#11
Philip K. Dick - Do Androids Dream of Electric Sheep?Es war an der Zeit diesen Klassiker zu lesen, den ich bisher nicht einmal mein Eigen genannt habe. In meiner letzten Buchbestellung habe ich mir dann vorgenommen, als alter Fan der Blade Runner-Filme, das Ursprungswerk dazu zumindest zu besitzen, wenn nicht gar zu lesen.
Und ich muss sagen, dass es mir besser gefällt. Während Blade Runner als Film mich vor allem durch seine Ästhetik anspricht, ist es hier die Perspektive Deckards, die ambivalenter als im Film erscheint. Hintergrund ist hier der Fokus auf die Tierwelt und die Rolle, die Deckards Frau spielt, sowie der Mercerismus (der interessanterweise zu einem - Ich spüre Schmerz, also bin ich - wird).
Insgesamt ist der Fokus des Buches mehr auf psychische Erkrankungen gelegt, so mein Gefühl, und ist für Dick eher eine Verarbeitungsleistung als das, was Hollywood später daraus gemacht hat, und dadurch erhält es seinen ganz eigenen Reiz. Vor allem, die Paranoia Deckards, die ja mehrfach schizophrene Züge annimmt und damit die Identitäts Deckards immer wieder verwischt, ist im Buch viel, viel deutlicher.
Allerdings gelingt es Hollywood, das Buch mit einem größeren Spannungsbogen zu versorgen, ja, Spannung überhaupt so recht zu erzeugen, denn Dick legt wenig Wert auf die szenische Gestaltung, was die Aktionen der Buchcharaktere angeht. Es geht Dick augenscheinlich vielmehr um den Zweifel, das Verfallende und die Gesamtatmosphäre seines kurzen Werkes, in dem Umwelt wie der Geist des Einzelnen zu Kipple verfallen.
8 von 10 Punkte
#12
Thomas R. Pynchon - Gegen den TagDieses Buch habe ich mir nach einem Auszug im Deutschlandfunk 2008 gekauft, und die großen Rezensionen waren voller Begeisterung (siehe die
Rezension von Dennis Scheck), und dieses Werk versprach Abenteuer, denn es ist angesiedelt in einem alternativen, doch sehr nahen Übergang vom 19. ins 20. Jahrhundert und mischt den abenteuerlichen SciFi eines Jules Verne, mit dem Groschenroman, mit der Wild West-Rachegeschichte, mit politischem Geplänkel, Wissenschaftsabsurditäten und sogar mit dem Spionageroman.
Mich allerdings konnte das Werk leider nicht begeistern. Schnell zusammen gefasst, könnte man auch schreiben: Zu viele Versatzstücke, zu lange, zu informative Sätze, zu billiger Sex in allen Varianten.
Es wirkt wie ein Roman, in dem Pynchon beweisen wollte, was er alles über die Zeit, über die Irrungen und Wirrungen der technischen Revolutionen und die Welt des 19. Jahrhunderts, über die Stilrichtungen, die er einschlägt, weiß. Indem er gleichzeitig ein undurchblickliches Chaos erzeugt, und dann auf seinen so geliebten Vektoren die Charaktere irgendwo in der Raumzeit aufeinandertreffen lässt und so doch das Chaos irgendwie zu einer zusammenhängenden Geschichte aufreiht, die von der Weltausstellung in Chigago bis knapp nach dem ersten Weltkrieg reicht, präsentiert die Inhalte seines Buches in Form und in Text.
Und man verstehe mich jetzt nicht falsch, denn Pynchon konstruiert sicher ganz meisterhaft, denn das, was er durch seine schrägen Charaktere postuliert, findet sich gar im Aufbau des Buches wieder. Pynchon weiß und kann Unmengen. Er beherrscht die äußere Form der Stile, er hat Unmengen von Details zu seiner und zu unserer Welt in der Hinterhand, er erfreut sich am Enigmatischen und kann sogar für die protagonistische Familie und die Freunde der Fährnis ein ganz süßes Happy End zusammenfriemeln, und doch, in all der technischen Meisterschaft geht die emotionale Federführung verloren. Das Abstruse, das Absurde des Romans ist häufig nicht stark genug, um zu überzeugen oder zum Lachen zu bringen, das Tragische des Romans ist zu seicht. Er nutzt eine Vielzahl von Charakteren, und natürlich kann nicht jeder charakterlich präsent sein, aber eigentlich gewinnen nur seine absurden Charaktere an Gestalt. Was wiederum als Konstruktionsmittel Sinn ergibt, gerade wenn Themen wie Licht, Äther und Zeit zu einer Theorie der Bilokation verschmilzen (am Ende des Buches anhand der Photographie Merle Rideouts wundervoll illustriert), und so sich immer die Frage stellt, was ist und was hätte sein können, ja, dann ist es klar, dass alle Kinder der Familie Traverse eine Abwandlung des Vaters sind und diesem so ähnlich, dass sie nicht als eigenständige Personen gelten können, aber doch anzeigen, was hätte sein können. Dass die Familie Traverse Traversen - also die Protagonisten Trägerstücke - sind, zeigt die konstruktive Meisterschaft Pynchons an.
Und so ist man bei diesem Buch baff von der technischen Meisterschaft Pynchons, aber man ist nicht mitgenommen. Vielleicht reicht mein Horizont nicht aus, aber nichts an dem Buch nimmt mich als Leser mit. Die Abenteuergeschichten sind nicht abenteuerlich genug, die Anarchisten nicht anarchisch genug, die Spionagegeschichten erwecken keine Freude am miträstseln, dass Wissenschaftliche, dass immer ins Absurde geht, ist eine nette Gedankenübung und doch nicht mehr, und die Rachegeschichte, sie nimmt zwar unerwartete Wendungen, bleibt aber durch ihre zeitliche Irrelevanz ohne große Bedeutung für das Werk, außer, dass sie eine der wenigen roten Fäden des Werkes ist.
Die ersten 1000 Seiten baut Pynchon dabei sein Werk in die Breite, auf den letzten 600 knotet er die Fäden zusammen und führt seine vielen Stränge - wieder solide konstruiert - zusammen. Und doch. Bei all der technischen Meisterschaft lässt es einen furchtbar kalt.
Nicht umsonst habe ich das Buch 13 Jahre im Schrank gehabt und vier Anläufe gebraucht, um mich dem Buch endlich ganz zu widmen. 1596 Seiten im Deutschen, übrigens hervorragend übersetzt und lektoriert, sind dann doch Arbeit.
Und so kann ich teilen, was die großen Rezensenten aller Welt sagen. Es ist auf seine Art und Weise ein konstruktives Meisterwerk. Es ist wie eine Konstruktionszeichnung, eine wilde und irgendwie liebevoll konstruierte Blaupause, doch es kommt nicht darüber hinaus. Und so ist es leider das langweiligste Meisterwerk, was ich je gelesen habe.
3 von 10 Punkte