Aus dem Thread "Computer RPG vs. Pen&Paper RPG":
Ach ja neuen Laden und weiterspielen, wenn etwas nicht geklappt hat, fände ich bei Pen and Paper auch eher komisch.
Wie drüben schon geschrieben fasziniert mich die Idee gerade.
Meiner Erfahrung nach neigen viele Spieler wie auch Spielleiter zu ziemlicher Risikovermeidung. Es wird konsequent gespielt bis Gefahr droht. Dann wird der tapferste Ritter auch schnell zum Feigling und der größte Drache zur Schmusekatze. Vor allem außerhalb großer Showdowns. Und da verzetteln sich impulsive Charaktere in zaghafter Planung, weil der Spieler es doch gerne "richtig" machen möchte.
Der Spieler hat ein Interesse, dass sein SC überlebt und das möglichst unversehrt. Er will nicht nur Kopf ab oder Bein ab vermeiden, sondern ggf. auch seinen Ruf bewahren, Streit in der Gruppe vermeiden oder in Topform in den Endkampf gehen. Dabei wird gerne ins Metagaming abgerutscht, der Spieler hält seine schützende Hand über die schlechten Eigenschaften des SC.
Der Spielleiter hat es fast noch schwerer. Er hat die Welt zu dirigieren und sie mit Konsequenzen reagieren zu lassen. Aber bereits ein "tja, du rutschst von der nassmoosigen Vier-Meter-Mauer und brichst dir den Waffenarm" könnte übel genommen werden, selbst wenn er bereits die Würfel gedreht hat, damit nicht direkt das Genick bricht. Im Zweifelsfall lässt er Gnade vor Recht ergehen und belohnt einfallsreiches Vorgehen mit einer gehörigen Portion Glück.
Gegen diese Spielweisen ist per se auch gar nichts einzuwenden. Sie verhindert aber mit Sicherheit zahlreiche besonders dramatische oder besonders lustige oder ziemlich epische Szenen. Drei Meilen zur nächsten Brücke laufen oder doch den Fünf-Meter-Sprung über die Schlucht wagen? Palastwache einfach umhauen statt sich wochenlang unter der Mauer durchgraben? Bei der Königsaudienz ein paar Juwelen aus dem Thronsaal mitnehmen, auch wenn beim Erwischtwerden der Galgen droht?
Hypothese: Savegames können hier Abhilfe schaffen!Daher meine Fragen:
- Alles totaler Blödsinn?
- Kennt ihr Systeme, die über eine Art Savegame verfügen? Wenn ja, wie funktioniert das?
- Wie könnte man sowas regelseitig umsetzen, dass es den Spielspaß steigert und nicht in Chaos mündet?
- Was sollte sich wiederholen lassen, was nicht, wie viel, wie wird das getriggert, ...?
- Wie ließe sich eine solche Mechanik ingame erklären?
Gedanken zur Umsetzung- Savegames müssen eine begrenzte Ressource sein, damit es nicht in Chaos ausartet, weil man dann einfach komplett nach dem Prinzip Trial&Error spielen kann.
- Reload sollten nicht allzu weit zurückgehen. Wer hat schon Lust, die Story der letzten drei Abende komplett neu zu spielen?
- Reload sollte nicht zu kurz sein. Wenn wir das auf den Zeitraum einer Probe begrenzen, haben wir bloß die Gummipunktfunktion "Wurf wiederholen" erneut erfunden.
- Das Savegame ist ein dramatisches Mittel, daher sollte es in die Erzählung eingreifen und nicht in die Mechanik.
Daher denke ich an folgende Mechanik:
- Der Gruppe steht eine bestimmte Anzahl an Speicherslots frei. Drei pro Abend klingt nach einer guten Anzahl.
- Speichern muss explizit angesagt werden. Es gibt kein "Autosave".
- Zu Beginn der Spielsession muss für den letzten Spielstand einer der neuen Speicherslots ausgegeben werden, sonst verfällt er. Kein Spielstand kann in die übernächste Session genommen werden.
- Neuladen muss explizit angesagt werden - logisch.
- Das Savegame verfällt nach dem Reload. Es kann selbstverständlich direkt ein weiterer Speicherslot ausgegeben werden, damit bleibt es quasi ein weiteres Mal erhalten.
- Neu geladen wird NACH der Auflösung einer Aktion, nicht währenddessen. Der SC fällt also erst hundert Meter tief in die Schlucht und wird von Ästen durchbohrt bevor die Zeit zurückspringt.
- Es braucht keine lebenden/bewussten SC für einen Reload. Auch nach einem TPK ist das möglich.
- Reload bringt die Gruppe exakt an den jüngsten (!) Speicherpunkt zurück. Alles, was danach kam ist ungeschehen. Gesammelte Gegenstände sind weg, Hebel und Schalter unbewegt, Monster wieder lebendig. Nur die Erinnerungen der SC sind noch da, weil sonst unangenehmes Metagaming folgen würde.
- Der Spielleiter sollte ein Savegame begründet löschen können. Nachdem die Gruppe den Endgegner X besiegt hat, vier Wochen durchs Land gereist ist und dort eine neue Quest aufgegriffen hat sollte man sich nicht überlegen, dass bei X ja noch eine ungeöffnete Truhe herumstand und man dann auch woanders hin reisen könnte. Dies geschieht, um Frustration bei Spielern oder SL zu vermeiden.
- Der Spielleiter sollte hingegen nie das Speichern eines Savegames ablehnen.
Es sollte dann neben den Savegames aber keine zweite Meta-Währung geben, mit der sich z. B. Würfel drehen lassen.
Gedanken zur innerweltlichen ErklärungIm Prinzip sind Savegames und Reloads Zeitsprünge. In vielen SciFi- und einigen Fantasy-Szenarien lässt sich das Konzept also recht nahtlos einsetzen. Zeitmagie, Zeitreise-Devices, Zeitspalten - irgendwas in der Art findet sich schon.
In realitätsnahen Settings kann ich es mir in Form von Visionen bzw. bösen Vorahnungen vorstellen, die einen davon abhalten, etwas sehr schlechtes zu tun. Der Sturz in die Schlucht wird zur Vorahnung erklärt, die den SC davor warnt, diese überhaupt zu versuchen. Er darf dann in dem Moment wieder handeln, in dem die Vision eingesetzt hatte. Kennt man aus Serien und Filmen, wenn es mal wieder einen Schocker braucht, man aber nicht die Eier hat, eine Hauptfigur tatsächlich über die Klinge springen zu lassen.
In realitätsgebundenen Settings wird es schwierig. Da müsste man es wohl als reines Metagaming-Device akzeptieren.