Möglichkeit, Formulierungen wie „My family have decided ...“ zu bilden. In jedem Fall erscheint es mir unproblematisch, das englische Wort „Game“ wie hier intendiert auf eine ganze Reihe von Spielsitzungen in ihrer Gesamtheit zu beziehen, während das für das deutsche „Spiel“ für mein Gefühl nur mit Knirschen im Getriebe funktioniert. Das „Spiel“ kann ein konkreter Gegenstand sein (ein Brettspiel in einer Schachtel), ein abstraktes Konzept (Fangen spielen) oder ein in sich abgeschlossenes Ereignis (eine Schachpartie), aber eine konkrete Gesamtheit zahlreicher Sitzungen …? Wahrscheinlich gibt es kein „Argument“ dagegen, den Begriff so zu verwenden, aber mir liegt es quer.
Wenn ich überlege, welche Formulierung für den gleichen Gedanken sich auf Deutsch für mich richtig anhört, komme ich auf: „Bei euch wird es anders sein.“ Damit bin ich den für mich problematischen Begriff des Spiels los. Außerdem ist mir diese Formulierung auch so schon auf Deutsch geläufig und damit leicht zu merken.
Für mich ist das ein Beispiel dafür, dass Übersetzungen sich oft aufwerten lassen, indem man ein etwas stärkeres Abgehen vom Original zumindest immer wieder in Erwägung zieht.

Offline Infernal Teddy

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Re: Tipps und Gedanken zu Rollenspielübersetzungen
« Antwort #17 am: 29.11.2020 | 10:31 »
"Jede Gruppe spielt anders" finde ich charmant
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Achamanian

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Re: Tipps und Gedanken zu Rollenspielübersetzungen
« Antwort #18 am: 29.11.2020 | 10:39 »
"Jede Gruppe spielt anders" finde ich charmant

Ist schön, bin mir aber nicht sicher, ob es den Inhalt noch ganz trifft - "Your Game Will Vary" bezieht sich da, wo ich es herhabe, eher auf das Setting (auch in der Form "Your Glorantha Will Vary"), und "Jede Gruppe spielt anders" klingt eher, als bezieht es sich nur auf den jeweiligen Spielstil und nicht unbedingt auf Elemente des Settings.

Offline treslibras

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Re: Tipps und Gedanken zu Rollenspielübersetzungen
« Antwort #19 am: 29.11.2020 | 14:31 »
So, erstes Thema: You.
In aus dem englischen übersetzten Rollenspielen lese ich oft Sätze wie: „Um eine Strige zu töten, braucht ihr eine Waffe aus Meteoreisen.“
Das geht schon irgendwie – aber schön ist es m.E. nicht. Das „you“ ist in dem Fall im Englischen keine konkrete Ansprache (z.B. der Leserin), sondern ein Platzhalter, mit dem man allgemeine Aussagen trifft. Auf Deutsch entspricht dem das „man“. Der Tipp dazu lautet: Wenn das „you“ nicht ganz klar eine konkrete Ansprache ist, immer auch probeweise „man“ einsetzen. Wer das man aus Gründen der Gendergerechtigkeit vermeiden möchte (ich selbst halte es für eher unproblematisch), kann sich auch mit Passivkonstruktionen behelfen: „Um eine Strige zu töten, wird eine Waffe aus Meteoreisen benötigt.“ Ein bisschen umständlicher, aber m.E. immer noch besser als eine Formulierung mit „du“ oder „ihr“.
Es gibt auch auch Fälle, wo man mit „du“ oder „ihr“ gut fährt: „For this game, you need only pen, paper and a six-sided die“ funktioniert bestens als: „Für dieses Spiel braucht ihr nur Bleistift, Papier und einen sechsseitigen Würfel“, weil da tatsächlich Leserinnen und Leser angesprochen werden. „Für dieses Spiel braucht man nur Bleistift, Papier und einen sechsseitigen Würfel“ ist als Allgemeinaussage allerdings genauso korrekt.

Das ist vielleicht gar keine Gegenmeinung, sondern nur eine Ergänzung: Ja, im Englischen wird die unpersönliche Beschreibung auch mit "You" gebildet, aber anders als im Deutschen wird sie mit "You" gebildet!  >;D Will sagen: Auch wenn es für native speaker aus dem Kontext (meistens) klar ist, ob sie mit einem Satz persönlich oder nur allgemein angesprochen wurden, sie wurden dennoch angesprochen! Sprachphilosophisch könnte man anmerken, dass dadurch das Englische in diesem Fall demokratischer ist, da es durch die Verwendung von "You" eine Zustimmung (oder Ablehnung) der Generalaussage provoziert, was man (haha) im Deutschen durch Verwendung von "man" unterbindet.

Eine Übersetzung mit "man" ist sicher meist näher an dem Wesenscharakter der Aussage (als unpersönliche Generalaussage); ganz vergessen, dass für native speakers da immer auch ein double-entrendre drinstecken kann, darf man es aber nicht (und wird wiederum durch den Kontext bestimmt).

Insbesondere bei Rollenspielen kann man mal leichter davon abrücken, da ein Rollenspiel mehr noch als jeder andere Text eine Ansprache ist im Sinne eines "Ich bringe Dir bei, wie diese Welt/dieses Spiel funktioniert". (Und daher oft auch im Englischen eher so gemeint ist!)
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Offline ArneBab

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Re: Tipps und Gedanken zu Rollenspielübersetzungen
« Antwort #20 am: 30.11.2020 | 13:33 »
Insbesondere bei Rollenspielen kann man mal leichter davon abrücken, da ein Rollenspiel mehr noch als jeder andere Text eine Ansprache ist im Sinne eines "Ich bringe Dir bei, wie diese Welt/dieses Spiel funktioniert". (Und daher oft auch im Englischen eher so gemeint ist!)
Und mit „Du“ und „ihr“ erleichterst du dir geschlechtsneutrale Formulierungen deutlich :-)
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Offline Althalus

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Re: Tipps und Gedanken zu Rollenspielübersetzungen
« Antwort #21 am: 30.11.2020 | 13:41 »
Zitat
Ja, im Englischen wird die unpersönliche Beschreibung auch mit "You" gebildet, aber anders als im Deutschen wird sie mit "You" gebildet!  >;D
Nicht mehr ganz richtig. Inzwischen verwenden zumindest die Amis (und wohl auch die Briten mittlerweile) für unser "man" "they". Kann man auch schon in neueren RP-Publikationen so finden. Zuerst hab ich mich gewundert, bis ich dann kapiert hatte, wie es gemeint ist - find ich auch deutlich besser als die diversen Monstrositäten, die der deutschen Sprache so angetan wurden und werden...
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Achamanian

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Re: Tipps und Gedanken zu Rollenspielübersetzungen
« Antwort #22 am: 30.11.2020 | 14:53 »
Das ist vielleicht gar keine Gegenmeinung, sondern nur eine Ergänzung: Ja, im Englischen wird die unpersönliche Beschreibung auch mit "You" gebildet, aber anders als im Deutschen wird sie mit "You" gebildet!  >;D Will sagen: Auch wenn es für native speaker aus dem Kontext (meistens) klar ist, ob sie mit einem Satz persönlich oder nur allgemein angesprochen wurden, sie wurden dennoch angesprochen! Sprachphilosophisch könnte man anmerken, dass dadurch das Englische in diesem Fall demokratischer ist, da es durch die Verwendung von "You" eine Zustimmung (oder Ablehnung) der Generalaussage provoziert, was man (haha) im Deutschen durch Verwendung von "man" unterbindet.

Eine Übersetzung mit "man" ist sicher meist näher an dem Wesenscharakter der Aussage (als unpersönliche Generalaussage); ganz vergessen, dass für native speakers da immer auch ein double-entrendre drinstecken kann, darf man es aber nicht (und wird wiederum durch den Kontext bestimmt).

Insbesondere bei Rollenspielen kann man mal leichter davon abrücken, da ein Rollenspiel mehr noch als jeder andere Text eine Ansprache ist im Sinne eines "Ich bringe Dir bei, wie diese Welt/dieses Spiel funktioniert". (Und daher oft auch im Englischen eher so gemeint ist!)

Das ist eine interessante Perspektive, habe ich so noch nie drüber nachgedacht! Wenn man so einen Aspekt der Ausgangssprache in einem bestimmten Text dringend herüberretten will, dann muss man natürlich in Kauf nehmen, dass der Text in der Zielsprache holpriger wird. In besonderen Fällen ist das die Sache vielleicht wert, aber man sollte dabei gut wissen, was man tut.

Achamanian

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Re: Tipps und Gedanken zu Rollenspielübersetzungen
« Antwort #23 am: 30.11.2020 | 14:58 »
Nicht mehr ganz richtig. Inzwischen verwenden zumindest die Amis (und wohl auch die Briten mittlerweile) für unser "man" "they". Kann man auch schon in neueren RP-Publikationen so finden. Zuerst hab ich mich gewundert, bis ich dann kapiert hatte, wie es gemeint ist - find ich auch deutlich besser als die diversen Monstrositäten, die der deutschen Sprache so angetan wurden und werden...

Ich glaube, du meinst was anderes. They ersetzt ein generisches He oder auch She. "If a player wants to, they can choose whatever class they like, or roll for it." Da hättest du auf Deutsch bei der direkten Übertragung auch kein man drin, sondern ein Er oder Sie.
Ist übrigens auch gar nicht so neu, die Möglichkeit kennt das Englische wohl schon seit jeher, war nur zwischenzeitlich stark aus der Mode.

Offline treslibras

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Re: Tipps und Gedanken zu Rollenspielübersetzungen
« Antwort #24 am: 30.11.2020 | 15:26 »
@Rumpel: Absolut!

Aber deswegen sind gelungene Übersetzungen auch so schön! Auf jeden Fall habe ich größten Respekt vor dem Beruf. - Und ziehe damit auch den Hut vor Dir!  :d   

(Ich habe mal eine zeitlang meine Frau dabei unterstützt, französische (rechtswissenschaftlich-journalistische) Texte ins Englische zu übersetzten. Wahrlich keine Lyrik, und gespickt mit sehr präzisen Wörtern und feststehenden Formulierungen. Trotzdem waren die Diskussionen um einzelne Ausdrücke immer mal wieder lang und ermüdend... Das muss man mögen (oder alleine zumindest alleine arbeiten!  >;D )
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