#15
Roy F. Baumeister & John Tierney - Willpower - Rediscovering Our Greatest StrengthIch bin ja normalerweise nicht so der Leser von Büchern, die sich als Ratgeber gerieren oder versuchen Ratgeber und Sachbuch zu vereinigen, aber dieses Werk war verblüffend unaufdringlich.
Das Thema Willenskraft ist zudem bei mir im Freundes- und Bekanntenkreis zuletzt ausführlich diskutiert wurden, sodass die Lektüre letztlich interessant klang.
Baumeister und Tierney unternehmen den Versuch, anhand von psychologischen Experimenten, diverse Sachverhalte zum Thema der Willenskraft plastisch darzustellen, ohne sich zu sehr auf die wissenschaftliche Nüchternheit zu verlassen, sie werden dabei erzählerisch, ohne zu entspannt zu werden; und von mir sehr geschätzt: sie vermeiden es, belehrend zu werden und zu behaupten, dass sie den einzig wahren Weg gefunden hätten.
Letztlich ist das Buch mehr eine Zusammenfassung von vielen, kleinen Versatzstücken zum Thema Willenskraft, die man entweder aus eigener Anschauung oder aus dem common sense kennt, dazu ein paar Zusätze und das Aufräumen mit ein paar Missverständnissen. Beispielsweise zu den Jojo-Phasen von Diäten wird da etwas gesagt, oder es werden Querbezüge zum Getting Things Done von David Allen gezogen. Und es ist gefällig genug geschrieben, um nicht zu langweilen.
Es bleibt am Ende vor allem hängen, dass es eigentlich falsch ist, von blanker Willenskraft zu sprechen. Zumindest ist in der Art und Weise wie Baumeister und Tierney es verstehen, vielmehr ist von einer Willensausdauer zu sprechen, die zwar trainiert werden kann, aber allen voran ähnlich des Ausdauersports vor allem eine Mischung aus Training der eigentlichen Willenskraft und aus geschicktem Ressourcenmanagement ist. Und unabhängig davon, welche individuellen Maßnahmen man findet (lediglich vor Prokrastination warnen sie - bis auf in Ausnahmen - ansonsten stellen sie unterschiedliche Möglichkeiten und Ansätze frei), letztlich bleibt alles davon abhängig, wie gut man seine Ressource Willensausdauer verwalten kann.
7 von 10 Punkte
#16
Max Weber - Politik als BerufIn Webers nachträglich bearbeiteten Vortrag zum Thema der Politik als Berufung ist sicher viel reininterpretiert, viel ausgelegt und viel debattiert wurden. Ich kann und will die Breite gar nicht weitergeben, weshalb ich zuvorderst meinen eigenen Eindruck schildern möchte.
Der Vortrag ist meines Erachtens vor allem als strukturalistischer Beitrag zur Thematik des Berufspolitikers zu lesen, da er dort seine Stärken hat. Zwar debattiert Weber auch die Dimensionen unterschiedlicher ethischer Ansätze (vor allem setzt er sich mit dem Gegensatz von Gesinnungs- und Verantwortungsethik), aber tatsächlich hat er zum ethischen Anspruch oder zur Motivation eher wenig zu sagen.
Die Analyse der Herrschaftstypen und der darin strukturell handelnden Personen hingegen ist das Kernstück dieses Vortrags.
Die Rechtfertigung eigener politischer Ambition und auch eine gewisse Hoffart wird hier und da deutlich, wenn man das Buch liest, und besonders deutlich wird es, wenn man bedenkt, dass Weber ihn nur hielt, damit Kurt Eisner ihn nicht hält, aber das schmälert nicht die strukturelle Leistung des Beitrages.
Diese zeichnet sich durch die konzise Beschreibung von Herrschaftstypen und ihren jeweiligen Bedingungen aus und ist nach wie vor ein hervorragender Einstieg in das Thema. Häufig wird das Werk ja vor allem wegen Webers Beschreibung des charismatischen Führungstypus - des Demagogen - herangezogen und dann wegen des Zeitpunktes des Vortrags (1919) als Prophezeiung des Aufstiegs Hitlers herangezogen, aber damit wird man dem Werk und seiner Aussage wohl kaum gerecht.
Insgesamt kann der Vortrag - der nichts an struktureller Aktualität verloren hat - immer noch mit großem Gewinn gelesen werden.
8 von 10 Punkte
#17
Umberto Eco - Der Name der RoseDer Ruf dieses Werkes durfte den meisten bekannt sein, aber ich will sein Loblied dennoch auch nochmal singen. Welch ein gutes Werk! Und auf wie vielen Ebenen.
Es ist eine kleine Einführung in die Logik, in die Philosophie, in die Semiotik und in die Mediävistik, es ist ein Detektivroman nach klassischem Stil (Sherlock & Watson = William von Baskerville & Adson), es ist ein Sittengemälde, es ist ein historischer Roman, es ist einfach ein gelungenes Potpourri aus allen möglichen Einflüssen, und natürlich bedeutungsschwanger ohne Ende.
Das Sujet im Bereich der Mönchskopisten zu suchen, dort dann viele Einflüsse zu kopieren (Sherlock = Baskerville, auch in der Beschreibung bspw. oder die Bedeutung Borges verglichen mit dem Autoren Borges), und ihnen doch mit eigenen Zeichen und Wegen eigenes Leben zu geben, ja, all die Logik und das Lesende in dem allgemeinen Chaos abbrennen zu sehen, und damit die Themen des Werkes zu unterstreichen, ist in seiner Konstruktion schon ein ganz besonderes Werk.
Ein Werk, in dem Konstruktion, Beschreibung, Modell und Wirklichkeit Hand in Hand geht und irgendwas zwischen Roman, Mockumentary, philosophisch-theologischer Vorlesung und
Gewölbekunde bildet (für die D&D-Freunde ist es sogar ein gelungener Dungeoncrawler in einigen Szenen), ist außergewöhnlich.
Besonders außergewöhnlich, wie Eco alles in seinem Werk spiegelt; in der Handlung, sei es die kirchenmittelalterliche Architektur, sei es der Diskurs über das Lachen und Komödiantische, etc.
Und jetzt mag es am Anfang so sein, dass die ein oder andere Erklärung zu lang und zu nichtig erscheine, ist dem nicht so, denn Eco begegnet diesem damit, dass jede seiner gelehrten Diskurse - sei es über Brillen, über das Küchenlatein, über Häresie, Architektur, Essenskultur etc. - eine immanente Rolle in seinem Stück spielt und somit nicht einfach der Beschreibung, sondern auch immer der Handlung gilt.
Und so ist es letztlich folgerichtig und befriedigend, dass selbst Sherlocks - verzeiht, Baskervilles - Logik nicht reicht, um alles zu erfassen und zu verhindern. Dass alle künstlich erzeugte oder verstandene Ordnung nur eine unzureichende und doch notwendige Verkürzung, ja beinahe Skizze der Wirklichkeit ist, in der alles wohlgeordnet werden kann und doch stets darüber hinausweist, darüber hinausweisen muss.
Bei allem theoretischen Salbadere, bei allem Aufguss, bei allem Konstrukt bleibt es zudem noch immer ein lesenswertes und gar nicht mal knöchernes Werk.
Ja, ein wirklich befriedigender Lesegenuss. Ein Werk, welches zurecht zu den Großen der Weltliteratur zählt.
9 von 10 Punkte.