Mich hat das Thema noch nicht losgelassen, deshalb hole ich es jetzt mal von den Toten zurück.
Ich denke nämlich, dass wir als Rollenspieler ohnehin generell ein Problem mit dem Scheitern haben. Wenn wir jetzt mal Spiele im Stil der OSR weglassen, dann stellen ich fest, dass die Spiele im Laufe der Zeit immer größeren Schutz vor dem (endgültigen, aber auch kurzfristigen) Scheitern der Gruppe eingezogen haben. TPKs sind eben nur für eine Subgruppe der Rollenspieler eine Spaßquelle. Ich meine mich zu entsinnen, zu D&D 3.5-Zeiten einen Paizo Adventurepath durchgespielt zu haben, ohne ernsthafte Niederlagen erleben zu "müssen" - so sehr war das System auf den Spielererfolg ausgelegt. Und das trotz eines SL, der die Gegnerwerte schon verbessert hatte.
Generell wird man deshalb bei der Betrachtung der meisten Regelwerke wenig dazu finden, wie man sich einer Konfliktsituation entzieht, die man nicht gewinnen kann. Weil Kämpfe/Konflikte eben nicht verloren werden sollen. Oft genug ist Rollenspiel - wie z.B. der Spielfilm auch - nur ein Vorspielen der Ungewissheit des Ausganges, denn am Ende sollen die Helden natürlich gewinnen. Is halt doof, wenn Frodo mit dem Ring zum Bösewicht wird.
Und da wir (historisch) meistens kriegerische Konflikte in den Mittelpunkt stellen, ist eine Niederlage eben auch besonders schmerzhaft, weil der Preis der Niederlage der Charaktertod ist. Den gilt es dann zu vermeiden, wenn man komplexere Charakterbeziehungen aufbauen möchte, die viele Spielsitzungen erfordern.
Rückschläge kann man aber mechanisch so abbilden dass sie spannend werden: Meine aktuelle Lieblingsmechanik dazu ist "Hot Lead" aus Nights Black Agents. Das ist ein Punktekonto, das beschreibt, wie viel Zeit man hat bis die überlegene Gegenseite einen findet und angreift. Mit bestimmten Aktionen kann man (sehr mühselig) Punkte auf das Konto erspielen, aber fast alles andere kostet Punkte: Ausruhen, Heilen, Ermitteln, etc. Das erlaubt spannende Entscheidungen - da hinten wissen wir noch von einer interessanten Szene, die uns ggf. Informationen bringen könnte oder den Gegner schadet - aber dann werden wir angegriffen und das können wir uns gerade nicht leisten. Also fliehen wir lieber um so einen Punkt aufs Konto zu bekommen. Das ist eine Form des Scheiterns, die nicht die PCs inkompetent wirken lässt, sondern die Kompetenz der Opposition betont. Und vor allem Konsequenzen hat, die nicht spielbeendend sind. Oder man vermeidet eine Kampfszene, weil die Resourcen dafür gerade nicht da sind, weil man nicht heilen konnte. Außerdem fühlt man sich ständig von der Mechanik gehetzt, was sehr on topic ist.)
(Das vom Abenteuer zwingend vorgegebenes Scheitern bei gleichzeitigem Vorspielen der Illusion, es käme auf das Handeln der Gruppe an, gar nicht geht, muss ich wohl nicht betonen.)
Echtes Scheitern ohne (in meinem Fall mechanische) Einordnung können die meisten Spieler, mich eingeschlossen, nicht gut ab. Auch dann nicht, wenn das Scheitern nicht spielbeendend ist. Gibt man ihnen/mir aber einen Anhaltspunkt, wie sich der Rückschlag in die Gesamtlage einordnet, dann können das viel mehr Spieler ab. Es ist eben was ganz anders, wenn man abends aus dem Spielabend mit dem Eindruck kommt
a) Die Orks haben euch brutal in den Arsch getreten, ihr Nullen oder
b) Ihr konntet die Eisenerzmine der Orks nicht zerstören, deshalb haben die Orks bei den Belagerungswürfen gegen die Stadt weiterhin +1
Letztlich gilt aber vermutlich, dass wir uns nicht abends nach der Arbeit noch zum Scheitern verabreden. Das macht Rückschläge so unattraktiv
Wenn ich mich nach 8 Stunden Arbeit noch zum Rollenspiel aufraffe, dann wäre eben ein positives Gefühl auf dem Heimweg schon nett.